Login RSS

Politischer Umgang mit Neofaschisten rückt auf die Tagesordnung Tagesthema

  • geschrieben von 
Politischer Umgang mit Neofaschisten rückt auf die Tagesordnung
Die Ermordung eines Rappers, der mit seinen Liedtexten als Antifaschist in Erscheinung trat, beschäftigt die griechischen Politiker. Kriminelle Aktivitäten der griechischen Neofaschisten will man künftig unterbinden, mit einem Parteiverbot tut man sich hingegen schwer. Nach der Ermordung des 34-jährigen Antifaschisten und Rappers Pavlos Fyssas in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Keratsini bei Piräus tritt die Problematik um die faschistische Partei Chryssi Avgi immer mehr an die Tagesordnung der griechischen Politiker. Der Minister für Öffentliche Ordnung Nikos Dendias und Justizminister Charalambos Athanassiou informieren heute Ministerpräsident Antonis Samaras über den Stand der Ermittlungen. Strafverfolgung wegen krimineller TatenIm Blickpunkt der Ermittler steht die im Parlament vertretene Chryssi Avgi (zu Deutsch: „Goldene Morgenröte).
Parlament vertretene Chryssi Avgi (zu Deutsch: „Goldene Morgenröte). Unter die Lupe genommen werden sollen nun sämtliche rassistisch motivierte Taten von Parteimitgliedern und Parlamentariern dieser Partei in ganz Griechenland. Auf dem Tisch liegen 32 Straftaten, die der Polizei zufolge auf eine kriminelle Organisation schließen lassen. Justizminister Dendias zufolge könne man die Chryssi Avgi deshalb aber nicht für illegal erklären. Ein solcher Schritt sei verfassungswidrig. Nichts desto Trotz zeigt man sich entschlossen, kriminelle Taten dieser Partei zu bekämpfen. Der Minister betonte: „Alle werden vor Gericht erscheinen.“ Ziel sei es derartige Aktivitäten der Neofaschisten zu stoppen. Nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise vor etwa 3,5 Jahren gewinnen diese zusehends an Kraft. Sie organisieren Lebensmittelspenden – nur für Griechen – und nehmen in zahlreichen Fällen das Gesetz selbst in der Hand, indem sie auf eigene Faust etwa Verkaufsstände von Ausländern überprüfen, in einigen Fällen auch zerstörten.


Ringen um die Gunst der Wähler
Bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr hat die Chryssi Avgi mit etwa 7 % der Stimmen den Sprung ins griechische Parlament geschafft. In allen Meinungsumfragen liegt die Partei derzeit mit mehr als 10 % an dritter Stelle in der Wählergunst nach der konservativen Nea Dimokratia (ND) von Premier Antonis Samaras und nach dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), die derzeit die größte Oppositionskraft im griechischen Parlament ist.
Beobachter glauben, dass viele Wähler nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Proteststimme entweder der Chryssi Avgi oder SYRIZA schenkten, um das bisherige Zweiparteiensystem aus Konservativen (ND) und Sozialisten (PASOK) abzustrafen.
Beide Parteien sind in den Augen der meisten Griechen Schuld an der derzeitigen akuten Finanz- und Wirtschaftslage des Landes. Wenn man bedenkt, dass sich ND und PASOK seit 1974 nahezu regelmäßig bei den Regierungsgeschäften abgewechselt haben, ist diese Schlussfolgerung nicht unverständlich. Derzeit stellen beide Parteien in einer Koalition unter Ministerpräsident Samaras gemeinsam die Regierung.
Analysten glauben, dass die Chryssi Avgi ihre meisten Wähler aus dem rechten Flügel der ND rekrutieren konnte. Wohl auch aus diesem Grund scheint es Samaras bisher vermieden zu haben, auf einen absoluten Konfrontationskurs mit dieser Partei zu gehen. Kritiker glauben, dass er mit dieser Politik versuchen wollte, seine ehemaligen Wähler aus dem rechten Lager zurück ins eigene Lager zu holen. Die aktuellen Ereignisse scheinen dem Ministerpräsidenten jedoch derzeit gar keine andere Wahl zu lassen, als die Taten der Chryssi Avgi entschieden zu verurteilen und schärfer gegen sie vorzugehen.

Angriffe auf Ausländer und politische Widersacher
In einem Interview gegenüber der Zeitung „Ethnos“ hat ein vermeintliches ehemaliges Mitglied der Chryssi Avgi von einer „paramilitärischen Gruppe“ gesprochen. Weiterhin erklärt diese Person, dass jedes neue Mitglied der Partei seine Treue unter Beweis stellen müsse. Dazu gehörten etwa Überfälle auf Ausländer sowie auch gegen politische Widersacher. Erst vor wenigen Tagen war eine Gruppe von Kommunisten während einer Plakatklebeaktion auf der Straße schwer zusammengeschlagen worden.
Was den Mörder von Pavlos Fyssas betrifft, so dürfte es sich bei ihm offenbar um ein Mitglied der Chryssi Avgi handeln. Er hat seine Tat gestanden. Die bisherigen Ermittlungen legen den Verdacht nahe, dass er telefonisch an den späteren Tatort bestellt worden ist. Die polizeilichen Vermittlungen dazu sind allerdings noch nicht abgeschlossen. Die Chryssi Avgi selbst hatte nach dem Mord jegliche Verbindung zum Täter bestritten und den Vorfall verurteilt.

(Griechenland Zeitung / eh, Foto: Eurokinissi. Die Aufnahme zeigt eine antifaschistische Kundgebung am Donnerstag.)

Nach oben

 Warenkorb