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Griechenlands Linksbündnis muss sich den Mühen des Alltags stellen Tagesthema

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Griechenlands Linksbündnis muss sich den Mühen des Alltags stellen

Die neue Regierung in Griechenland unter Alexis Tsipras feierte am Mittwoch ein erstes kleines Jubiläum. Seit dem Wahlsieg am 25. Januar ist genau ein Monat verstrichen; nun steht das Bündnis der Radikal-Linken (Syriza) das seither das Steuer in der Hand hat, in der Regierungsverantwortung: Es beginnen die Mühen der Alltagspolitik. Vor allem angesichts der Verhandlungen mit den europäischen Partnern zeigen sich viele Griechen enttäuscht.

Während im Vorfeld signalisiert wurde, dass man in Brüssel die eigenen Ansichten durchboxen werde, sind viele nun etwas irritiert. Auf Kritik stieß vor allem ein sechsseitiger Brief, den Finanzminister Janis Varoufakis (s. Foto) an seine EU-Amtskollegen adressiert hatte. Kern des Ganzen ist eine Liste von Reformen, die Griechenland durchführen will. Dies war die Basis dafür, dass man in Brüssel Grünes Licht für eine viermonatige Verlängerung des bestehenden Hilfsprogramms gab.

Die Details kommen später
Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis sprach zwar von einem „Gewinn“ und einem „Erfolg“ für Griechenland. In den kommenden vier Monaten könne man über die Einzelheiten verhandeln. Es sei gelungen, ein Zerwürfnis mit den europäischen Partnern zu vermeiden. Doch das ist nur die eine Seite. Vor allem der extrem linke Flügel bei Syriza moniert, dass man in die aktuell betriebene Politik der Regierung zu wenig einbezogen werde. 60 Genossen des Zentralkomitees forderten am Dienstag in einem Brief eine klare Auskunft über die Entwicklungen und über die mit den Geldgebern getroffenen Vereinbarungen. Noch ist dieser Protest noch nicht einmal ein Sturm im Wasserglas, doch das muss nicht unbedingt so bleiben. Vor allem was Zugeständnisse bei der Privatisierungspolitik betrifft, geht vielen der gestandenen Linken in der jetzigen Regierungspartei gegen den Strich. Der Minister für Wiederaufbau, Panagiotis Lafazanis, gehört hier zu den stärksten Kritikern. Beschwichtigend titelte die Syriza-nahe Zeitung „Efimerida ton Syntakton: „Der erste Schritt ist getan, der Weg ist noch lang – alles liegt auf dem Tisch“. Doch selbst die ebenfalls Syriza-treue „Avgi“ konstatiert bereits einen „Kurswechsel“. Die angesehene liberale Wirtschaftszeitung „Naftemporiki“ bringt die Sache auf den Punkt und sieht einen „Hagel an Abänderungen“ (am politischen Programm).

Unzufriedenheit bei Syriza
Die meisten der Wähler, die Syriza vor einem Monat eine deutliche Mehrheit der Stimmen gaben, dürfte sich von Anfang an wenig Illusionen gemacht haben, dass die neue Regierung – in der auch die Rechtspopulisten der Unabhängigen Griechen (ANEL) vertreten sind – tatsächlich alle Wahlversprechen wahrmachen könnte. Doch wenn in den kommenden Monaten so gut wie gar nichts realisiert werden sollte, könnte sich das schnell ändern. Immerhin hatte man Niedrigrentnern eine 13. Rente versprochen, die Mindestlöhne sollten angehoben werden, die unbeliebte Immobiliensteuer sollte abgeschafft werden und vieles mehr. Am Dienstag wurde bekannt, dass die versprochene Wiedereinstellung von 500 entlassenen Putzfrauen des Finanzministeriums vorerst auf Eis gelegt wird, weil ein Urteil des griechischen Höchstgerichtes erst Mitte Oktober erwartet werde.
Die linksradikale „Antarsia“ hat angesichts der Lage für Donnerstag zu einem Protest in Athen und Thessaloniki gegen die Vereinbarung der Regierung mit den Partnern in Brüssel aufgerufen. Es ist der erste Protest, der sich gegen die Regierung Tsipras richtet, bisher gab es lediglich Solidaritätskundgebungen.

Schritte gegen die Steuerflucht
Was die offizielle Linie in Athen betrifft, so will man sich in den kommenden vier Monaten vor allem auf die Bekämpfung der Steuerflucht, des Schwarzhandels und der Bürokratie konzentrieren. Im Anschluss, so wurde verlautbart, könne man dann mit der Umsetzung der Wahlversprechen fortfahren.
Scharfe Kritik an der Politik des Kabinetts Tsipras hagelt es vor allem seitens der Opposition. Antonis Samaras, der bis vor kurzen noch als Regierungschef die Zügel in der Hand hatte, sieht in der Liste, auf die sich Finanzminister Janis Varoufakis mit den europäischen Partnern einigen konnte, lediglich ein drittes Spar- und Reformpaket. Derartige Programme waren bisher unter dem Namen „Memorandum“ bekannt. Ähnlich beurteilt auch sein früherer Vizeregierungschef Evangelos Venizelos die Lage. Beide vertreten die Auffassung, dass das Land kurz vor den vorverlegten Parlamentswahlen im Januar einen Schritt vor der Beendigung der Memorandums-Politik – sprich: vor dem Ende der Sparpolitik – gestanden habe. Statt herauszufinden sei man nun nur noch tiefer in einen Teufelskreis hineingeschlittert.

Elisa Hübel

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