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Tagebuch eines Segeltörns: Auf dem Weg zum lachenden Löwen von Kea

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Tagebuch eines Segeltörns: Auf dem Weg zum lachenden Löwen von Kea

Griechenland ist der optimal Ort, um seine Batterien aufzuladen. Die einzigartige Landschaft, das in der Regel stabile Wetter und die Gastfreundschaft sind optimale Voraussetzungen dafür. Griechenland mit dem Segelboot zu bereisen, ermöglicht es, das Land außerhalb der großen Routen kennen zu lernen. Auf den Inseln findet man noch verträumte Buchten und eine sehr zu schätzende Ursprünglichkeit. Hier kann man den Puls der Menschen besser fühlen, als in den hektischen Großstädten oder in den Touristenzentren. Hier hat das Leben seinen eigenen Takt, reduziert auf das Wesentliche und geprägt von den Dingen, die wirklich wichtig sind.

Unsere diesjährige Reise begann in der Marina Alimos in Athen. Die Marina ist nicht gerade das Aushängeschild für Komfort und Wohlfühlzone, sondern erfüllt mehr die Funktion einer gut organisierten, nüchternen Charterbasis mit mehr als 1.000 Liegeplätzen. Eng, laut und hektisch ist es. Hier wird mehr Wert darauf gelegt, dass alles schnell und reibungslos funktioniert und die vielen Yachttouristen rasch auf ihre bzw. rasch von ihren Schiffen kommen. Das ist auch der Grund, dass wir so schnell wie möglich das Weite suchen.

Mit geblähten Segeln nach Cap Sounion

Vor dem Hafen empfängt uns ein angenehmer Wind aus Nordwest, der uns entlang der Festlandküste zum Cap Sounion schiebt. Wenn der Wind die Segel bläht und das Schiff gleichmäßig durch das Wasser rauscht, kann man die Stille förmlich hören, lediglich unterbrochen durch sanfte Wellenschläge. Ein traumhafter Sonnenuntergang begleitet uns auf den letzten Meilen und versetzt uns in Ferienlaune. Bald taucht unser Ziel am Horizont auf. In der kleinen Bucht am Cap Sounion liegen im Gegensatz zu früheren Besuchen deutlich weniger Boote. Der Poseidontempel ist hell erleuchtet und verstärkt den mystischen Charakter. Hier verbringen wir die Nacht, freuen uns über ein selbst zubereitetes Abendessen und genießen den Abend unter freiem Himmel. Die Stimmung nimmt uns gefangen und mit in die legendenumrankte Vergangenheit. Hier stürzte sich der König Aegeus von Athen in den Tod im Glauben, dass sein Sohn Theseus bei Kämpfen auf Kreta ums Leben gekommen sei. Das ägäische Meer ist nach ihm benannt und auch Homer beschreibt die heilige Spitze am attischen Ufer. Am Poseidontempel baten die Seeleute schon seit frühester Zeit um die Gunst des Meergottes. Wir tun es auch und opfern traditionell den letzten Schluck unseres Rotweins, den wir zu Ehren Poseidons ins Meer gießen.

Auf dem Weg in die Kykladen bis nach Milos

Jedes Jahr nehme ich mir vor, den Tempel zu besteigen, um von hier aus den viel gerühmten Sonnenuntergang oder die phantastische Aussicht über die westlichen Kykladen bis nach Milos zu genießen. Doch wir wollen weiter. Der Wind steht günstig und so setzen wir die Segel und nehmen Kurs auf die nördliche Spitze von Kea, die wir auf unserem Weg in die Kykladen umrunden wollen. Ein letzter Blick zurück mit einem Dank für die letzte Nacht und dem Versprechen, irgendwann einmal persönlich da oben vorzusprechen. Das nächste Ziel, die knapp 150 Quadratkilometer große Insel Kea sehen wir schon unmittelbar nach dem Auslaufen. Kurz bevor wir die Nordspitze der Insel erreichen, schläft der Wind ein. Nichts, nicht einmal ein kleiner Hauch, eine sanfte Brise, oder ein bescheidenes Lüftchen. Wir dümpeln dahin, es wird heiß, und wir nutzen die Zeit für ein erfrischendes Bad und zum Mittagessen. Mit Motor wollen wir nicht um die Insel, also warten wir ab, und als am späteren Nachmittag noch immer kein Wind kommt, beschließen wir in den Ormos Voukarion einzulaufen. Es ist eine weitläufige Bucht gesäumt von kleinen Tavernen und einem Supermarkt. Die knapp 2.000 Menschen auf der Insel leben von der Landwirtschaft und vom Fischfang. Der Tourismus ist noch unauffällig und sanft, in den Tavernen und Cafés trifft man überwiegend auf Griechen.

Der Löwe von Kea: alt, groß und aus Granit

Wir nehmen uns ein Taxi, das uns in die Chora bringt. In diesem kleinen, verträumten 700-Seelen-Hauptort war ich vor zwanzig Jahren zum ersten Mal hier und seither immer wieder einmal. Es hat sich kaum etwas verändert, alles wirkt sehr vertraut, sympathisch und gastfreundlich. Die bunten Häuser schmiegen sich an den Hang, schmale Gassen, aus denen hin und wieder neugierige Kinder heraus schauen, andere Gassen, in denen Café-Tische zum Verweilen einladen. Ein sanfter Wind weht durch den Ort und bringt eine angenehme Kühle mit sich. Die wichtigste Sehenswürdigkeit ist der Löwe von Kea, eine im 6. Jahrhundert aus Granit heraus gemeißelte sechs Meter lange und drei Meter hohe Statue eines ruhenden Löwen. Den Anblick muss man sich aber erst verdienen und die steilen Gassen hinauf gehen, bis man zu einem steinernen Weg kommt, der den Eindruck erweckt, dass hier schon vor mehr als tausend Jahren Menschen und Tiere gegangen sind. Es wird immer ruhiger, Zikaden, grüne Büsche und Olivenbäume prägen das Bild. Ein Hirte ist der einzige Mensch, dem wir begegnen. An einer scharfen Wegbiegung hat man dann den ersten Blick auf den Löwen, der aber noch das Gesicht abwendet. Am Friedhof und an einer kleinen Kapelle vorbei geht es dann zu einem Abzweig, der über grobe Steinstufen abwärts zum Löwen führt. So nah bin ich ihm noch nie gewesen – er hat tatsächlich ein lachendes Gesicht. Später, als wir beim Abendessen im Restaurant beim Rathaus sitzen, erzählt mir Tassos der Kellner, was es mit dem Löwen auf sich hat. Die Legende besagt, dass die Insel einst von Nymphen bewohnt und daher besonders schön und wasserreich gewesen sei. Weil die Götter neidisch waren, sandten sie einen Löwen, der die Nymphen vertrieb, der Wasserreichtum ging verloren und die Insel trocknete aus. Warum und wieso der Löwe tatsächlich dort ist, weiß man bis heute nicht.

Wir genießen den Abend, plaudern mit dem Kellner und später mit dem Koch und fühlen uns zuhause. Erst spät am Abend können wir uns lösen, verabschieden uns von unseren griechischen Bekannten und kehren auf unsere Boote zurück. Wir hoffen auf guten Wind, der uns am nächsten Tag nach Serifos bringen soll.

Ernst Groechenig
Foto: © Ernst Groechenig

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