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Traditionelle Musik aus ganz Griechenland

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Und zum Schluss in den Djeni Hamam! (Fotos: GZkb) Und zum Schluss in den Djeni Hamam! (Fotos: GZkb)

Die Sonne scheint, der Himmel ist blau. Es ist Sonntag in Thessaloniki. Auf dem Programm stehen heute das Archäologische Museum und im Anschluss eine Kreuzfahrt durch die musikalische Szene der Stadt.

Ein wenig Erotik tut am Sonntag auch gut? Dann nichts wie ins Archäologische Museum hinein. Da lehnt ein völlig nackter junger Mann erwartungsvoll an einem niedrigen Fels. Den rechten Arm hat er auf den Kopf gelegt, sein rechtes Bein über den Schoß einer verschämt die Augen senkenden jungen Frau, die ein völlig durchsichtiges Gewand trägt. Der Panther, der neben dem Mann sitzt und eine Pranke hebt, und die Weinblattgirlande über der Szene identifizieren ihn eindeutig als Gott Dionysos, seine Partnerin dürfte die kretische Königstochter Ariadne sein. Das bronzene Gefäß, das diese Szene ziert, ist der Derveni-Krater aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., den man 1962 in einem Grab in Derveni bei Thessaloniki fand. Samt Henkeln ist er 91 Zentimeter und wiegt 40 Kilo. Röntgenuntersuchungen haben gezeigt, dass er nicht gegossen wurde, sondern durch Hämmern aus einer Bronzeplatte entstand. Seine Reliefs wurden zunächst von innen und abschließend von außen gearbeitet. Man schätzt, dass mindestens fünf Handwerker 18 Monate lang an diesem Prachtstück gearbeitet haben.
Auf dem Rückweg zum Weißen Turm ist nun eine Kaffeepause angesagt. Am breiten Fußgängerweg, der diagonal durch eine Grünanlage zwischen Museum und Turm verläuft, erinnern die bunten Tische, Stühle und Barhocker an Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt. Da kann man im Anblick des Götterbergs Olymp relaxen, Kindern bei Fahrten mit der Mini-Eisenbahn zuschauen oder auch einen ersten Ouzo bestellen. Das Mittagessen fällt heute nämlich aus – in all den Musiklokalen, die an Nachmittag noch auf dem Programm stehen, wird es genug kleine Häppchen als Mezedakia geben.

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Eine römische Familie im Archäologischen Museum

Musik überall

Wir haben uns mit unserem kretischen Freund Kostas verabredet, der hier in Thessaloniki an Schulen traditionelle Musik für Lyra und Mandoline unterrichtet. Er hat uns auf unseren Wunsch ein typisch deutsches Programm ausgearbeitet: Jede Stunde Kneipenwechsel, damit wir möglichst viele solche Musiklokale kennenlernen. Alle Lokale liegen im Stadtzentrum zwischen Ägäis, altem Hafen und Aristoteles-Platz dicht beieinander.
Um 16 Uhr sind wir im „To Vidiano“. Vier Musiker aus verschiedenen Landesteilen spielen traditionelle Musik aus ganz Griechenland – bis zu vier Stunden lang ohne Pause. An den Wänden hängen Werke örtlicher zeitgenössischer Künstler. Essen muss man hier nicht, man kann auch nur an der Bar sitzen und zuhören. Wie auch in vielen anderen Lokalen im Zentrum der Stadt spielt hier jeden Tag eine andere Gruppe – sonntags ab 14.30 Uhr, sonst ab 21.30 Uhr. Wir ziehen weiter ins „Anatolikon“, wo heute Rembetika auf dem Programm stehen. Fürs Weißbier zahlen wir weniger als in München: 3,20 Euro der halbe Liter. Und kein Gericht auf der Karte ist teurer als sechs Euro. Ein älterer Mann steckt den beiden Musikern je 20 Euro zu. Die beiden sind verlegen. „In Thessaloniki macht man das eigentlich nicht“, erklärt uns unser Freund Kostas. Wir kommen mit einem älteren Paar aus Wisconsin ins Gespräch, das gleich zu Beginn erklärt, nicht Donald Trump gewählt zu haben. Sie kommen jedes Jahr für eine Woche in die Hauptstadt Makedoniens, um griechische Musik live zu hören – „und nirgends geht das besser als hier“, sagen sie.
Unser nächster Stopp ist das „Tophane“. Es ist brechend voll, die Pareas sind schon am Tanzen. Rote Servietten fliegen auf die Piste, fast alle klatschen und singen mit. Äußerlich ist die Sängerin eine Tonne, stimmungsmäßig eine Bombe. Für ein Viertelstündchen holt sie auch unseren Freund Kostas ans Mikrophon: Er soll kretische Mandinades zum Besten geben. Auch die kommen beim Publikum bestens an.
Zwei Lokale gönnen wir uns noch: Das Mousiko Kafenio „Tzamala“, wo heute pontische Musik erklingt, und dann das kleine Bistro „Glykia Symmoria“, wo eine tolle Sängerin ganz ohne Mikrofon auskommt. Sie präsentiert Rembetika „aus der Zeit nach Marko“ (Vamavakaris), sagt sie. Das Publikum und auch wir bestätigen das an der Wand verkündete Motto „I feel good“, lautet es. Nach einem Sonntag in Thessaloniki kann man wohl auch nichts anderes empfinden.

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Sonntagnachmittags wird getanzt.

Text und Fotos: Klaus Bötig

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 680 am 12. Juni 2019.

 

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