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Italiener in Griechenland – und was Maria dazu meint

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Ein zufällig zusammengetragenes Sammelsurium von Geschichten aus dem Dodekanes. Einige der zitierten Aussagen stammen von Maria. Gemeint ist dabei jedoch immer eine andere Maria. Aber alle wohnen sie auf – oder stammen sie von einer Dodekanes-Insel und alle heißen tatsächlich Maria.

Überall in Griechenland stößt man auf Zeugnisse früherer Herrscher. Am augenfälligsten sind die Hinterlassenschaften von Venezianern und Türken (z.B. auf Kreta). Die letzten Gebiete, die erst 1948 zu Griechenland kamen, waren die Inseln des Dodekanes. Diese gehörten nämlich zwischen 1912 und 1943 zu Italien. Noch heute findet man praktisch auf jeder Insel, meistens am Hafen in exponierter Lage, die auffälligen Verwaltungsgebäude der Italiener.
 
Was in Kos noch einigermaßen hübsch und zierlich daherkommt, präsentiert sich z.B. auf Rhodos als protzige, faschistische Monumentalarchitektur.
Ebenfalls von den Italienern gebaut wurde übrigens auf Rhodos der Großmeisterpalast. Dieser, ursprünglich von den Johannitern erbaute Palast, wurde zur Zeit der Türken durch eine Explosion zerstört. Die Italiener bauten ihn zwischen 1937 und 1940 wieder auf – anderthalb mal größer als das Original - darum befindet sich die damals noch dort stehende Evangelismo-Kirche jetzt an der Hafenpromenade. Der Palast diente zuerst dem italienischen König, dann vor allem aber dem Duce, als „Ferienhäuschen". Um den Palast zu verschönern, hat man sich nicht gescheut, die auf den umliegenden Dodekanes-Inseln ausgegrabenen historischen Mosaike abzubauen und im Großmeisterpalast, quasi als Teppichersatz, wieder einzubauen. Um daher z.B. die schönen Mosaike aus den Ausgrabungen in Kos besichtigen zu können, muss man nach Rhodos reisen. Die Italiener haben, obwohl Besatzer, offenbar nicht nur Negatives, sondern durchaus auch Positives hinterlassen. Manchmal staunt man allerdings schon über gewisse Aussagen – die nicht unbedingt vom Selbstvertrauen der heutigen Griechen zeugen. Was sagt z.B. Maria dazu?

Maria sagt, als ich erzählte, dass wir nach Rhodos wollen: „Das ist gut, das ist Dodekanes. Weisst du, dort sind die Leute wenigstens freundlich und charmant, das haben sie nämlich noch von den Italienern gelernt". Eine andere Maria, an der Rezeption im Hotel auf Rhodos, erklärte mir etwas auf der Karte und meinte zum Schluss: „Ja, Rhodos hat ein sehr gut ausgebautes Straßennetz. Das haben halt alles noch die Italiener geplant und gebaut. Gebäude und Strassen werden bleiben. Eine andere Hinterlassenschaft der Italiener wird aber mit Sicherheit in den nächsten Jahren endgültig verschwinden. Nämlich die alten Leute, die vor 1943 zur Schule gingen (Jahrgang 1930 und älter) und damals gezwungenermaßen die Schule in Italienisch machen mussten. Was sie offenbar damals in der Schule ebenfalls gelernt haben ist, dass Schweizer dreisprachig sind und alle auch Italienisch sprechen. Immer wieder passiert es einem auf dem Dodekanes, dass, sobald man sich als Schweizer zu erkennen gibt, hartnäckig versucht wird, mit uns Italienisch zu sprechen: Buongiorno begrüßte uns bereits 1977 auf Kos der „Bergführer" Dimitri, der uns am frühen Morgen, noch vor Sonnenaufgang, zusammen mit Elisabeth (Reiseleiterin der ersten Stunde), auf den Dikeos hinaufführte.  Dimitri  hatte  eine große Wasserflasche dabei, und bei jeder Gelegenheit hieß es ganz charmant (vor allem gegenüber den Damen):"Prego, volete Acqua, Signora?"

Buongiorno, begrüßte uns Maria dann beim Abstieg Eingangs Dorf. Maria betreibt einen kleinen Kräuterladen ganz oben im Dorf Zia, oberhalb der Kirche. Damals haben wir das erste Mal bei Ihr Kräuter gekauft. Seither waren wir oft, letztmals 2006, bei ihr. Früher hatte sie die Kräuter selber gesammelt und getrocknet, heute verkauft sie dieselben, fertig in Plastiksäckchen verpackten Kräuter wie die Läden unten an der Hauptstrasse. Frisch sind die Kräuter heute oft nicht mehr – sie sind wohl zusammen mit Maria alt geworden. Rein aus Sympathie kaufen wir dann trotzdem jedes Mal ein Säcken. Maria habe ich immer nur als schwarz gekleidete ältere Frau in Erinnerung. Inzwischen ist sie steinalt geworden. Sie blüht aber immer noch jedes Mal auf, wenn jemand dabei ist der mit ihr Italienisch spricht. Dann erzählt Sie von den Kindern, die alle ausgewandert sind. Wie einsam es wird im Winter hier in Zia, wenn die Touristen wegbleiben und der Laden geschlossen bleibt. Wie sie im letzen Winter ihre Tochter besucht hat, dazu via Athen und London nach Chicaco fliegen musste, ganz allein - in ihrem Alter.

Meistens besuchten wir ihren kleinen Laden auf dem Weg zum benachbarten Restaurant. Um dort auf der Dachterrasse den Sonnenuntergang zu genießen und ein Bekri-Meze zu essen. Wenn wir dann spät abends heimwärts zogen, vorbei am Häuschen von Maria, riefen wir in die Nacht hinaus: „Buonanotte Maria". Immer kam ein freundliches „Buonanotte" zurück. Sie hat sehr alt ausgesehen letztes Mal, im 2006 - ob sie wohl noch lebt? Apo pou isse. Ah Elvetia! Parla Italiana - und dann ist es oft vorbei mit Griechisch, so auch im Jahre 2000 auf Karpathos „Nein ich spreche viel besser Griechisch als Italienisch", sage ich auf Griechisch (was die Wahrheit ist, denn ich habe nie Italienisch gelernt). Ich sage das immer und immer wieder zum alten Maler Ioannis Chapsis in Othos. Aber er bleibt hartnäckig, er spricht mit mir erbarmungslos Italienisch, er lässt sich nicht beirren. Schweizer sprechen Italienisch, so hat man das in der Schule gelernt und schließlich war er früher sogar mal Lehrer! Schade, auf Griechisch hätte ich einiges mehr verstanden.

Und, was sagt Maria dazu? Abends auf der Heimfahrt kurz unterhalb von Othos. Wir stoppen, um im Abendlicht die Aussicht zu genießen und zu fotografieren. Von hier oben sieht man hinunter auf Aperi, im Hintergrund liegt bereits Pigadia, die Hauptstadt von Karpathos. Etwa 50m von uns entfernt steht eine schwarz gekleidete Frau am Straßenrand. Sie kommt näher und fragt, ob wir hinunter nach Pigadia fahren würden. Sie warte auf den Bus aber der... Wir nehmen Sie mit. Kaum im Auto der übliche Dialog: „Ich heiße Maria. Und ihr? Woher kommt ihr? Ah Elvetia! Milas Italika?" Nicht schon wieder denke ich, ich kann nicht Italienisch. Aber wie ein Wasserfall spricht sie schon weiter. Zum Glück auf Griechisch und sie erklärt auch gleich wieso: „Schade, ich bin halt zu jung. Ich spreche leider nicht Italienisch. Als ich zur Schule ging mussten wir nicht mehr Italienisch lernen. Aber sprecht ihr Englisch?" Noch bevor wir diese Frage bejahen können geht's weiter: „Schade. Ich spreche leider auch nicht Englisch. Ich bin zu alt. Als ich zur Schule ging, lernte man noch nicht Englisch in der Schule. Ich bin halt aus dem Dorf, ich spreche nur Griechisch." Und dann geht es nahtlos weiter: „Da ist die Abzweigung zum Kloster Agios Georgios Vasson Da müsst ihr hingehen, aber unbedingt am Donnerstagnachmittag, dann ist nämlich der Papas dort, der kann Italienisch und auch Englisch. Ein gescheiter Papas, und ein lieber Papas und ein schönes Kloster. Dort steht auch der Baum vom Gatoulis, der war ja auch mal Italiener". „Gatoulis? Der Autovermieter in Pigadia? Stimmt, seine Frau wollte auch Italienisch mit mir sprechen". „Nein nicht der Autovermieter, das ist der Michalis und die Frau ist nicht seine Frau, das ist die Francesca, seine Schwester. Ich meine den Vater, den Sergio. Der hat dort in einem Baum gelebt." Aber das ist eine Geschichte für sich. Eine romantische, aber wahre Liebesgeschichte aus einer harten Zeit die ich euch an dieser Stelle auch nicht vorenthalten möchte.

Eine Italienisch-Griechische Liebesgeschichte: Sergio Gatulo war ein junger italienischer Soldat, welcher im 2. Weltkrieg auf Karpathos stationiert war. Wie es halt so geht, hatte er sich in ein einheimisches Mädchen verliebt. Kurz vor Ende des Krieges, als immer unsicherer wurde was passieren wird, was die auf Karpathos stationierten und inzwischen verfeindeten Deutschen und Italiener tun würden, ist Sergio desertiert. Seine Freundin, die Soi Vassilaraki, versteckte ihn in einem hohlen Olivenbaum beim Kloster Agios Georgios Vasson. Sie brachte ihm jede Nacht zu Essen und zu Trinken. Alles ging gut, weder die Deutschen noch die Italiener fanden ihn. Nach dem Krieg heirateten die beiden. Sergio musste zuerst allerdings orthodox werden, er hängte seinem Namen eine griechische Endung an und änderte ihn auf Gatoulis ab. Die zwei hatten sieben Kinder, vier davon arbeiten, wie vorher bereits der Vater, im Autogewerbe. Wenn man bei Gatoulis einen Wagen mietet (und die Augen offen hält), erfährt man unweigerlich von dieser Geschichte. Das Büro von Francesca ist nämlich förmlich tapeziert mit Zeitungsartikeln aus aller Welt, die diese dramatische Liebesgeschichte erzählen.

Beim Kloster Agios Georgios Vasson steht immer noch der inzwischen auseinander gebrochene alte, hohle Olivenbaum. Er ist heute ein mit Erinnerungsstücken be-kränztes Denkmal, und wird von den Nachkommen der beiden liebevoll gepflegt.

Fred Wyss, Hellasfreunde Bern (www.hellasfreunde.ch)

 

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