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Chalki: Vom Trubel in die Stille

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Foto (© Griechenland Zeitung / Klaus Bötig): Romantisches Chalki: Fischerboote und Mühlen Foto (© Griechenland Zeitung / Klaus Bötig): Romantisches Chalki: Fischerboote und Mühlen

Chalki ist ein Trabant von Rhodos. Der Unterschied zwischen beiden Inseln ist fast so groß wie der zwischen Erde und Mond. „Ankommen und entschleunigen“ lautet auf Chalki das Urlaubsmotto.

Der 50 km/h schnelle Katamaran „Dodekanisos Express“ bringt uns in 80 Minuten von der Stadt Rhodos hinüber nach Chalki. Er ist ein angenehmes Schiff, denn anders als auf den meistens Ägäis-Sprintern darf man hier am Heck noch auf dem Oberdeck im Freien sitzen. Lange fahren wir an der Westküste von Rhodos entlang, passieren die Hotelhochhäuser von Ixia, den geschäftigen Flughafen, das Kraftwerk von Soroni und schließlich den winzigen Hafenort Kamiros Skala, der mehrmals täglich per Personenfähren mit der Insel Chalki verbunden ist. Von hier aus sind es nur zwölf Seemeilen bis Chalki, von der Stadt Rhodos aus hingegen 35. Am Fähranleger von Chalki holt uns Michalis ab, der über die Hälfte seiner 29 Lebensjahre in New York City verbrachte, und geleitet uns die 150 Meter zu unserem kleinen Ferienhaus fast direkt an der Uferpromenade. Nahe unserer Haustür sitzen zwei Fischer unter einer Tamariske und pulen ihren Tagesfang: Die meist „symiaka“ benannten kleinen Krabben. Die sind noch winziger als der norddeutsche Granat, den Ost- und Nordfrieslands Fischer allerdings nicht mehr selber pulen, sondern zu diesem Zweck nach Polen oder gar Marokko schicken. Die beiden Fischer hier sind bald mit der Arbeit fertig, gehen zu ihren nahen Boot zurück, wiegen da die Krabben kiloweise ab und füllen sie in Plastiktüten. Eine davon kaufen wir zum Preis von 30 Euro. Am Abend werden wir sie kurz in Butter braten und auf unserem Balkon genießen.

Wohlstand dank Schwämmen

So wie die Krabben ihren Namen von der Insel Symi bekamen, erinnert der ganze Ort an die weitaus bekanntere Schwesterinsel dicht vor der kleinasiatischen Küste. Wie dort sind die Häuser meist zweigeschossig, in angenehm sanften Pastelltönen gestrichen und mit roten Ziegeln gedeckt. Auch hier umziehen sie den Hafen, staffeln sich am Hang übereinander. Mittendrin ragen ein Kirch- und ein Uhrturm auf, letzterer ebenso wie das pompöse Rathaus gleich nebenan ein Geschenk einst ausgewanderter und im Ausland zu Wohlstand gekommener Chalkier an ihre Heimatinsel. Der zweite auffällige Turm im Ortsbild ist der Kirchturm der Nikolaus-Kirche, deren Kirchhof mit besonders schönen, auf dem ganzen Dodekanes üblichen schwarz-weißen Kieselstein-Mosaiken aus dem Jahr 1867 bedeckt ist. Über dem Ort thronen die Stümpfe dreier Windmühlen auf einem Bergkamm, am Kai dümpeln Fischerboote und einige ganz wenige Segelyachten herum. Anders als auf Symi tummeln sich auf Chalki aber nicht Hunderte von Tagesausflüglern aus Rhodos im Ort. Hier verkauft niemand Schwämme und Meeresschneckengehäuse, bietet nur ein einziger Laden ein paar altmodische Souvenirs an. Es gibt im Gegensatz zu Symi keinen Juwelier und keine Bank, keine Auto- und keine Mopedvermietung.

Schwammtaucherei als Lebensgrundlage

Chalki ist eine stille Insel. Bei der letzten Volkszählung 2011 gaben zwar 478 Griechen Chalki als ihren Erstwohnsitz an; im Winter dürfte die Insel aber nur etwa 150 Bewohner haben, ein Drittel davon albanische Immigranten. Deren Kinder stellen den Großteil der Schüler an Grund- und Mittelschule, an der etwa zehn Lehrer vier Handvoll Schüler unterrichten. Vor 100 Jahren hingegen lebten noch etwa 1.300 Menschen auf Chalki. Für die meisten von ihnen waren Schwammtaucherei und Schwammhandel die Lebensgrundlage. In den 1920er Jahren wanderten viele von ihnen nach Florida aus, ihre Häuser verfielen. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten wurden viele von ihnen wieder hergerichtet, aber auch Ruinen fallen beim Ortsrundgang durchaus noch ins Auge.
Wir bummeln zunächst einmal von der kleinen Marina aus an der Hafenfront entlang. Nur auf etwa 250 Meter Länge wird sie von Cafés und Tavernen gesäumt. Keins dieser Lokale ist wie anderswo üblich mit Lounge-Möbeln aufgepeppt, alle wirken eher konservativ, altbacken und schlicht. Aus keinem Lokal dringt laute Musik, keins wirbt mit Leuchtreklamen. Auch die Preise hier sind angenehm normal. Die hausgemachten kurzen Chalki-Nudeln mit karamellisierten Zwiebeln und einem sehr milden Feta-Käse werden hier zu unserem Lieblingsgericht werden.

Text: Klaus Bötig

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 687 am 31. Juli 2019.

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