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Griechenlandkrise und Missverständnisse in Davos Tagesthema

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Griechenlandkrise und Missverständnisse in Davos

Ministerpräsident Alexis Tsipras hält sich seit Mittwoch beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos auf. Hier hatte er die Gelegenheit, sich mit mehreren seiner Amtskollegen, anderen Politikern und hochrangigen Wirtschaftswissenschaftlern zu beraten.  

Hauptgesprächsthemen für den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos sind die in Griechenland grassierende Finanz- und Wirtschaftskrise, aber auch die Flüchtlingsströme gewesen. Tsipras befindet sich bereits seit Mittwoch in der Schweiz. Er wird am heutigen Freitag nach Athen zurückkehren.

Die Krise in Europa
In einer Diskussionsrunde über die Zukunft Europas erläuterte Tsipras, dass Europa mit drei Krisen konfrontiert sei: Wirtschaftskrise, Flüchtlingskrise sowie Sicherheitskrise. Er erklärte, dass diese nur gemeinsam bekämpft werden könnten.

Die Griechenland-Krise würde nach Auffassung von Tsipras die Strukturprobleme Europas wiederspiegeln. Dabei hielt er fest, dass es große Unterschiede zwischen Nordeuropa und den südlichen Ländern des Kontinents gebe. Als Beispiel nannte er die Arbeitslosigkeit in Griechenland (25 %) im Vergleich zu anderen Ländern Europas (4 %). Solche Ungleichheiten müssten bekämpft werden, damit Europa wieder auf Wachstumskurs gelangen könne.

Schuldenschnitt  im Gespräch
Bei zahlreichen Gelegenheiten erinnerte das Regierungsoberhaupt aus Athen daran, dass ihm eine möglichst schnelle Begutachtung der griechischen Fortschritte bei vereinbarten Spar- und Reformpaket sehr wichtig sei. Nach erfolgter positiver Evaluation müssten dann die Gespräche über einen möglichen Schuldenschnitt beginnen. Rückendeckung erhielt er in diesem Bereich vor allem auch von US-Amerikanischer Seite. US-Vizepräsident Joe Biden sowie US-Finanzminister Jack Lew haben sich für einen Schuldenschnitt ausgesprochen. Die gleiche Meinung vertritt auch Christine Lagarde, Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Rahmen von Unterredungen zwischen Tsipras und Lagarde in Davos waren sich beide einig, dass man eine direkte Kommunikation anstreben müsse, um Missverständnisse, wie sie in den vergangenen Wochen vorgekommen seien, aus dem Wege zu gehen. Weiterhin erläuterte der Ministerpräsident, dass seine Regierung über den Willen verfüge, Gelder, die dem Fiskus hinterzogen wurden, einzutreiben.

„It's the implementation, stupid“
Tsipras hat sich in Davos auch mit dem deutschen Vizebundeskanzler Sigmar Gabriel getroffen. Im Vordergrund der Gespräche standen die griechischen Bemühungen das Renten- und Sozialversicherungssystem zu reformieren und es gerechter zu gestalten. Der griechische Premier hat sich auch an einer politischen Debatte beteiligt, an der u. a. der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mitwirkte. Gleicher Meinung waren die beiden Politiker im Prinzip nur bei der Frage der Bekämpfung der Flüchtlingskrise. Im Rahmen der Debatte ist es sogar zu einem tieferen Missverständnis zwischen Athen und Berlin gekommen. Schäuble hatte auf Englisch erklärt: „it's the implementation, stupid“; zu Deutsch: „Es ist die Umsetzung (der Spar- und Reformauflagen), Idiot“. Damit hat er den Wahlslogan des früheren US-Präsidenten Bill Clinton aus dem Jahr 1992 paraphrasiert „It’s the economy, stupid“. Obwohl Tsipras die Aussage von Schäuble nicht persönlich genommen haben soll, meldete sich die griechische Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) unverzüglich zu Wort. Sie rief den deutschen Finanzminister dazu auf, besser darauf zu achten, wie er sich ausdrücke. Auch in den griechischen Medien spielte die Schäuble-Äußerung eine nicht unbedeutende Rolle. Die seriöse Wirtschaftszeitung „Naftemporiki“ titelte heute „Klima des kalten Krieges in Davos“.

Griechenland-Besuch von Investoren
Nicht zuletzt hat sich Tsipras in Davos auch mit dem Gründer und Präsidenten des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab getroffen. Dabei erläuterte das griechische Regierungsoberhaupt, dass sein Land große Fortschritte bei der Abrufung von EU-Fonds vorweisen könne. Weiterhin erklärte Tsipras seinem Gesprächspartner, dass die griechische Wirtschaft im Jahr 2015 stabil geblieben sei und dass man sich für das laufende Jahr sogar ein Wirtschaftswachstum erwarte. Besprochen wurden außerdem der Bau der Transadriatischen Gaspipeline, die Renten- und Sozialversicherung sowie der Besuch von Investoren im kommenden September in Griechenland.

Elisa Hübel

Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Ministerpräsident Alexis Tsipras (l.) in Davos während eines Gespräches mit US-Vizepräsident Joe Biden (m.).

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