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Eine Reise durch die Insel im Südwesten Griechenlands

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750 Meter hoch: In einem Wiesental liegt Kalavryta. Ein Wanderparadies und Skigebiet 750 Meter hoch: In einem Wiesental liegt Kalavryta. Ein Wanderparadies und Skigebiet

Wer auf die Peloponnes reist, reist abseits der pauschalen Routen. Raue Gebirge und fruchtbare Täler prägen den Südwesten Griechenlands, jenseits des Golfs von Korinth. Sämtliche Epochen hinterließen ihre Spuren auf der Halbinsel, die aussieht wie eine Hand. Ihr Ballen liegt am Golf, der Handteller in Arkadien, der Daumen in der Saronischen Bucht, die drei Finger strecken sich in die Ägäis Richtung Süden. Wir reisen durch den Ostteil der Peloponnes, meine griechische Partnerin Katerina Katsatou und ich.

Die Poesie der Peloponnes, Teil 1

Der Weg führt durch die Ebene Aigialias, vorbei an Ölbaumhainen. Auf der einen Seite liegt der Golf von Korinth, ein breites, blaues Band, das das Festland von der Insel trennt. Auf der anderen Seite, im Süden, liegen sanfte Hügel, deren Hänge Weinfelder bedecken, wie leichte, grüne Sommermäntel. Über uns spannt sich der Himmel. 

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Blaues Band: Der Golf von Korinth mit Blick aufs Festland.

Unser erstes Ziel ist das Dorf Digeliotika, ein Hinterhof. An der weiß getünchten Hausfassade stehen orangefarbene Plastikfässer, eine alte Standwaage, Paletten mit Kartons. Jorgos Panagopoulos bittet in seine Manufaktur. Blümchenkacheln an den Wänden, Neonlicht. Große Kessel, Siebe. Auf dem Tisch ein schwerer Mörser aus Zink. Es riecht nach Bergamotten, Limone und Rosenblüten, handverlesen von Mönchen eines nahe gelegenen Klosters. Jorgos Panagopoulos hält uns einen Karton unter die Nase, randvoll mit süßen Häppchen, Loukoumia. Wir kosten. Der Mann mit dem blauen T-Shirt und der Sonnenbrille im grauen Haar ist ein Meister, ein Zauberer. In seinem Reich entstehen traditionelle Süßigkeiten. Doch in der Manufaktur ist es still, zu still. In Zeiten der Krise kauft doch niemand Loukoumia. Jorgos Panagopoulos breitet die Arme aus, lacht ratlos. Zum Glück sind seine Spezialitäten auch im Ausland geschätzt. Ihr Zauber liegt in der 100 Jahre alten Rezeptur, eine Komposition aus Mais, Zucker, natürlichen Aromen. Das Ergebnis zergeht auf der Zunge, wie ein süßer Schaum.

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Jorgos Panagopoulos stellt nach einem 100 Jahre alten Rezept Loukoumia her.

Kalavryta: Nur die Erinnerung heilt Wunden

Wir verlassen den Hinterhof, fahren in den Süden, in die Berge. Unzählige Serpentinen später, in 700 Metern Höhe, auf einer welligen Wiesenmatte liegt Kalavryta, eine kleine Stadt an den Ausläufern des Helmos-Gebirges. Große Platanen, Tavernen, Gewürz- und Teeläden, die Kirche am Markt. Nicht weit vom Markt steht die ehemalige Volksschule, ein klassizistischer Steinbau, ebenerdig, mit zwei Seitenflügeln, spitzen Dächern, langen, schmalen Fenstern. Seit 2006 ist die Schule ein Gedenkort, das Holocaust-Museum, wie es die Einheimischen nennen, nach dem griechischen Wort ολοκαύτωμα – völlig niedergebrannt. Panagiota Kaldiri führt die Gäste durchs Haus, erklärt die Stimmen in den Monitoren, die Dokumente in den Vitrinen, die Stahlhelme, das Schultor, hält inne vor einer Installation, auf der Fotos zu sehen sind. Portraits von kindlichen, jungen und alten Männern. Panagiota Kaldiri zeigt auf zwei dieser Fotos zwei Gesichter, die sie nur von Bildern kennt, das Portrait ihres Großvaters und seines Bruders. Beide sind hier geboren. Die Brüder wurden umgebracht, einen halben Kilometer entfernt.
Es war ein Montag, der 13. Dezember 1943. Soldaten der Deutschen Wehrmacht trieben Frauen und Kinder in jene Schule, verschlossen das Tor, vor dem wir jetzt stehen, legten Feuer. Mütter warfen ihre Babys aus den Fenstern, sprangen hinterher. Zeitgleich starben die Männer durch Maschinengewehrsalven auf dem Kappi, dem Hausberg im Osten der Stadt. Auch Panagiota Kaldiris Großvater und ihr Onkel waren Opfer des Massakers, eines der grausamsten auf dem Balkan im Zweiten Weltkrieg. 468 Tote, deren Namen in Stein gemeißelt sind, auf dem Berg, auf dem sie starben. Der Jüngste war 13, die Ältesten waren um die 80.
Kalvaryta ist eine blühende Stadt, ein Winterskiort, ein Naturparadies. Aber nicht die Zeit heilt die Wunden, nur die Erinnerung. Jahrzehnte nach dem Massaker gedenken Einheimische und Deutsche gemeinsam der Opfer, organisieren Treffen, gründen Initiativen. Doch seitens der Bundesrepublik gab es bislang keine Entschädigung für das Verbrechen.

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Kerze der Erinnerung: Kalavrita im Osten, auf dem Hausberg der Stadt, Kappi. An diesem Ort erschossen deutsche Soldaten 468 Männer und Jungs, am 13. Dezember 1943. Heute ist die Hinrichtungsstelle ein Gedenkort.

Dimitsana: In Vitrinen liegen 1500 Jahre alte Bücher

Noch einen griechischen Kaffee, dann geht es weiter, im Rücken Kalavryta, vor uns Berge und Einsamkeit. Arkadien, das Herz der Insel. Überbordendes Grün, das aus den Hängen explodiert, das an den Ufern wilder Bäche wuchert. Ziegen queren die Straße und lassen kleine Glocken schaukeln, die an ihren Hälsen hängen. In Arkadien kauern die Dörfer an Felswänden.

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In Arkadien: Hoch über der Lysos-Schlucht hängt Dimitsana an den Felsen Arkadiens.

Dimitsana ist so ein Dorf, erbaut an einem Bergrücken, auf den Ruinen einer antiken Stadt. Kleine Kirchen, steile Gassen, kühler Wind. Auf dem höchsten Platz des Ortes steht ein Haus - helle Fassade, gelber Putz. Marmortreppen führen zu einem schmiedeeisernen Tor, in dessen Glasscheiben sich der Himmel spiegelt. Das Tor bietet Zugang zur ältesten öffentlichen Bücherei Griechenlands. An den Wänden stehen hohe Regale aus dunklem Holz. In Vitrinen liegen 1500 Jahre alte Bücher. In der hohen Kuppel hängt ein Leuchter. Zwei junge Frauen bieten Kaffee und Gebäck an. Despina Karafoti und Maria Karamitrou sind Verwaltungsangestellte. Die beiden pflegen die Bestände, kümmern sich um Neuzugänge und Finanzen, putzen die Räume, ordnen den Zettelkasten, der einer fast vergangenen Kultur angehört. Der Reiz der Bibliothek besteht in der guten Nachbarschaft zwischen zeitgenössischen Werken und den frühen Schätzen, die aus einer ehemaligen Klosterbibliothek stammen. Sie alle stehen unter dem Dach einer klassizistischen Architektur, bereit, beliehen und betrachtet zu werden.

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Zwischen Büchern: In hohen Regalen stehen die Schätze einer alten Klosterbibliothek neben zeitgenössischer Literatur. Die Werke sind nach Themen geordnet.

Zurzeit reisen wenige Gäste nach Dimitsana. Der Inlandstourismus ist zusammengebrochen. Jetzt ist das Hangdorf 1000 Meter über der Schlucht von Lousios noch einsamer als es ohnehin schon ist. Dimitsana, das einstige Zentrum der Befreiungsbewegung, die 1821 ihren Anfang nahm. Hier standen die Pulvermühlen, die den Aufständischen gegen das Osmanische Reich die Munition lieferten. Heute warten versteckte Perlen wie die Bibliothek auf die Reisenden der Welt.
Arkadien entlässt uns aus seinem verschwenderischen Grün und der Kühle. Wir steuern den mittleren der drei Finger an, im äußersten Süden der Peloponnes, die Mani.

Im nächsten Teil lesen Sie u. a. von den dunklen Geheimnissen der Wehrtürme der Mani sowie dem berühmten Kloster Pantanassa in Mystras.

Text und Fotos von Claudia Friedrich 

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