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Starke Frauen und ein echter Prinz

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Foto (© Griechenland Zeitung / Jan Hübel): Ägina: Wohnstätte für Kazantzakis und Krimi-Schauplatz. Foto (© Griechenland Zeitung / Jan Hübel): Ägina: Wohnstätte für Kazantzakis und Krimi-Schauplatz.

Unser literarisches Island Hopping führt uns heute zu den Inseln des Argosaronischen Golfes: Ägina, Poros, Hydra und Spetses. Die Protagonisten der Romane, die dort spielen, sind fast ausnahmslos Frauen. Darunter ist auch eine Freiheitsheldin, deren Lebensgeschichte ein echter griechischer Prinz facettenreich umgesetzt hat.

Zwischen Piräus und Ägina pendeln die Fähren im Stundentakt. Diese Nähe zur Hauptstadt hat wohl auch den politisch ambitionierten kretischen Dichterfürsten Nikos Kazantzakis 1936 bewogen, auf die stille Pistazieninsel überzusiedeln. Bis zum Abzug der Nazitruppen aus Athen im Jahr 1944 arbeitete er dort in aller Stille. Sein vom Bauhaus inspiriertes Wohnhaus steht noch heute nahe dem Leuchtturm am Nordende der Inselhauptstadt. Es ist in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden. Aber auch der Blick über das niedrige Mäuerchen hinweg auf die kleine Villa, in der Kazantzakis seine Odyssee beendete und den Alexis Sorbas von Anfang bis Ende schrieb, prägt sich dem Literaturfreund ein. Am entgegengesetzten Ende der Inselhauptstadt hat im Jahr 2010 Privatdetektiv George Zafiris im Hotel Brown gewohnt, als er auf der Insel den Mord an einem Professor für Alte Geschichte aufklären wollte. Leo Kanaris, ein Journalist griechisch-irischer Abstammung, hat den imaginären Fall in seinem Debutroman Inseltod gut lesbar beschrieben. Man erspürt das Flair der Insel, ist am Ende aber bitter enttäuscht: Der Täter hat kein Motiv, tritt vor seiner Enttarnung im Roman kaum auf, sodass ihn der Leser auch kaum erraten konnte. Bemerkenswert ist an diesem Buch somit nur, dass der Autor mit Missständen in Griechenland sehr viel härter ins Gericht geht als beispielsweise sein berühmter Athener Kollege Petros Markaris.

Über Poros nach Hydra

Wer etwas Glück hat, muss für die Weiterfahrt nach Hydra nicht erst nach Piräus zurück, sondern kann via Poros dorthin gelangen. Diese Insel ganz dicht vor der Küste des Peloponnes ist zwar kein Romanschauplatz, aber Henry Miller hat in seinem Buch Der Koloß von Maroussi die Einfahrt in die Meerenge zwischen der Peloponnes und der Insel auf seine typische Art beschrieben und sie mit einem Weg „durch den Geburtskanal“ verglichen. Wenn fürs Umsteigen mindestens drei Stunden Zeit bleiben, könnte man zu den Überresten des antiken Poseidon-Heiligtums hinauffahren, in dem der große attische Redner Demosthenes 322 v. Chr. Selbstmord beging. Politische Reden von ihm sind auch als Reclam-Heftchen erhältlich. Am Hafen von Hydra warten dann keine Autos und Busse, sondern Esel und unzählige Katzen. Hydra war schon immer eine (fast) autofreie Insel. Ihre Reeder spielten eine bedeutende Rolle im griechischen Freiheitskampf 1821-1829. In den 1960ern entwickelte sich Hydra zur Literaten- und Künstlerkolonie; Leonard Cohen war ihr berühmtester Resident. Später folgte der internationale Jetset. Noch heute besitzen viele superreiche Griechen und Ausländer auf Hydra ihre Sommervillen. Thema der beiden Hydra-Romane, die auf Deutsch erschienen sind, ist denn auch die Welt der Künstler und Millionäre.Der 2020 auf Englisch und 2021 auf Deutsch erschienene Roman Sommer der Träumer der US-Amerikanerin Polly Samson ist wieder einmal Beweis dafür, dass ein Bestseller nicht unbedingt ein gutes Buch sein muss. Bei der Sunday Times stand er auf Platz 1, für mich nimmt er nur einen Platz im unteren Mittelfeld empfehlenswerter Urlaubslektüre ein. Das Thema klingt interessant. Die erst 1962 geborene Autorin, die seit 1994 mit David Gilmore von Pink Floyd liiert ist, schildert darin das Leben einer internationalen Literaten- und Malerclique, die 1960/61 viele Monate hier verbringt.

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Henry Miller verglich in seinem Buch „Der Koloß von Maroussi“ die Meerenge bei Poros mit einem Weg „durch den Geburtskanal“.

Die Sommerwelt der Schönen

Man begegnet nicht nur dem legendären Leonard Cohen, sondern auch dem australischen Schriftstellerpaar Charmian Clift und George Johnston, den schwedischen Autoren Göran Tunström und Axel Jensen und mehreren Malern. Protagonistin der zähen Handlung ist eine junge Engländerin, deren Autobiographie der Roman zu sein scheint. Alles liest sich dank gründlicher Recherchen der Autorin sehr authentisch, ist anfangs durchaus interessant und sogar leicht spannend. Dann aber zieht sich die Handlung sehr zäh dahin, besteht hauptsächlich aus Partys und Beziehungsdramen, gespickt mit einem Hauch von Erotik. Die Figuren bleiben farblos, denn ihre Vorbilder haben sicherlich bei ihrer Arbeit auf Hydra an mehr gedacht als nur an Sex und Saufen. Über die Einheimischen erfährt man wenig außer der Tatsache, dass die meisten arm sind und dass auf Hydra die Schwammfischerei im Niedergang ist. So kommt man irgendwann an einen Punkt, an dem man nicht mehr unbedingt weiterlesen muss. Man schaut immer einmal wieder gern ins Buch hinein, kann aber auch problemlos pausieren. Wenn man nicht auf Hydra Urlaub machen will, kann man also auf diese Lektüre getrost verzichten. Über 50 Jahre später spielt der Roman Welch schöne Tiere wir sind des englischen Autors Lawrence Osborne in der Sommerwelt internationaler Millionäre auf Hydra. Die 25-jährige Engländerin Naomi, deren mit einer arroganten Griechin liierter Vater auf der Insel schon lange ein Haus und eine Yacht besitzt, lernt die 20-jährige US-Amerikanerin Sam kennen, deren Eltern erstmals ein Haus gemietet haben. Eines Tages finden sie in einer abgelegenen Gegend einen syrischen Flüchtling. Mit seinem Auftauchen nimmt die bis dahin leider etwas unter Pseudo-Poesie leidende Handlung enorm Fahrt auf und das Buch entwickelt sich zu einem richtig guten Thriller, den man kaum noch aus der Hand legen will. Auch das Ende ist stimmig.

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Insel Hydra

Weiter nach Spetses

Im Gegensatz zu Hydra ist Spetses eine flache und grüne Insel. Der Hafen- und Hauptort zieht sich weitläufig am dem der Peloponnes zugewandten Ufer entlang, die gesamte Insel kann man gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad umrunden. Zwei Frauen stehen im Mittelpunkt der Spetses-Romane: Eine stille Heldin des Alltags und eine Heldin des griechischen Freiheitskampfs. Ein türkischer Jude sephardischen Ursprungs hat das einzige je ins Deutsche übersetzte neuere Buch geschrieben, das auf Spetses spielt. Autor Metin Arditi wurde 1945 in Ankara geboren, siedelte mit sieben Jahren in die französische Schweiz über, studierte Physik. In der Schweiz engagierte er sich stark auf kulturellem und humanitärem Sektor, wurde sogar mehrfach zum UNESCO-Sonderbotschafter ernannt. Einsamkeit und Exil sind seine Hauptthemen. Warum er ausgerechnet ein Mädchen aus Spetses zur Hauptfigur seines 2007 auf Französisch und 2009 auf Deutsch Romans Tochter des Meeres machte, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Geschichte beginnt 1957 auf Spetses, spielt dann ab Seite 107 in Athen und schließlich in Genf, wo sie 1975 endet. Sie ist in einer schnörkellosen Sprache geschrieben, hinter der sehr viel Einfühlungsvermögen und viel Sympathie für alle Figuren steckt. Wer zu Depressionen neigt, sollte die Geschichte trotzdem besser nicht lesen. Im Mittelpunkt steht die zu Beginn 17-jährige Pavlina. Ihr Vater Spyros jagt sich und seinen Bruder Nikos beim Fischen mit Dynamit absichtlich in die Luft. Kurz zuvor hat er erfahren, dass Nikos Pavlinas leiblicher Vater ist. Die verliebt sich nun in Aris, den homosexuellen Sohn von Nikos. Ein einziges Mal schlafen sie miteinander, gleich anschließend nimmt sich Aris das Leben. Aber Pavlina ist von ihm schwanger. Sie wird zu Bekannten nach Athen geschickt und schenkt einem kleinen Mädchen das Leben, das sie aber kein einziges Mal zu Gesicht bekommt. Im Mittelpunkt ihres weiteren Lebens steht die Suche nach ihrer Tochter.

Heldin der Meere

Im Lebensmittelpunkt von Laskarina Bouboulis stand der Kampf um die Freiheit Griechenlands. Geboren 1771 in der Gefängniszelle ihres gerade verstorbenen Vaters in Istanbul, wächst das Mädchen in ärmlichen Verhältnissen auf Spetses heran, heiratet zweimal und erbt jeweils ein Vermögen. Das investiert sie ab 1821 in eine eigene Flotte für den Krieg gegen die Osmanen, die sie auch selbst befehligt. Bis 1825 ist sie auch politisch sehr aktiv, wird dann aber im Rahmen einer Familienfehde erschossen. Ihr Wohnhaus auf Spetses ist heute Museum. Ihr Leben hat Prinz Michael von Griechenland im pseudo-autobiographischen Roman Bouboulina, Heldin von Hellas extrem spannend und mitreißend geschildert. Dem Enkel König Georgios I. und Cousin des in diesem Jahr verstorbenen Prinzgemahls Philip merkt man auf jeder Seite seine Liebe zu Griechenland an. Dennoch wirft er auch einen kritischen Blick auf die männlichen Führer des Freiheitskampfes und vergisst nicht zu erwähnen, dass Bouboulinas Muttersprache Arvanitisch, also Albanisch war.

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Bouboulina auf Spetses

(Griechenland Zeitung / Klaus Bötig)

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