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Mikis Theodorakis – der griechische Komponist (1925-2021)

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Mikis Theodorakis – der griechische Komponist (1925-2021)

Mikis Theodorakis wird 1925 auf der Insel Chios geboren. Er starb am 2. September 2021 im Alter von 96 Jahren in Athen. Schon von frühester Kindheit an beschäftigt er sich mit Musik.

Erste Lieder und Werke für Violine und Klavier entstehen Ende der dreißiger Jahre. Kammermusik und diverse Chorstücke werden erstmals zwischen 1940 und 1942 in der peloponnesischen Stadt Tripolis aufgeführt.

1942 läßt sich seine Familie in Athen nieder. Am Athener Konservatorium studiert er bei Filoktitis Ikonomidis bis 1950 Komposition. Nebenher singt er im Chor des Staatlichen Orchesters (u.a. Berlioz\' \"Requiem\" und Bachs \"Johannespassion\").

Zwischen 1950 und 1953 arbeitet er als Musikkritiker für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und spielt als Percussionist im Staatlichen Orchester Athens. Von 1950 an werden seine Werke (Ballette, Kammermusik, Musik für antike Dramen, Sinfonik) regelmäßig vom Staatlichen oder Rundfunk-Orchester aufgeführt und zum Teil vom Griechischen Rundfunk übertragen.

Studium in Paris

1954 reist er nach Paris, wo er am Conservatoire in der Klasse von Olivier Messiaen bis 1960 ein Zusatzstudium (Komposition und Dirigat) absolviert. 1957 erhält Theodorakis die Goldmedaille des Moskauer Kompositionswettbewerbs für seine SUITE NR.1 für Klavier und Orchester. Vorsitzender der Jury ist Dimitri Schostakowitsch, ein weiteres Mitglied Hans Eisler.

1959 legt Theodorakis seine theoretische Abschlußarbeit Olivier Messiaen vor: die Analyse des \"Agon\"-Balletts von Igor Strawinsky, in der er das Tetrachord-System nachweist, das er selbst wiederholt in seinem sinfonischen Schaffen verwendet hat. Zusammen mit Jannis Xenakis und anderen Komponisten und Dirigenten verfaßt er den \"Programmentwurf zur Reorganisation der Griechischen Musik\".

1959 macht ihn seine Ballettmusik ANTIGONE international bekannt (Covent Garden Ballett London; Hauptrollen: Margot Fonteyn, Juri Nurejew und Swetlana Berjosowa; Choreographie: John Cranko). Im Dezember 1959 schlägt ihn Darius Milhaud für den amerikanischen Copley Music Prize des besten europäischen Komponisten des Jahres vor, der ihm daraufhin verliehen wird.

Erfolge in Athen

1960 zieht er nach Athen, wo er im selben Jahr in Zusammenarbeit mit Rebetiko-Musikern seinen ersten Volksliedzyklus EPITAPH, basierend auf Worten von Jannis Ritsos, als Schallplatte veröffentlicht. Der griechische Musikologe Fivos Anojannakis nennt Theodorakis in einer Rede über die Musik des EPITAPH \"einen neuen Strawinsky\". Die Schallplatte wird trotz ihres inhaltlichen und musikalischen Anspruchs ein durchschlagender Erfolg. Theodorakis vertont daraufhin in kunstvoller und zugleich populärer Weise Texte der größten griechischen Lyriker (u.a. Elytis, Seferis, Katsaros, Eleftheriou) und versucht, über immer komplexere Formen (Oratorien, Lied-Zyklen) und im Dialog mit einem großen Publikum (Volksliedkonzerte in Hallen, Stadien, Amphitheatern etc.), zwischen 1960 und 1967 sein Konzept der \"Metasinfonik\" praktisch umzusetzen.

Seit Anfang der sechziger Jahre beschäftigt sich Theodorakis verstärkt mit Kompositionen für Filme. Zwar macht ihn die Musik zum ZORBAS weltberühmt, aber weitere Filmmusiken resultieren aus seiner Zusammenarbeit mit den Regisseuren Michalis Cacojannis (ZORBAS/1964 mit Anthony Quinn, Alan Bates, THE TROJAN WOMEN/1971 mit Kathrin Hepborn, Vannessa Redgrave); Costas Gavras (Z/1969 mit Yves Montand, Jean-Louis Tretignan), Jules Dassin (PHAEDRA/1961 mit Melina Merkouri, Anthony Perkins), Stipe Delic (SUTJESKA/1971 mit Richard Burton, Irene Papa), Miguel Littin (ACTAS DE MARUCIA/1975 mit Gian-Maria Volonte), Anatole Litvak (FIVE MILES TO MIDNIGHT/1962 mit Sophia Loren, A.Perkins) Sidney Lumet (SERPICO/1973 mit Al Pacino), Michael Powell (HONEYMOON/1960 mit Ludmila Tscherina, Anthony Steel) u.a.

1962 gründet Theodorakis das Kleine Athener Orchester und dirigiert im ganzen Land \"Volkskonzerte\" mit Werken von Vivaldi, Corelli, Händel, Bach u.a. Das Orchester reist vor allem in Provinzen und auf Inseln, wo noch nie sinfonische Musik gespielt worden ist. 1966 setzt er als Dirigent mit dem neugegründeten Sinfonischen Orchester Piräus und mit Werken von Haydn, Mozart, Dvorcak, Beethoven, Schubert u.a. diese Konzerte fort.

1965 wird Theodorakis für sein kompositorisches Gesamtschaffen der Sibelius-Preis durch das Internationale Musikinstitut London verliehen. Mitglieder der Jury sind Pablo Casals, Zoltan Kodaly und Darius Milhaud.

Die Junta verbietet Theodorakis

1967 wird nach dem April-Putsch das Spielen und Hören von Theodorakis\' Musik durch den Erlaß Nr.13 der Armee verboten. Theodorakis wird verhaftet, später unter Hausarrest gestellt bzw. in die Verbannung geschickt, wo er in einer musikwissenschaftlichen Analyse und durch Kompositionen sein Kozept der \"Metasinfonik\" ausbaut. Internationale Persönlichkeiten, u.a. Schostakowitsch, Mitterand und Arthur Miller, fordern seine Freilassung; Paul Dessau und Hans Werner Henze u.v.a. widmen ihm Werke.

Nach seiner Freilassung, 1970, bis zur Wiedererlangung der Demokratie in Griechenland, 1974, gibt Theodorakis, begleitet von seinem Orchester und seinen Sängern (u.a. Maria Faranturi und Petros Pandis), in der ganzen Welt etwa 1.000 Lied-Konzerte, die er in den Dienst des antidiktatorischen Kampfes stellt. Viele seiner Lieder werden zudem seit Anfang der sechziger Jahre in der ganzen Welt von zahlreichen Interpreten gesungen (u.a. von Agnes Baltsa, Dalida, Lisbeth List, Maria del Mar, Milva, Mouloudji, Georges Moustaki, Nana Mouskouri, Edith Piaf, Hermann van Veen, Arija Sajonmaa, Zülfü Livaneli, Iva Zanicchi) und als Schallplatte veröffentlicht (die Diskographie umfaßt etwa 250 LPs/CDs ausschließlich mit Theodorakis-Liedern und weitere 550, die z.T. Lieder von ihm beinhalten). Das Werkverzeichnis von Theodorakis umfaßt neben größeren Werken auch etwa 780 Lieder.

1974 dirigiert Theodorakis bei drei Konzerten im Karaiskakis-Stadion von Athen eins seiner bedeutendsten Werke, das Oratorium CANTO GENERAL, das er in den achtziger Jahren in fast allen westeuropäischen Ländern und in Lateinamerika vorstellt. Im August 1977 präsentiert er in 28 ausverkauften Konzerten im Lykabettus-Freilichttheater die ganze Spannbreite seines Schaffens - vom Liedzyklus bis zum Ballett und zur Sinfonik.

Rückkehr zur Symphonik

Seit 1980 gibt es eine Rückbesinnung des Komponisten auf Sinfonik. So entstehen u.a. die 3.SINFONIE für die Komische Oper Berlin 1982, die SADDUZÄER-PASSION für die Musik-Biennale Berlin 1983, die 7.SINFONIE für die Musikfestspiele in Dresden 1984. Es folgen zahlreiche Aufführungen seiner Sinfonien und Chorwerke in vielen Ländern (u.a. Frankreich, Westberlin, Luxemburg, Italien, Sowjetunion, Schweden, Tschechoslowakei, Bulgarien, Singapur, Australien, Nikaragua). Theodorakis komponiert auch zahlreiche Auftragswerke, wie z.B. das ZORBAS-BALLETT für die Arena di Verona (1988), die Oper MEDEA für das Arriaga-Theater in Bilbao (1991), den CANTO OLYMPICO für die Olympischen Spiele in Barcelona (1992), die Oper ELEKTRA für die Europäische Kulturhauptstadt Luxemburg 1995 und die Oper ANTIGONE für die Europäische Kulturhauptstadt Thessaloniki 1997.

Im Frühjahr 1990 dirigiert Theodorakis in fast 40 europäischen Städten vier metasinfonische Werke für Solisten, Chor und Orchester (RAVEN, DER ÜBERLEBENDE, EPIPHANIA,
IM BELAGERUNGSZUSTAND), und Ende desselben Jahres geht er wieder in ein Studio, um nach fast 20 Jahren seine größten Liederfolge noch einmal selbst als Sänger zu interpretieren (\"Theodorakis sings Theodorakis\").

Im Februar 1993 wird er – nach einem Vorschlag der Musiker des Staatlichen Rundfunkorchesters und Rundfunkchores – zu deren Generalmusikdirektor berufen, was er bis zum Sommer 1994 bleibt. Theodorakis dirigiert 1993 verstärkt seine klassischen Werke, wie z. B. den CANTO GENERAL in Santiago de Chile, die 3. SINFONIE im Athener Konzerthaus, in der Kathedrale von Montreal und in der Oper von Kairo. 1994 gibt Theodorakis mit einem 160-köpfigen Ensemble des griechischen Rundfunks 14 Konzerte in den USA und Kanada mit den Oratorien AXION ESTI und MAUTHAUSEN-BALLADE. Im März 1994 führt ein internationales Ensemble in sieben deutschen Städten (u. a. Alte Oper Frankfurt, Liederhalle Stuttgart) das Programm MUSIK OHNE GRENZEN (Oracle) auf.

MUSIK OHNE GRENZEN ist zugleich Ergebnis einer generationsübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Theodorakis und seinem vierzig Jahre jüngeren Kollegen Alexandros Karozas, der für die musikalische Umsetzung dieser Idee verantwortlich zeichnet. Klassische Klänge der Klaviersonatine, interpretiert durch den Amerikaner Paul Morris, koexistieren mit Jazzelementen bei den Brendan-Behan-Vertonungen, zum erstenmal von Julie Dennis auf englisch gesungen, sowie mit dem authentischen griechischen Musikstil der populären Lieder, die vom Komponisten selbst interpretiert werden. Und schließlich ist MUSIK OHNE GRENZEN eine grenzübergreifende Produktion, bei der Musiker aus Griechenland, Deutschland, Irland, China, Holland und den USA zusammenspielen.

Im November 1995 dirigiert der Komponist auf einer Australien-Tournee das Melbourne Chamber Orchester sowie Maria Farantouri und andere Solisten (SINFONIETTA, STATE OF SIEGE Oratorio, THE HOSTAGE Songs u.a.). Ende 1995 beginnen, in Zusammenarbeit mit der Staatskapelle St. Petersburg, die Aufnahmen zu einer Reihe von sinfonischen Werken, die der Komponist selbst dirigiert. (ERSTE SINFONIE, CARNIVAL, RAVEN, ADAGIO, REQUIEM).

Das ZORBAS-BALLETT, das seit seiner Premiere 1988 weltweit etwa 400 Aufführungen erlebte, wurde im März 1993 zehnmal hintereinander im Palais de Congres von Paris präsentiert sowie in vielen anderen europäischen Städten. Im September 1994 dirigiert Theodorakis das Ballett fünfmal im ausverkauften Luna Park von Buenos Aires. Es folgen Gastdirigate eigener Werke: 1995 beim Aalborg Symphony Orchestra (PIANO CONCERTO & OEDIPUS TYRANNOS) und 1996 beim Linzer Bruckner Sinfonie Orchester (ZORBAS Ballett), beim Ostbayerischen Sinfonieorchester (REQUIEM) und beim Malmö Symphony Orchestra (PIANO CONCERTO & ZORBAS Ballett). Im November 1996 dirigiert er den Bayerischen Rundfunkchor bei einer Aufführung des integralen CANTO GENERAL in der ausverkauften Münchner Philharmonie. Einen Monat später beendet er die Komposition des Konzertes für Cello und Orchester.

Theodorakis\' Werkverzeichnis umfasst etwa 900 Lieder und an die 100 größere Werke, darunter Sinfonik, Bühnen- und Filmmusik, Opern, Oratorien, geistliche Liturgien usw. Hinzu kommen eine Fülle von politischen, essayistischen und lyrischen Texten (einige auch auf Deutsch, Französisch und Englisch): ANATOMIE DER MUSIK; DIE WEGE DES ERZENGELS/ Autobiographie; MEINE STELLUNG IN DER MUSIKSZENE/ Essays und Interviews 1952-1984); DIE METAMORPHOSEN DES DIONYSOS/ ein Libretto und andere Texte.

Griechenland ehrte seinen Komponisten im Jahr 2005 mit zahlreichen Veranstaltungen.

Als Bürger stets präsent

Theodorakis intervenierte fast bis zu seinem Tod 2021 auch im politischen Geschehen seines Landes. Schon nach dem Ende der Diktatur in Griechenland engagierte er sich, der mittlerweile den Nimbus eines Volkshelden hatte, zunächst als Parteiloser bei den Linken. 1989/90, nachdem die sozialistische Regierung Papandreou über ihre Skandale gestürzt war, vollzog er aber eine überraschende Wende, die ihm viele bis heute nachtragen: Unter dem Konservativen Konstantinos Mitsotakis wurde Theodorakis Minister ohne Portefeuille und beschäftigte sich unter anderem mit der Bildungs-, Kultur- und Drogenpolitik, aber auch mit der griechisch-türkischen Aussöhnung. Er ergriff im Jugoslawien-Krieg in den 1990er Jahren auch offen Stellung für die serbische Seite; einige warfen ihm im Zusammenhang mit der Palästina-Frage sogar antisemitische Positionen vor. Den letzten großen öffentlichen Auftritt hatte Theodorakis im Juni 2018, als er sich vor Tausenden von Menschen auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament gegen das Abkommen mit der damals noch so bezeichneten Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien aussprach (damals: FYROM, heute: Nordmazedonien).
Nach seinem Tod am 2. September 2021 verhängte die Regierung eine dreitägige Staatstrauer.

Autor: Griechenland Zeitung

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