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Nach sieben Jahren abermals zu Besuch auf dem Heiligen Berg Athos

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Nach sieben Jahren abermals zu Besuch auf dem Heiligen Berg Athos
Die Mönchsrepublik im Umbruch Von Hubert Eichheim Herr Photis empfängt uns höflich im Archontariki, dem Empfangsraum des Klosters Xeropotamou, der gleich neben dem schweren mittelalterlichen Eingangstor liegt. Er bittet uns, die Rucksäcke in einem Regal zu deponieren und dann Platz zu nehmen.
mpfängt uns höflich im Archontariki, dem Empfangsraum des Klosters Xeropotamou, der gleich neben dem schweren mittelalterlichen Eingangstor liegt. Er bittet uns, die Rucksäcke in einem Regal zu deponieren und dann Platz zu nehmen. Dann geht er, uns die klassischen Willkommensgaben zu bringen, eine Tasse Kaffee, ein Glas starken Tsipouro (Tresterschnaps) und ein Loukoumi mit einem Glas frischen Wasser. Nach zehn Stunden Wanderung putscht uns das richtig auf. Die leichte Erschöpfung, die uns befallen hatte, ist wie weggewischt. Der Gastpater kommt währenddessen in den Raum, bittet um die Papiere: den Reisepass, das Diamonitirio (die Aufenthaltserlaubnis für den Heiligen Berg) und die Faxzusage für die Übernachtung. Nun übernimmt uns wieder Herr Photis; er führt uns durch den Gästetrakt des Klosters und zeigt uns die Bibliothek mit dem Leseraum, die Toiletten mit den Waschgelegenheiten und unser Schlafzimmer mit den drei Betten. Danach erhalten wir die Verhaltensregeln für unseren Aufenthalt. Er erklärt uns, dass wir als Katholiken während des Gottesdienstes die Kirche nicht betreten dürfen, auch nicht den Exonarthex. Außerdem könnten wir erst nach den Mönchen und den orthodoxen Gästen essen. Das sei gegen sieben Uhr. Wir müssten das verstehen. Wir sollten auch nicht versäumen, nach dem Essen noch etwas im Kiosk vor dem Kloster den Blick auf das Meer und den Sonnenuntergang zu genießen. Doch müssten wir um 8 Uhr wieder reingehen, da dann das Haupttor geschlossen werde.

Auch die Feinschmecker können sich nicht beklagen

Fast alles, was uns der Herr Photis sagt, ist auch aus den Anschlägen in griechischer und englischer Sprache zu entnehmen. Der Herr Photis kann auch etwas Deutsch. Das hat er sich vor wenigen Jahren mit einem Selbstlernkurs erworben, damit er sich mit den deutschen Gästen verständigen kann. Drei Wochen arbeitet er jeweils als Empfangsgehilfe im Kloster. Eine Woche verbringt er dann bei seiner Familie in Thessaloniki. Es ist für den Fünfzigjährigen schwer, draußen eine Arbeit zu bekommen. Also findet er sich mit der zeitweisen Trennung von Frau und Kindern ab. Ohne solche Mitarbeiter wäre die Gemeinschaft des Klosters nicht mehr in der Lage, die zahlreichen Besucher angemessen zu empfangen und zu beherbergen. Angemessen heißt hier, nicht nur mit gutem Willen die klösterliche Pflicht zur Gastfreundschaft zu erfüllen, sondern auch mit absoluter Perfektion. Hier ist alles blitzsauber, die einfachen Zimmer sind mit Geschmack gestaltet und eingerichtet. Vor sieben Jahren war ich schon einmal hier. Da dominierten noch Baukräne das Kloster und seine Außenanlagen. Nur ein Eckgebäude am Haupteingang ist heute noch eingerüstet. In einem Jahr wird die Totalrenovierung abgeschlossen sein.

Punkt sieben Uhr bringt uns der Herr Photis in das mit alten Fresken ausgeschmückte Refektorium, das wie in allen Klöstern gegenüber der Eingangstür zur Kirche liegt. Für die Mönche gilt nämlich die Einnahme der Mahlzeiten als Fortsetzung des Gottesdienstes, weshalb wir getrennt von den Orthodoxen essen müssen. Dort sind nun drei Plätze für uns Fehlgläubige gedeckt. Es gibt ein Artischocken–Bohnengemüse in Eizitronensauce, hart gekochte Eier, Oliven, Käse, frisches Brot, eine Süßspeise aus Schokolade und für jeden eine Karaffe köstlichen Wein. Auch die Feinschmecker unter uns können sich also nicht beklagen.

Disneyland der Frömmigkeit

Die Zustände in Xeropotamou sind charakteristisch für die Veränderungen, die der Gast in den meisten Athosklöstern heute wahrnimmt.

Im Jahr 1963 hat der Heilige Berg sein tausendstes Jubiläum gefeiert. Den Freunden dieses einmaligen Kultur- und Naturdenkmals war damals keineswegs zum Feiern zumute. Die Zahl der Mönche war nach dem zweiten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg stetig zurückgegangen. Die meisten der Verbliebenen befanden sich schon in hohem Alter. „Manche der Klöster sind daher kaum mehr als eine Heimstätte betagter Mönche, einfacher Menschen bäuerlicher Herkunft und geringer Bildung; zuweilen auch Zuflucht für Männer, die im Leben scheiterten und sich hierher zurückziehen", beschreibt de Jongh 1972 den Zustand der Athos-Bevölkerung. Die Gebäude waren heruntergekommen und zum Teil zerfallen, die Ikonen, Reliquien, Evangeliare und Handschriften extrem gefährdet. Viele der Einsiedeleien standen leer. Gärten und Weinberge waren verwildert. Im selben Jahr war die Zahl der Mönche sogar auf 1145 geschrumpft. Mit einem Ende der mönchischen Tradition musste gerechnet werden. Damals gab es bereits Überlegungen, was man mit dem Heiligen Berg in einer nachmönchischen Zeit machen könnte. Ein Disneyland der Frömmigkeit, geöffnet für das große Publikum, auch für Frauen, war der abstruseste unter vielen Vorschlägen.

Der „Paradiesgarten" erblüht wieder

Doch die Panagia, die Schutzheilige des Athos, ließ ihren „Paradiesgarten" nicht verkommen. Das Wunder geschah. Im Jahr 1973 nahm zum ersten Mal die Zahl der Mönche wieder zu, um eine Person. Dabei blieb es nicht. Bis 1990 traten im Schnitt 48 Novizen jährlich ein. Dass sich dies in den absoluten Zahlen nicht stärker niederschlagen konnte, lag an der hohen Sterblichkeitsrate der überalterten Gemeinschaften. Die frische Blutzufuhr führte nicht nur zu einer bemerkenswerten Senkung des Durchschnittsalters, sondern auch zu einer allgemeinen Dynamisierung des Lebens in all seinen Erscheinungsformen auf dem Heiligen Berg. Dem in die Tiefe blickenden westlichen Betrachter bot sich wieder ein differenziertes Bild, das von strengst geregelten Gemeinschaftsformen bis zu individualistischer Anarchie reicht und damit orientalischer Lebensweise näher steht, als es der humanistisch gebildete Griechenlandreisende vermutet. Damit einher ging auch die notwendige spirituelle Wende; junge und oft gebildete Mönche räumten mit dem Schlendrian auf. Es ging wieder um die Art des klösterlichen Zusammenlebens, um den Verzicht auf Welt, um die Askese. Das alles fand auch unter heftigen Auseinandersetzungen statt. Die Gemeinschaft des Klosters Esphigmenou wehrte sich gegen die Annäherung des Patriarchen von Konstantinopel an die Katholische Kirche. Sie schlossen ihn deswegen aus ihrem Gebet aus und hissten eine schwarze Fahne mit der Aufschrift „Orthodoxie oder Tod". Das führte dazu, dass die übrigen 19 Klöster die Mönche von Esphigmenou aufforderten, den Athos zu verlassen, was sie letztendlich nicht taten. Zu Konsequenzen hat im Jahr 2001 jedoch ein theologischer Streit innerhalb des Klosters Philotheou geführt. Der junge Abt Ephrem konnte sich gegen die Mehrheit der Brüder nicht durchsetzen und verließ mit sieben Mönchen das Kloster. Sie ließen sich in einem leer stehenden Gebäude eines anderen Klosters nieder, wo sie nicht geringen Zulauf von jungen Leuten bekamen.Die neue Dynamik beschränkte sich nicht nur auf den Geist der Gemeinschaft, sondern verlagerte sich auch auf die äußeren Umstände, auf die Gebäude und die landwirtschaftliche Produktion, unabdingbare Voraussetzungen für ein weiteres Wachstum. Da standen aber auch die Kaufleute wieder parat, um an der Entwicklung zu verdienen.

Gute Zeiten für Baufirmen und Handwerksbetriebe

Nicht nur der Ökumenische Patriarch und der griechische Staat, auch die UNESCO fühlen sich zuständig für die Klöster auf dem Athos. Schließlich sind sie allesamt auf der Liste der Kulturdenkmäler der Welt und werden entsprechend finanziell unterstützt in ihren Bemühungen, Gebäude und Kunstschätze zu erhalten. Es scheint geradezu ein Wettrennen von Geldgebern stattzufinden. Auf unserer Wanderung in der letzten Zeit trafen wir kaum ein Kloster an, das nicht von einem Baukran überragt wurde. Für den Erhalt und die Renovierung der Gebäude und Kunstgegenstände nahmen Hunderte von Architekten, Projektmanager, Waldarbeiter, Handwerker, Fotografen usw. zeitweise Aufenthalt auf dem Heiligen Berg. Für sie mussten nicht nur Unterkünfte geschaffen werden. Ihre reibungslose Integration in das Leben der Klöster war eine bisher nicht gekannte Herausforderung. Zahlreiche Unternehmen haben Möglichkeiten erkannt, gute Geschäfte zu machen. Baufirmen und Handwerksbetriebe spezialisierten sich auf Renovierungsarbeiten. Da ergab sich ganz von allein der Bedarf für Straßen, deren Bau inzwischen keinen Halt mehr kennt. Mehr als 10 Kleinbusse fahren inzwischen regelmäßig von Karies, dem Hauptort, zu den einzelnen Klöstern, von denen die meisten einen kleinen Laden aufgemacht haben, in dem Schrifttum und Devotionalien angeboten werden. Erstmals kann man im Kloster Vatopedi auch einen hervorragenden Klosterwein für 9 Euro die Flasche erstehen. Kein Wunder auch, dass es inzwischen Wandergruppen gibt, die von Reisebüros vermittelt wurden.Die Athoshalbinsel ist nämlich auch eines der schönsten Wandergebiete, das man sich vorstellen kann. Dichte Wälder überziehen fast das gesamte Gelände, bestehend aus Kastanien, Eichen, Pinien, Platanen. Fauna und Flora sind von unbeschreiblichem Reichtum. Allein 320 Pilzsorten werden dort registriert. Noch vor fünfzig Jahren konnte man sich von Kloster zu Kloster nur auf Eselspfaden bewegen, wenn man nicht den Seeweg nehmen wollte.

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