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Gegensätze: Lautes Parga, stilles Arta

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Fotos (© Klaus Bötig) Fotos (© Klaus Bötig)

Parga platzt im Sommer aus allen Nähten. Auf 3.000 Einwohner kommen dann 6.000 Touristen. Im viel größeren Arta hingegen gibt es direkt in der Stadt nur ein einziges Hotel. Man hat eben keine Strände, sondern nur viele byzantinische Kirchen zu bieten.

Zehn Euro kostet der Parkplatz in Parga pro Tag. Doch der ist ohnehin viel zu klein, um die zahllosen Autos aus Italien und vom ganzen Balkan aufzunehmen, die im Sommer das bildschöne Dorf an der epirotischen Westküste ansteuern. Über die Superautobahn Odos Egnatia oder mit der Fähre von Italien ist man via Igoumenitsa schnell dort. Das nutzen auch Dutzende von Busunternehmen, die Gäste gleich scharenweise anliefern.
Und trotzdem: Parga lohnt seines Anblicks wegen einen Besuch. Meist dreigeschossige, oft klassizistisch angehauchte Häuser mit Ziegeldächern bilden den Ortskern, verströmen durch einen Anstrich in allerlei Farben Fröhlichkeit. Eine autofreie Uferpromenade säumt leicht geschwungen die Hafenbucht. An der Mole liegen größere Ausflugsschiffe, die regelmäßig zu Touren bis nach Paxos starten, und kleine Taxi-Boote zu den umliegenden Stränden. Auch Boote, die führerscheinfrei an Selbstfahrer vermietet werden, liegen bereit. Mit Ausflugsbussen geht es ab Parga sogar bis nach Albanien und zu den Meteora-Klöstern.
Auch Parga weist Griechenland als Land der 1.000 Burgen aus: Im Norden klettern die Häuser ein niedriges grünes Kap empor, das ein Kastell krönt. Die Venezianer, die ja schon die Ionischen Inseln beherrschten, ließen es 1572 erbauen. Anders als die meisten anderen griechischen Festlandsorte konnten die Venezianer Parga bis zur Zerschlagung der Markus-Republik durch Napoleon im Jahr 1797 halten. Nur von 1809, als die Briten den Ort an Ali Pascha von Ioannina verkauften, bis zur Befreiung 1913 unterstand Parga osmanischer Herrschaft.
An die Hafenbucht von Parga schließt sich unmittelbar südlich eine Strandbucht an. Beiden Buchten vorgelagert sind mehrere winzige, von Bäumen und Büschen bestandene Felsinseln. Eine trägt sogar eine Kirche, in der an fast jedem Wochenende Trauungen vollzogen werden – Meryl Streep und „Mama mia“ lassen grüßen!

Der Fluss des Vergessens

Südlich von Parga mündet bei Amoudia der Acheron ins Ionische Meer. Den alten Griechen galt er als einer der fünf Grenzflüsse zur Unterwelt, in die Fährmann Charon die Verstorbenen übersetzte. Durch die Nähe zu Parga ist der 58 Kilometer lange Wasserlauf zur Touristenattraktion geworden – und das auf angenehme Art. Wo er bei Gliki das Gebirge verlässt, sprudelt an zahlreichen Stellen kristallklares Wasser aus dem Boden und Felsnischen. Zahllose Platanen streben gen Himmel oder wachsen fast waagerecht dicht überm Boden, umschließen Felsbrocken, bieten Alpenveilchen in Aushöhlungen Schutz. Sie ziehen den Spaziergänger wie einst Rotkäppchen immer tiefer in den Wald hinein. Doch nach 700 Metern ist erst einmal Schluss. Nun heißt es „Schuhe aus“, wenn man weiter in die Schlucht eindringen will. Dabei muss man je nach Wasserstand auch schon mal ein paar Meter schwimmen. Wer genug Kondition hat, durchwandert die gesamte Schlucht in etwa vier Stunden. 7,2 Kilometer und 220 Meter Höhenunterschied sind dabei zu bewältigen. Diese und weitere Trekking-Touren kann man auch mit Führung unternehmen – das Team von Riverdreams steht dafür am Parkplatz nach Voranmeldung bereit. Das kleine alternative Unternehmen bietet hier am Acheron auch eine ganze Reihe weiterer Aktivitäten an: Vom kurzen Pferderitt im Flussbett über Bogenschießen und Paragliding bis hin zu Rafting-Touren. Sie sind aber nicht die einzigen, die hier an den Quellen des Acheron vom Tourismus profitieren: Frauen verkaufen getrocknete Kräuter und Kräutertees – darunter auch einen aus Heideblüten –, ein Imker in dritter Generation bietet auch ungewöhnliche Honigsorten an, denn er setzt seine Bienen auch auf die Blüten von Erdbeerbäumen, Tannen und Eichen.

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Totenorakel und Lebensfreude

Nach einer halben Stunde Autofahrt liegt eine einzigartige antike Stätte nahe dem Acheron: Das Totenorakel Nekromanteion. Mit EU-Fördergeldern kürzlich schön hergerichtet, wirkt es gar nicht so schaurig wie es einst wohl war. Hierher pilgerten Menschen wohl schon zu Zeiten Homers, um die Schatten von Toten um Rat zu bitten, wie es dereinst der große Epiker auch Odysseus und seine Gefährten auf Rat der Zauberin Kirke tun ließ, um den Schatten des blinden Sehers Teiresias zu befragen. Was der Besucher heute dort sieht, stammt zumeist aus dem 4. und 3. Jahrhundert v. Chr., als die Orakelstätte schon gut organisiert war. Die Pilger wurden von den Priestern mehrere Tage lang mit Drogen, spezieller Ernährung und viel vorgegaukelter Zauberei in dunklen Räumen in höchste Erregung versetzt, bis sie schließlich in ein völlig fensterloses Gewölbe geführt wurden, wo ihnen die Toten begegneten. Um ihre Schatten an die Wände zu werfen, hatte man sogar eine spezielle Vorrichtung ausgetüftelt.
An der Mündung des Acheron geht es dann in Amoudia wieder um Lebensfreude pur. Wie der Name der kleinen Streusiedlung schon besagt, gibt es hier einen breiten Sandstrand. An den Kais des schmalen Flusshafens liegen Segelyachten, Fischerboote und Ausflugsschiffchen, mit denen man stündlich startende, etwa einstündige Flussfahrten unternehmen kann. Mit etwas Glück sieht man dabei Schildkröten und Eisvögel, hört die Nachtigall schlagen und Frösche quaken. Wer mag, paddelt selbst und nimmt an geführten Kanutouren teil.

Die Stadt des Sieges

Archäologisches ist dann wieder nahe Preveza angesagt. Da stehen die Ruinen des römisch-byzantinischen Nikopolis weit in der Landschaft nahe dem Ufer des Amvrakischen Golfes verteilt. Gedacht war die Stadt als Lobpreis des römischen Kaisers Augustus. Der gründete sie 30 v. Chr. zur Erinnerung an seinen ein Jahr zuvor errungenen Sieg in der Seeschlacht von Actium, dem Vorläufer des heutigen Preveza. Mit 400 Schiffen und 75.000 Legionären trieb er darin seine Widersacher um die Herrschaft in Rom in die Flucht: Antonius und seine ägyptische Geliebte, die Pharaonin Cleopatra. Die hatten 230 Schiffe und 20.000 Soldaten in die Schlacht geschickt und waren heilfroh, lebend an den Nil zu entkommen. Was man in Nikopolis heute sieht, ist jedoch meist jüngeren Datums: Ein gewaltiges Theater aus dem 2. Jahrhudnert, Grundmauern mehrerer frühchristlicher Basiliken und vor allem sehr gut erhaltene Teile der Stadtmauer aus dem 6. Jahrhundert samt Toren und Türmen. Kaiser Justinian ließ sie erbauen. Ein 2009 eröffnetes neues Museum am Stadtrand von Preveza zeigt, was die Archäologen im Ruinenfeld fanden.

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Byzantinische Juwele

Für Preveza haben wir auf dieser Reise keine Zeit, obwohl uns eine von dort aus angebotene Bootstour locken könnte: Ein Tag auf dem Amvrakischen Golf mit garantierter Sichtung von Delfinen. Lässt sich keiner sehen, bekommt man ein Ticket für den nächsten Tag kostenlos.
Unser Ziel ist Arta, das durch die neue Autobahn von Ioannina nach Patras und weiter direkt nach Athen noch weniger Touristen sieht als ohnehin schon. Blitzschnell fährt man an der Kleinstadt vorbei, die nach der Einnahme Konstantinopels durch Venezianer und Kreuzritter über ein Jahrhundert lang – von 1204 bis 1318 – Hauptstadt eines recht unabhängigen byzantinischen Fürstentums war. Aus jener Zeit stammen auch die vielen byzantinischen Kirchen, die Arta für Liebhaber interessant machen. Die außergewöhnlichste von ihnen lohnt jeden Abstecher in die Stadt ganz besonders: die Panagia Parigotissa. Sie darf als experimentelle byzantinische Architektur gelten. Äußerlich mutet sie wie ein Palast mit fünf Kuppeln an und verschleiert damit ihr inneres Wesen total – was allein schon für byzantinische Bauten äußerst ungewöhnlich ist. Drinnen ist der Baumeister große statische Risiken eingegangen. Wiederverwendete Säulen aus dem antiken Nikopolis stapeln sich fast übereinander, ruhen dabei auf quergelegten Säulenstümpfen als Stützen. Im obersten Teil der dreifachen Gliederung bilden ganz kleine Säulen gotische Arkaden. Sie sind ebenso Zitate der westlichen Sakralarchitektur, die die Kreuzritter ja auch nach Griechenland trugen, wie der reiche plastische Bauschmuck an Kapitellen, Konsolen und Gesimsen – auch Grotesken, wie man sie vor allem aus romanischen und gotischen Kathedralen kennt, sind darunter. So manches skurrile Tiergesicht schaut den Betrachter da an.
Liebhaber traditioneller griechischer Musik sollten an Arta auf keinen Fall während des Wintersemesters achtlos vorbeifahren, sondern in der Innenstadt Quartier beziehen. Arta ist Sitz der einzigen griechischen Hochschule für Volks- und traditionelle Musik. Deren etwa 150 Studenten verdienen sich abends gern ein paar Euro und spielen in vielen Tavernen des Städtchens sehr gekonnt auf. Vielleicht hört man da ja schon einen zukünftigen Meister seines Fachs.

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Von Klaus Bötig 

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