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Leichte Kost und ernste Themen

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Foto (© GZkb): Am Myrtos Beach wurden Szenen für den Film Corellis Mandoline gedreht. Foto (© GZkb): Am Myrtos Beach wurden Szenen für den Film Corellis Mandoline gedreht.

Kefalonia und Zakynthos liegen zwar in Sichtweite voneinander, sind aber landschaftlich sehr verschieden. Auch die auf Deutsch erschienenen Romane, die auf den beiden Inseln im Süden des Ionischen Meeres spielen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Zakynthos steht vor allem für leichte Kost, Kefalonia für ernste Themen.

Der einzige aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte Roman eines Autors von den Inseln ist Die Wache von Nikos Kavvadias. Der Verfasser war ein schreibender Seemann. Er wurde 1910 als Sohn eines Kaufmanns aus Kefalonia in der Mandschurei geboren und verbrachte fast sein ganzes Leben als Funker auf Schiffen kefalonischer Reeder, der nur selten zum Heimaturlaub auf seine Insel kam. Nahezu alle Seeleute, die im Buch vorkommen, stammen ebenfalls aus Kefalonia, das in ihren Gesprächen häufig eine kleine Rolle spielt. Vor allem aber erzählt Kavvadias eine Seemannsgeschichte nach der anderen, Schlag auf Schlag. Auf den ersten 140 Seiten macht es noch viel Spaß, all die Döntjes über Bordelle und Prostituierte zu lesen. Die Nutten sind bei Kavvadias die Guten, die Ehefrauen die Bösen und Verkorksten. Aber auch mit denen empfindet Kavvadias Mitgefühl – wie eigentlich mit jeder auch noch so kurz angerissenen Figur seines Romans. Das macht auch den Autor sympathisch. Irgendwann aber beginnt man, die Bordellgeschichten nur noch quer zu lesen und sucht die Stellen, die die raue Welt an Bord der Kohledampfer und in den Häfen der Vor- und Nachkriegszeit eindringlich beschreiben. Diese raue Welt wird von Kavvadias der kleinen Zeichen der Menschlichkeit wegen angenehmer als das Leben in starren Bahnen an Land und auf dem erzkonservativen Kefalonia empfunden. Insgesamt ist das Buch eine besonders geeignete Lektüre, wenn man nicht allein verreist. Man wird seinem Partner immer wieder daraus vorlesen wollen.

Familie Solal in Argostoli

Ein riesiger Lesespaß sind auch die ersten 375 Seiten des Romans Eisenbeißer von Albert Cohen. Der auf Französisch schreibende Autor wurde 1895 als Sohn jüdischer Eltern auf Korfu geboren, zog aber schon fünf Jahre später mit ihnen nach Marseille und studierte später in Genf, wo er u. a. beim Völkerbund arbeitete. Sein Roman spielt im ersten Viertel im jüdischen Getto von Argostoli. Im Mittelpunkt der kunterbunten Geschichte stehen fünf Mitglieder der Familie Solal – französische Juden, deren Vorfahren Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge des Napoleon-Feldzugs auf Kefalonia angesiedelt wurden. Nach Angaben im Roman lebten da vor dem Ersten Weltkrieg 30.000 Juden, Mitte der 1930er Jahre noch etwa 15 000. Eisenbeißer ist das schrullige Oberhaupt der einzigartig verschrobenen Solals auf der Insel. Wenn Eisenbeißer und seiner „Tapferen“ auf Seite 113 via Piräus nach Marseille abfahren, ist der literarische Inselhüpfer zwar traurig, man liest aber dennoch amüsiert und gebannt weiter, reist mit ihnen durch Frankreich und die Schweiz. In Marseille treffen sie einen christlichen Freund, der sie auch schon einmal auf Kefalonia besucht hat. Er begleitet sie auch nach Genf, wo sie Gespräche im Völkerbund suchen. Auf ein Treffen mit „Hilaire“ (Hitler) wartet man freilich vergeblich, denn das haben selbst Eisenbeißer und seine „Tapferen“ nicht zustande gebracht. Darum konnten sie ihm auch seinen Antisemitismus nicht ausreden.
Auf Seite 375 bricht der bis dahin so faszinierende Erzählstrang aber abrupt ab. Die letzten 100 Seiten wirken wie ein fremdes Buch. Was jetzt erzählt wird, hat kaum etwas mit dem vorherigen Geschehen zu tun, lässt den bisherigen Protagonisten keinen Raum mehr. Schade, aber dennoch war die Lektüre bis dahin ein teils tiefsinniges, teils bissig satirisches, teils auch nur lustvoll klamaukendes Vergnügen.

Corellis Mandoline

Der bekannteste der auf Kefalonia spielenden Romane ist ohne Zweifel Corellis Mandoline des 1954 in London geborenen Lous de Bernières. Im Jahr 2000 wurde er mit Nicholas Cage und Penelope Cruz in den Hauptrollen auch an Originalschauplätzen auf der Insel verfilmt. Im Städtchen Sami entstand dafür eigenes die Kulisse eines Inselstädtchens im Stil der 1940er Jahre. Film und Buch erzählen weitaus mehr als nur eine romantisch-schöne Liebesgeschichte zwischen einer jungen einheimischen Arzttochter und einem italienischen Offizier während des Zweiten Weltkriegs. Thematisiert werden auch die Ermordung von über 5.000 bereits entwaffneten Italienern durch großdeutsche Truppen und das Elend griechischer Partisanenverbände.

Herzblut und Morde

Beim Inselsprung nach Zakynthos kommen Krimi-Fans voll auf ihre Kosten. Autorin Antonia Pauly hat über „Schildkröten in der Antike“ promoviert – kein Wunder also, dass es sie auf diese Insel verschlagen hat. In ihrem Kriminalroman Himmelfahrt reisen die Leserinnen und Leser mit Kommissarin Eleni über Zakynthos. Man sieht die Orte gut vor dem inneren Auge. Und auch so manche Taverne, denn die Kommissarin geht in real existierende Tavernen und Clubs, die mit richtigem Namen genannt werden. Es geht um mehrere geheimnisvolle Morde, zwischen denen nur schwer ein Zusammenhang herzustellen ist.
Das Ganze ist wirklich spannend, dass Ende schlüssig – mit einer Lösung, auf die man bei kriminalistischer Begabung auch selbst ab einem gewissen Punkt kommen kann.
Fazit: Das Buch macht Lust auf mehr. Und das gibt es tatsächlich: Antonia Pauly hat auf die Himmelfahrt noch die Zakynthos-Krimis Entspannung und Lügenblau folgen lassen.
Einen äußerst ungewöhnlichen und dabei literarisch anspruchsvolleren Zakynthos-Krimi hat die Österreicherin Elisabeth Schmidauer verfasst: Mord für Anfänger und Fortgeschrittene. Der Titel des Buches ist auch der Titel eines Ferienseminars, in dem die Gäste eines musischen Ferienclubs das Krimi-Schreiben lernen können. Wenn es auch verwirrend ist, wer hier mit wem ins Bett hüpft – ein erotischer Roman ist das Buch nicht, denn was im Bett (oder im Olivenhain) geschieht, bleibt außen vor. Die kunstvoll aufgebaute Geschichte ist jederzeit ein echter Krimi, auch wenn der erste und einzige Tote erst auf e-book-Seite 111 am Strand liegt. Verdächtig sind viele der Seminarteilnehmer, ein Motiv hätten sie fast alle. Die Auflösung ist durchaus plausibel. Und obwohl das Buch überwiegend im Club spielt und der Kommissar der einzige etwas ausführlicher vorgestellte Grieche ist, kommt zakynthische Atmosphäre durchaus auf.

Zakynthisches Flair

Noch viel mehr zakynthisches Flair vermittelt der sehr flott geschriebene, leicht zu lesende Roman Olivensommer der Britin Isabelle Bloom. Die Durchschnittsengländerin Holly (30), die für einen Online-Shop arbeitet und mit einem Finanzmanager aus der Londoner City liiert ist, erbt von einer ihr unbekannten Tante ein Haus in Lithakia auf Zakynthos. Sie fliegt hin, verliebt sich in einen dort lebenden irischen Tierarzt und lüftet Zug um Zug die Geheimnisse ihrer alkoholabhängigen Mutter und ihrer geheimnisvollen Tante. Der Roman fängt die Schönheit der Insel ein, ohne kitschig zu werden, beschreibt treffsicher so manche Eigenarten von Griechen und führt zu vielen Orten und Stränden der Insel. Hehre Literatur ist das nicht, aber gute Unterhaltung.

Wer Triviales überhaupt nicht mag, kann auch für Zakynthos zu einem Schwergewicht greifen, Werke des Zakynthers Dionysios Solomos. Der 304 Seiten starke Band liegt seit 2001 auf Deutsch vor. Darin enthalten ist natürlich auch seine 1823 verfasste Hymne an die Freiheit, die zur längsten Nationalhymne der Welt wurde.

Text und Fotos: Klaus Bötig

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