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Politische Debatte rund um Gedenkwochenende für den Studentenaufstand von 1973 Tagesthema

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Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt niedergelegte Kränze vor dem Denkmal für die Opfer der Studentenaufstände 1973 an der Athener "Polytechnio". Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt niedergelegte Kränze vor dem Denkmal für die Opfer der Studentenaufstände 1973 an der Athener "Polytechnio".

Das Wochenende steht im Zeichen der Gedenken an den Studentenaufstand im November 1973, bei dem sich auf dem Gelände der Technischen Universität Athen (Polytechnio) Widerstand gegen das damalige Militärregime in Hellas formte. Im Vorfeld der Feierlichkeiten kam es zu einem umstrittenen Polizeieinsatz auf dem Gelände der Athener Wirtschaftsuniversität. Dieser spaltete die griechische Politik und rief Proteste hervor.

Die Gedenkfeierlichkeiten für den „17. November“ begannen bereits am Freitag (15.11.). Am Morgen wurden die Tore der technischen Universität geöffnet, dort wo traditionell Kränze und Blumen am Denkmal für die Opfer des Aufstandes niedergelegt werden. Das Gelände ist am Freitag und Samstag jeweils von 9.30 Uhr bis 21 Uhr geöffnet, am Sonntag schließt das Gelände um 13 Uhr. Den Abschluss der Feierlichkeiten bildet ein Gedenkmarsch vom „Polytechnio“ zur Amerikanischen Botschaft, der für 16 Uhr angesetzt ist.

„Respekt gegenüber Athen“

Der Direktor der Technischen Universität Andreas Boudouvis drückte die Hoffnung aus, dass sich viele Menschen an den Veranstaltungen beteiligen werden.
Der Bürgermeister von Athen rief die Bürger dazu auf, eine „Botschaft des Gedenkens“ zu vermitteln und „gegenüber der Stadt Respekt zu zeigen“. Die Aufforderung des Kommunalpolitikers muss vor dem Hintergrund von befürchteten Ausschreitungen gesehen werden. Im Umfeld der Veranstaltungen zum 17. November kam es in der Vergangenheit fast regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. In diesem Jahr sorgt die politische Kontroverse über die Lockerung des Universitätsasyls durch die konservative Regierung für zusätzlichen Konfliktstoff.
Die Athener Polizei hat für das Wochenende strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Rund um den Hauptdemonstrationszug am Sonntag ist der Einsatz von 5.000 Polizisten geplant, der noch von Helikoptern und Drohnen unterstützt werden soll. Zudem ist eine Vielzahl von Beamten für die Bewachung von Regierungsgebäuden, Botschaften und Universitäten abgestellt worden. In der Vergangenheit war es in vielen Fällen Hochschulareal, das gewaltbereite Demonstranten unter Ausnutzung und unter dem Schutz des Universitätsasyls als Rückzugsorte nutzten.
Im Umfeld der Route des Gedenkmarsches muss am Sonntag mit Verkehrsbehinderungen gerechnet werden. Die Polizeipräsenz wird in all diesen Tagen auch rund um das Stadtviertel Exarchia spürbar sein, das als Hochburg der außerparlamentarischen Linken sowie der autonomen/anarchistischen Szene gilt.

Angespannte Ausgangslage

Einer Deeskalation der Gedenkfeiern zum 17. November waren auch Vorfälle an der Athener Wirtschaftsuniversität (gr.: ASOEE) nicht förderlich. Am letzten Sonntag (10.11.) hatte die Polizei die Gebäude der ASOEE durchsucht und dabei ein Lager von Gegenständen sichergestellt, die mit gewalttätigen Protestaktionen in Verbindung gebracht werden, u. a. Sturmhauben, Motorradhelme, Schlagstöcke und Bruchsteine. Als Reaktion beschloss die Unileitung, die Institution bis zum 17. November zu schließen. Bei Protesten auf dem Gelände der Hochschule am darauffolgenden Montag kam es zu Zusammenstößen mit Sondereinheiten der Polizei (MAT). Es flogen Steine, von Seiten der Staatsgewalt wurden Tränengas und Blendgranaten eingesetzt (die GZ berichtete).

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Bereits am Donnerstag formierte sich Protest vor der alten Athener Universität in der Panepistimiou. Foto (© GZ / Jonas Rogge)

Die Vorgänge polarisierten im Laufe dieser Woche die Politik und provozierten Demonstrationen von Studenten und schlussendlich die Besetzung einer Vielzahl von Universitäten in Griechenland.
Für die Kritiker stellt das harte Vorgehen der Polizei auf einem Universitätsgelände einen Dammbruch dar. Unter dem alten Asylgesetz, das die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) kurz nach ihrem Amtsantritt im Juli abschaffte, war es Einsatzkräften nur in schweren Ausnahmefällen oder auf Bitte der Unidirektion gestattet, Hochschulgelände zu betreten. Janis Varoufakis, Vorsitzender der MeRa25 Partei, stellte im Parlament die Frage, ob man „Recht und Ordnung“ durchsetzen wolle, indem man ein „Bürgerkriegsklima“ erzeuge. An die Regierung gerichtet nannte er die Schließung der ASOEE eine „große Niederlage für die freien Universitäten, die sie zu verteidigen behaupten“.
Vertreter der ND hingegen warfen der Opposition, speziell dem Linksbündnis SYRIZA, das zwischen 2016 und 2019 regierte, vor, sich auf die Seite gewalttätiger Extremisten zu stellen. Ausschließlich gegen solche „low-terrorism“-Gruppen hätten sich die Einsätze gerichtet, erklärte der Staatssekretär im Bürgerschutzministerium Lefteris Ikonomou auf eine Anfrage zu den Vorfällen im Parlament. Er betonte zudem, dass der Einsatz von Tränengas an den Grenzen zum Campus, nicht auf dem Unigelände selbst erfolgt sei.

Anfang vom Ende der Junta

Der Studentenaufstand an der Technischen Universität 1973 richtete sich gegen die damals amtierende Militärjunta (1967-1974). Er begann am 14. November 1973 und wurde am 17. November brutal niedergeschlagen. Die Proteste gelten als Anfang vom Ende der Militärdiktatur. Ein Jahr später, am 17.11.1974, wurde Konstantinos Karamanlis (Nea Dimokratia) zum Premierminister der neu geformten parlamentarischen Demokratie gewählt.(Griechenland Zeitung / Jonas Rogge)

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