Literatur zum 200. Jahrestag der Griechischen Revolution
„Kolokotronis mit fünftausend Mann in Karytäna ... Kolokotronis mit fünftausend Mann in Karytäna ...“ Einfache Worte, die aber im Endeffekt alles sagten, was sie fühlten. Nur Michalos stand unbeteiligt abseits. Er lehnte gelassen in einer Ecke des Zimmers, beobachtete die Gefühlsausbrüche seiner Schicksalsgenossen und lächelte sarkastisch. „Kolokotronis mit fünftausend Mann in Karytäna!“, rief er schließlich zornig. „Und was ist damit erreicht? Was ist damit schon gewonnen?“ Aller Augen richteten sich auf ihn. Die Frage ernüchterte sie. „Warum freut ihr euch darüber? Sagt es mir, damit auch ich mich freue! Kann uns Kolokotronis vielleicht vor den Messern der Türken retten? Ihr benehmt euch ja wie die kleinen Kinder!“
Ritt auf dem Esel
Es war ein heißer Tag im August. Ich war mit einer Malkursgruppe bei den knorrigen Olivenbäumen auf der Halbinsel Akrotiri im Kloster Gourvernéto. Dort übten wir anhand der Kloster-Architektur das perspektivische Zeichnen. Als wir gerade mitten in einer Bilderbesprechung waren, gesellte sich ein korpulenter Mönch mit üppig wucherndem Vollbart in einer schon recht verschlissenen Arbeitskutte zu uns.
Der Golf des Piräus
In der frühen Morgenstunde hörte ich den Anker fallen; ich ging aufs Verdeck, wir lagen im Golf des Piräus, der wie ein kleiner Landsee aussah. Die Insel Ägina, über deren Berge sich die noch höheren von Morea erhoben, einer kühner als der andere emporstrebend, schienen die Einfahrt zu schließen, die etwas schmal ist; zwei schwimmende Tonnen dienen als Wahrzeichen, und abends trägt jede derselben eine Laterne als Leuchtfeuer.
„Wer war der Mörder meines Bruders“ von Georgios Vizyinos
Auszug aus der gleichnamigen Erzählung: Als die Zeit der Hochzeit nahte, stiegen Kiamil und sein Blutsbruder aufs Pferd, um der Einkäufe wegen in die Stadt zu kommen. Die Eisenbahn war in der Nähe, aber die jungen Leute liebten die Pferde und wollten unbedingt reitend in die Stadt einziehen, mit den goldenen Knöpfen an ihren Westen, mit den Pistolen an der Taille und den Karabinern über der Schulter. So machten sie sich mit den Goldstücken in ihren Hüftgürteln auf den Weg.
„Die Sünde meiner Mutter“ von Georgios Vizyinos
Auszug aus der gleichnamigen Erzählung:
Eines Tages näherte ich mich ihr unbemerkt, als sie kniefällig vor der Ikone des Heilands weinte. „Nimm mir, welches Kind du willst“, sagte sie, „und lass mir das Mädchen. Ich sehe, dass es geschehen soll. Du hast dich an meine Sünde erinnert und beschlossen, mir mein Kind zu nehmen, um mich zu strafen. Ich danke dir, Herr!“