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Anders baden bei Messolongi

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Fotos (© Klaus Bötig); Hier die Lagune von Messolongi. Fotos (© Klaus Bötig); Hier die Lagune von Messolongi.

Kleinstadt Messolongi gilt offiziell als „Heilige Stadt“. Das Herz des britischen Poeten Lord Byron ist hier beigesetzt, ein Heldenfriedhof erinnert an viele hier gestorbene Philhellenen aus ganz Europa. Naturfreunde kommen vor allem der vogelreichen Lagunen wegen hierher, die auch mit ganz ungewöhnlichen Badeerlebnissen überrascht.

In einem unscheinbaren Denkmal im Heldenpark von Messolongi ist das Herz des englischen Dichterfürsten Lord Byron beigesetzt. Der leidenschaftliche Philhellene, der allerdings von den Griechen, die er traf, eher weniger begeistert war, erlag hier 1824 dem Sumpffieber. So bekam er nicht mehr mit, wie „heldenhaft“ die damals etwa 10.000 Bewohner des Städtchens 1825/26 einer monatelangen Belagerung durch die Türken standhielten und wie sie schließlich niedergemetzelt wurden, als sie auszubrechen versuchten. In Erinnerung daran verkündet ein Gedenkstein am nahe gelegenen Stadttor „Jeder freie Bürger ist ein Bürger von Messolongi.“ Der faschistische Diktator Ioannis Metaxas instrumentalisierte 1937 dieses Ereignis, indem er Messolongi von König Georgios II. zur „Heiligen Stadt“ erklären ließ.

Schlick oder Salz?

Von einem Heiligenschein ist freilich nichts zu spüren. Messolongi ist ein ganz normales, eher verschlafenes Provinzstädtchen mit gerade einmal 12.000 Einwohnern und Verwaltungszentrum der Region Ätolien-Akarnanien. Eine altmodische Ausstellung im kleinen klassizistischen Rathaus im Stadtzentrum erinnert an die vielen hier ums Leben gekommenen Philhellenen und insbesondere an den englischen Dichter, auch die Kampfhandlungen selbst sind ein Thema.
Ein über vier Kilometer langer Damm, auf dem sogar einer der in Hellas noch seltenen Radwege angelegt wurde, führt von Messolongi hinüber zur Nehrung von Tourlida, die nach dem in der Lagune häufig vorkommenden Großen Brachvogel benannt ist. Brackwasser säumt den Damm, flache Landzungen führen immer wieder in die Lagunenlandschaft hinein. Auf einer von ihnen laufen massenweise schwarz verkrustete, zumeist ältere Griechen herum: Der Meeresschlick gilt hier als heilkräftig. So steigt man ins Wasser, wälzt sich im Schlick, lässt ihn an der Sonne trocknen und schabt ihn dann wieder ab. Die Wartezeit kann man auf den Stühlen von kantinas verbringen, improvisierten Kafenia vor zu Imbissständen umgebauten Kleintransportern. Da sitzen die Rentner dann und sehen aus wie Taucher in Neopren-Anzügen. Ein paar einfache Duschen helfen ihnen später, sich reinzuwaschen.
Äußerst urig sind auch die pillades genannten Fischerhütten, die kurz darauf auf Stelzen im Brackwasser stehen. Viele von ihnen dienen Einheimischen heute als Ferienhäuser, das Flair gleicht einer Mischung aus asiatischen Pfahldorfsiedlungen und der Lagune von Venedig. An einem richtigen Sandstrand baden kann man schließlich auf der Nehrung selbst. Parkplätze und große Strandtavernen gibt es da natürlich auch – und so gut wie keinen Ausländer unter den Badegästen.
Fährt man später von Messolongi Richtung Etoliko an der Lagune entlang, wird das Auge immer wieder von großen Salzaufschüttungen geblendet. Von hier stammt meist das Salz in der griechischen Suppe. Marktführer Kalas betreibt hier zwei Salzgewinnungsanlagen (und eine weitere in Sindos bei Thessaloniki). Von den Salinen profitieren auch Liebhaber bizarrer Badefreuden: In einigen Wassergräben ist der Salzgehalt des Wassers so hoch, dass man sich hier wie im Toten Meer ganz einfach aufs Wasser legen und Zeitung lesen kann. Duschen gibt es freilich nicht – man bringt sich Süßwasser in Kanistern mit.

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Tourlida: Wohnen in der Lagune.

Unterwegs im Delta

Wie Messolongi ist auch Etoliko ein Lagunenstädten (4.300 Einwohner). Nur dass es nicht an, sondern in einer Lagune liegt. Seine Häuser stehen auf einer fast ellipsenförmigen Insel, die über zwei Dämme mit dem Festland verbunden ist. Mit etwas Glück findet man hier auf der Speisekarte der Tavernen gebraten Aal, eine für Griechen äußerst exotische Spezialität.
Westlich von Etoliko liegt das weitläufige Mündungsgebiet des Evinos und des Acheloos, des mit 170 Kilometern längsten griechischen Flusses. Mit moderner Technik hat man das Schwemmland weitgehend trockengelegt. Dass einstige Naturparadies wird heute von betonierten Kanälen durchzogen, die zahlreichen Verästelungen sind vom Hauptlauf des Flusses durch Deiche abgeschirmt. Wo nicht Mais, Baumwolle, Zitrusfrüchte und Oliven angebaut oder Rinder gehalten werden, überzieht Salzsteppe den Boden der trocken gefallenen Lagunenböden. In den wenigen Dörfern spielt der Tourismus überhaupt keine Rolle, in einfachen Grillstuben wird man noch zu zweit für zehn Euro völlig satt und bekommt sogar noch ein Viertel Wein dazu. Nur Fremdenzimmer findet man hier nicht.
Bei Katochi zweigt eine Straße zu den Ausgrabungen von Oiniades ab. Auf den Wegweisern wird der Name immer wieder anders geschrieben: Iniades, Ancient Oiniadai, Ancient Iniada, Ancient Theatre und anderes mehr ist da zu lesen. Schildermaler genießen eben mehr Freiheiten als Ikonenmaler.

Lebensraum zahlreicher Vögel

Das spätestens im 5. Jahrhundert v. Chr. gegründete antike Oiniades ist von Feldern und Weiden umgeben, auf denen Schafe, Ziegen, Schweine und Kühe nach Futter suchen. Imker stellen ihre Bienenstöcke auf; Schilfgürtel säumen die Wasserläufe, Lebensraum zahlreicher Vögel. Oiniades war einst eine Hafenstadt an der Mündung des Acheloos. Davon zeugen die in ihrem guten Erhaltungszustand einzigartigen, in den Fels geschlagenen Schiffshäuser, in denen in der Antike Schiffe gebaut und repariert wurden. Im Grabungsgelände verstreut sind außerdem die Reste der einst 5,5 Kilometer langen Stadtmauer mit Wehrtürmen und ganz unterschiedlich konstruierten Toren zu sehen, ferner ein recht gut erhaltenes Theater an einem schönen Eichenwäldchen, Reste einer Therme und eines kleinen Tempels sowie verschiedener Wohn- und Verwaltungsbauten. Weil das Grabungsgelände so groß ist, dürfen es die seltenen Besucher mit dem Auto befahren.
Folgt man der schmalen Straße, die nach Oiniades führt, weiter in Richtung Meer, kommt man nach 10,5 Kilometern Fahrt durch Salzwiesen, Brackwasser und sumpfige Weiden ans Meer. Im Sommer stehen im Brackwasser häufig Flamingos auf einem Bein. Kleine Wellblechsiedlungen dienen Fischern und Wochenendurlaubern als primitiver Unterschlupf. Dann endet die Asphaltstraße. Hält man sich am Ufer entlang nach links, kommt man ins arg improvisiert-illegal erbaut wirkende Ferienhausgebiet von Dioni, wo ein etwa 100 Meter langer Holzsteg hinüber führt auf ein Inselchen mit schmalem Strand. In der aufgegebenen Taverne stehen Ziegen auf dem Tresen, zahlreiche Stromleitungen zeugen von der technischen Phantasie der Hüttenbesitzer, wenn es sich ums Stromabzapfen handelt. Sonnenschirm und Trinkwasser sollte man selbst mitbringen, wenn man hier sehr urtümlich-einfache Badefreuden genießen will – und den Blick auf kleine Hügel, die wie Schimären aus der völlig flachen Lagune und auch aus dem offenen Meer aufragen.

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Die antike Schiffswerft von Oiniades.

Schlacht von Lepanto

Einige dieser Hügel sind in Wahrheit Inseln, von denen das 420 Meter hohe Oxia die größte ist. Vor diesen Inseln fand im Oktober 1571 eine der bedeutendsten Seeschlachten der frühen Neuzeit statt: Die Schlacht von Lepanto. Ein Flottenverband der Heiligen Liga, geschmiedet von Papst Pius V., Malteserorden, Spanien, Venedig und Genua besiegte dabei eine starke osmanische Flotte. Über 500 Schiffe waren an ihr beteiligt, 38.000 Menschen starben binnen sechs Stunden auf beiden Seiten. Berühmtester christlicher Kämpfer auf den Planken war dabei der spanische Dichter Cervantes, Schöpfer des „Don Quichote“. Er wurde im Kampf an der linken Hand verstümmelt.
Die Schlacht trägt den venezianischen Namen des heutigen Städtchens Nafpaktos am Korinthischen Golf. Von Messolongi ist sie nur etwa 40 Kilometer entfernt. Es lässt sein mittelalterliches Aussehen noch gut erahnen. Vom winzigen Hafenbecken, das venezianische Festungsmauern gegen den Golf abschirmen, ziehen sich die Häuser der Altstadt einen bewaldeten Hang hinauf, der in einer Burg gipfelt. Mauerringe umgeben aber auch den Hang in verschiedenen Höhen und machen die Wehrhaftigkeit eindringlich deutlich. An beiden Seiten schließen sich gute Strände an die Altstadt an. Die sind anders als die Bademöglichkeiten von Messolongi ganz normal und gewinnen ihren besonderen Reiz durch die gegenüberliegende Peloponnes mit ihren über 2.000 Meter hohen Gebirgen.

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Die Hafenausfahrt von Nafpaktos – gegenüber die Peloponnes.

Von Klaus Bötig


INFOS
Website: www.discovermessolonghi.gr

Lage: Messolongi liegt an der kürzlich fertiggestellten Autobahn A5, die das 240 Kilometer von Messolongi entfernte Athen via Patras mit Ioannina und Igoumenitsa verbindet.

Oiniades: Ausgrabungen geöffnet Di.-So. 8-15 Uhr, Eintritt: 2 Euro

Rathaus von Messolongi: Tgl. 9-13.30 und 161-19 (Winter bis 18) Uhr, Eintritt frei

Hotels: www.theoxenia-hotel.gr (Messolongi, in einem Eukalyptuswäldchen an der Lagune), www.hotelliberty.gr (Messolongi, am Heldenpark)

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