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Sechs Jahre Memorandum: Erinnerungen eines ehemaligen Premiers Tagesthema

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Sechs Jahre Memorandum: Erinnerungen eines ehemaligen Premiers

Der frühere Ministerpräsident Jorgos Papandreou (Oktober 2009 bis November 2011) hat am Dienstag gegenüber dem Fernsehsender SKAI ein Interview gegeben. Im Zentrum stand die erste Vereinbarung Griechenlands mit den internationalen Geldgebern über ein Spar- und Reformprogramm (Memorandum I), das er am 8. Mai 2010 als Regierungschef unterzeichnet hatte. Angekündigt hatte Papandreou diesen Schritt vor einer malerischen Kulisse auf der Ägäis-Insel Kastelorizo.
Im Interview erklärte er jetzt, dass ihm damals sehr wohl bewusst gewesen sei, dass diese Ansprache in den meisten Ländern der Welt gesendet werden würde. Den Ort dafür habe er deshalb ganz bewusst ausgewählt, um auf diese Weise positiv für sein Land zu werben.
Papandreou stellte weiterhin fest, dass er von Anfang an gegen die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Programm gewesen sei. Vor allem Deutschland habe jedoch darauf bestanden. Erst nach Ende seiner Regierungszeit habe er erfahren, dass der IWF bereits seit 2005 in Griechenland aktiv war. Der IWF habe damals sogar einen Bericht erarbeitet, auf dessen Basis Steuergerechtigkeit in Griechenland erzielt werden sollte. Dieser Vorschlag sei allerdings niemals in die Tat umgesetzt worden.


Scharf ging der Sozialist Papandreou (PASOK) mit seinem Vorgänger im Amt des Regierungschefs Kostas Karamanlis (Nea Dimokratia) ins Gericht. Ihm warf er vor, die Statistik gefälscht zu haben; die tatsächlichen Zahlen über die Lage der griechischen Wirtschaft seien dadurch nicht bekannt gewesen.
Ein weiteres Thema im Interview war ein Referendum, das Papandreou am 31. Oktober 2011 angekündigt, aber nicht in die Tat umgesetzt hatte. Kurz darauf musste er zurücktreten, es fanden Neuwahlen statt. Am 9. November wurde als neuer Ministerpräsident Loukas Papadimos vereidigt.
Papandreou erklärte mit Rückblick auf die damaligen Ereignisse, dass sowohl die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch andere Politiker mit der Durchführung eines Referendums einverstanden gewesen seien. Die Verantwortung für das Scheitern gibt er seinen Gegnern in der eigenen Partei und dem damaligen Vorsitzenden der konservativen Nea Dimokratia Antonis Samaras. Bei ihm habe der Wille gefehlt zu kooperieren.
Die tatsächlichen Probleme des Landes fasste Papandreou bei seinem Fernsehauftritt mit dem Wort „Vetternwirtschaft“ zusammen. Seine berühmt-berüchtigte Feststellung aus dem Wahlkampf des Jahres 2009 „Lefta yparchoun – zu Deutsch: „Geld gibt es“ rechtfertigte er mit den Worten, dass es sich dabei schlicht um ein Missverständnis handle. Er habe damit sagen wollen, dass es finanzielle Mittel geben werde, „wenn man die Steuerhinterziehung bekämpft, den öffentlichen Dienst transparenter gestaltet, wenn staatliche Institutionen verschmolzen werden, wenn Berufszweige liberalisiert werden, wenn die Bürokratie bekämpft wird und wenn ausländische Investitionen ins Land kommen“.
Kritik übte Papandreou auch an Janis Varoufakis, dem ersten Finanzminister der jetzigen Links-rechts-Regierung unter Alexis Tsipras. Dieser, so stellte der Sozialist fest, habe „fern jeder Realität“ agiert. Er räumte jedoch ein, dass einige seiner Theorien „interessant“ seien. Papandreou dementierte hingegen das Gerücht, dass Varoufakis einst zu seinen Beratern gehört habe. In Wahrheit sei es so, dass der Wirtschaftswissenschaftler lediglich in einigen Ausschüssen der PASOK aktiv gewesen sei. Der heutigen Regierungspartei SYRIZA warf er vor, dass sie „fiktive Hoffnungen“ geschaffen habe.
Auch zum Thema einer Finanzierung Griechenlands durch Drittländer – etwa durch Russland oder China – nahm der einstige Premier Stellung. Dies habe er in der Tat versucht, doch er sei auf verschlossene Türen gestoßen.
Papandreou war bis März 2012 Vorsitzender der PASOK, die von seinem Vater Andreas Papandreou im Jahre 1974 nach dem Sturz der Militärdiktatur gegründet worden war. Am 2. Januar 2015 kündigte Sohn Jorgos die Gründung einer neuen Partei an, der Bewegung der Demokratischen Sozialisten. Bei den Wahlen am 25. Januar 2015 kam diese jedoch nicht ins Parlament und fristet ein Mauerblümchendasein. – Papandreou ist nach wie vor Vorsitzender der Sozialistischen Internationale; in dieses Amt war er 2006 gewählt worden.  

Elisa Hübel

Unser Foto (© Eurokinissi) entstand am 27. Februar 2016, als Papandreou beim 2. Kongress der liberalen Partei „To Potami“ eine Rede hielt.

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