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Das tiefe Blau der Kykladen begeistert stets aufs Neue

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Foto (© Griechenland Zeitung / Jan Hübel): Der schmucke Hafen auf der Kleininsel Iraklia Foto (© Griechenland Zeitung / Jan Hübel): Der schmucke Hafen auf der Kleininsel Iraklia

Auf der Kleininsel Sikinos besteigen wir unsere altvertraute Fähre „Aqua Spirit“. Wir starten heute unsere Kreuzfahrt durch den Kosmos der kleinen Kykladen. Anlegen, entladen, aussteigen, beladen, einsteigen, alles wie immer. Die „Aqua Spirit“ zieht schnell an Sikinos entlang. Wir sehen vom Meer aus zurück auf die Orte, die wir auf unseren Wegen kennen gelernt haben, und etliche, wo wir zu Fuß nicht hinkommen konnten.

Wie anders die Landschaft jedes Mal wirkt – der Blickwinkel verändert sie radikal – je nachdem, ob man sie von einer Bergspitze aus betrachtet oder, wie wir jetzt, vom Meer aus. Wie viele kleine Sandbuchten es gibt, wie viele steile Kaps. An etlichen unbewohnten Felsklötzen vorbei tuckern wir bis nach Folegandros. Da ist inzwischen, wie fast überall, am Hafen eine größere Siedlung entstanden. Wir staunen über die Ordnung am Steg. Es gibt hier ein abgetrenntes Areal für die Einsteigewilligen! Das kennen wir nur von den großen Inseln und dann auch nur zur Hauptsaison. Wenn man genau hinschaut, nützt es aber nichts, denn die beiden Reiseströme – der ankommende und der abfahrende – laufen ineinander über, als das Schiff anlegt.Auch wenn man diese Anlege- und Ablegemanöver schon hunderte Mal gesehen haben mag, sie sind immer wieder aufregend. Man steht oben bei der im Winde flatternden griechischen Flagge, schaut dem Senken und Heben der Fährklappe zu. Dann geht es wieder los! Mittags brennt die Sonne, wir brauchen einen schattigen Platz. Auf der Fahrt auf offenem Meer hat man die Gelegenheit, darüber zu staunen, welche unterschiedlichen Blautöne das Wasser annehmen kann. Das tiefe Blau der Kykladen begeistert uns. Etwas heiter formuliert den Blauwettbewerb am Mittelmeer der ungarisch-österreichische Journalist Ludwig Hevesi (1843-1910): „Und auch später wirft sich immer wieder die Frage auf, ob Ionischblau oder Ägäischblau das Blauere sei.“ Die „Aqua Spirit“ nimmt Kurs auf die große Insel Naxos. Eine fruchtbare Küstenebene vor den zentralen Bergen zeichnet sich ab, kleine Orte mit weißen Häusern neueren Datums sind zu sehen, Strände, einige Palmen zwischen den Tamarisken, frisch errichtete Villen am Hang. Endlich der Burgkegel von Naxos mit dem eng bebauten weißen Kastro! Und erst der Blick auf die Portara, das einsame Tempeltor. Einfach hinreißend! Am „Großen Fährhafen“ herrscht Gewimmel. Trotzdem findet jede Wirtin / jeder Wirt seine Gäste, wenn sie ihr Schild mit dem Hotelnamen hoch in den Himmel strecken.

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Von Naxos nach Irakliá

Es folgt die dritte Fahrt mit der „Aqua Spirit“. Das Personal lächelt uns zu wie alten Bekannten. Wir haben uns vorher nicht erkundigt, ob es noch andere Fährlinien nach Iraklia gibt, sondern nur nach der Abfahrtszeit gefragt. Überraschung! Wir fahren gar nicht auf kürzestem Wege dorthin, sondern machen eine Kreuzfahrt rund um Naxos, von Insel zu Insel, all inclusive. Das kommt uns sehr entgegen. Wir können gar nicht genug Zeit auf dem Schiff verbringen und dabei die Inselwelt an uns vorbeiziehen lassen. Heute nehmen wir eben den weiten Bogen. An alle Orte knüpfen sich Erinnerungen, überall haben wir auf früheren Fahrten Schönes erlebt. Zuerst halten wir in Donoussa, wo wir uns wundern, wie viel inzwischen neu dazu gebaut worden ist. „Guck mal, da hinten haben wir mal gewohnt!“ Dann zwei Stopps in Amorgos, erst in Ägiali, der Strandsiedlung, dann in Katapola. Dort schlendert ein jüngerer Grieche gemächlich aus einem Laden, während die Fähre schon ablegt, und rennt plötzlich auf das Schiff zu. Er winkt, gestikuliert, wedelt mit seinem Fahrschein, macht wieder und wieder weit ausholende Armbewegungen, die Fähre möge doch umkehren. Er streckt die Arme gen Himmel, dreht dann die Handflächen nach oben und in Richtung Schiff – die typische Beschimpfungsgeste. Er kann es einfach nicht glauben. Und das ihm! Er fasst es nicht, er fasst es nicht. Er hebt die Schultern, es ist die „Ti-na-kanoume“-Geste, die er jetzt trotzig zum Ausdruck bringt. Was soll man da machen? Und er schaut unserem Schiff nach, steht wie bestellt und nicht abgeholt am Kai. Es ist wie mit dem Zug, der abgefahren ist. Weg ist er, da hilft kein Klagen und kein Händeringen, keine Verwünschungen, gar nichts. Das Problem unseres Zurückgelassenen ist, dass er heute nicht mehr weg kommt. Es geht kein Schiff mehr. Er ist kein Kind, ist ein erwachsener Grieche, er kennt das System. Er weiß, dass er nicht in aller Seelenruhe einkaufen kann, wenn die Fähre schon im Hafen liegt. Die coolen Männer von der Besatzung kichern. Besser: Sie bersten vor Lachen.

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Portara: Die antike Sehenswürdigkeit auf Naxos

Empfang mit Umarmung

Vom Deck aus gibt es immer was zu sehen, Berge und Meer, Kapellen auf Anhöhen, Segelschiffe, Siedlungen, mit Glück auch Delfine, die häufig Schiffe in der Ägäis begleiten. Ist das schon Koufonissi? Was sollte es sonst sein? Mensch, was für eine Bauwut! Das ist nicht zu fassen! Doch, das ist Koufonissi. Guck mal die Mühle, die Kapelle am Friedhof, der Strand, unverkennbar! Nächster Stop: Schinoussa. Wieder eine schmale Bucht, nur ein paar Häuser am Hafen, die Chora liegt etwas versteckt hinter dem Hügel. Bei der Ankunft des Schiffes spielt sich überall das gleiche Schauspiel ab. Nicht nur Passagiere und Autos werden transportiert. Schwere Materialien werden entladen, Bauholz, lange Latten, Kisten und Kästen werden auf Lastwagen geschleppt. Die Touristen, alle mit kleinem Gepäck, werden von Freunden und Vermietern in Empfang genommen, umarmt, befragt, ins Auto gepackt. Der Inselbus steht bereit und/oder die Vermieterin / der Vermieter. Das Schiff legt in Iraklia an. Eine tief eingeschnittene, fast privat anmutende Bucht, ein Kai mit einem großen „Welcome“-Schild, ein sandiger Badestrand, darüber ein kleiner Ort, Agios Georgios, oben eine weiße Kirche mit blauer Kuppel. So muss es sein. Das ist Griechenland. Jannis, unser Wirt, holt uns ab. Wir hatten ihm nur den Namen der Fähre gemailt, den Rest weiß er als Inselbewohner besser als wir.

Text und Fotos: Hiltrud Koch

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