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Schinoussa – Sommer 1987

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Schinoussa – Sommer 1987
Bei gleißender Hitze bringt uns das Schiff von Iraklia nach Schinoussa. Schinoussa gehört wie Iraklia, Koufonissia und Donussa zu den Erimonissia-Inseln, die zwischen Kos und Naxos liegen. Erimonissi heißt die „Einsamen“ und tatsächlich gibt es dort wenig von all dem Trubel und der Hektik, die der Tourismus auf den meisten Inseln der Kykladen verbreitet.
Schinoussa ist zehn Kilometer groß, seine höchste Erhebung 120 Meter, die Einwohnerzahl beträgt ca. 100. 
 
Nachdem wir angelegt haben, verlassen wir die Fähre und sehen uns um. Vor uns liegt ein kleiner Hafen mit wenigen Segelbooten fremder Nationen und unterschiedlicher Größen, ein paar Fischkutter halb an Land gezogen mit daran arbeitenden Fischern – sie flicken ihre Netze, reinigen die Boote oder sind dabei, die in der Nacht gefangenen Oktopusse auf den Felsen weich zu reiben. Häuser gibt es nur wenige in diesem kleinen Hafen, fünf oder sechs vielleicht, eine Taverne. Dieser Hafenort hat nicht einmal einen Namen. Unser Blick geht nach oben, wo auf dem Berg „Chora“ (d.h. Hauptort) liegt. Wir sehen viele weiße, gepflegte Kykladenhäuser, doch um dorthin zu gelangen, müssen einige Serpentinen überwunden werden. Am Anlegeplatz der Fähre, die uns eben gebracht hat, hält ein Traktor mit Anhänger; Hektik und Geschrei umgibt ihn. Die mit der Fähre eingetroffenen Säcke, die unterschiedlichste Ware aus Naxos und Piräus enthalten, werden aufgeladen. So kommt das Brot täglich aus Naxos, denn es gibt keinen Bäcker auf der Insel. 
Wir wollen gerade unsere Rucksäcke aufschnallen, da begegnet uns wiedermal griechische Freundlichkeit. Ehe wir uns versehen, sitzen wir und unser Gepäck auf den Säcken mit Brot Salz Dünger, Kaffee, Cola etc. und werden auf dieser staubigen Serpentinenstraße hochgeschaukelt. Mit uns sind ein paar Griechen, die hier ein Sommerhaus haben und gerade aus Athen kommen – was sie alles anschleppen! Die Kinder haben viel Spaß auf dieser Schaukelfahrt. Oben angekommen können wir nur schwer ein paar Drachmen an den freundlichen Fahrer loswerden für den so bequemen Aufstieg. Wir sehen uns im Dorf um und es ist bei uns allen Liebe auf den ersten Blick, was sich unseren Augen darbietet. Wir besichtigen das ganze Dorf mit seinen Tavernen, deren Dächer aus dicken Weintrauben bestehen, mit seinen kleinen, fein gekalkten Häuschen, die über und über mit violetten, blauen oder gelben Ranken bewachsen sind. Es ist Mittagszeit, eine Zeit, in der der Grieche ruht. Das ganze Dorf wirkt wie ausgestorben und so ziehen wir nach ein paar Fragen an die Dorfkinder wieder bergab zu der nächsten Sandbucht. Unten angekommen werfen wir erstmal alles von uns und genießen ein frisches Bad im Meer. Es ist 43 Grad heute, sagt man uns. Ein sauberer Strand und außer ein paar Sandflöhe keine Tiere, die uns heute Nacht stören könnten. Kai gesellt sich gleich zu ein paar griechischen Kindern, um mit ihnen Fußball zu spielen, Anke findet eine Katzenmutter mit ihren Jungen – sechs Katzenbabys aller Schattierungen. 
 
 
 
Der Nachmittag geht schnell vorüber und gegen Abend wird der Strand etwas voller – die Einheimischen nehmen ihr Bad. Die Sonne steht nun schon tief und es bietet sich uns ein schönes Bild: Im Hintergrund kleine Inseln (ihre Namen konnten wir nicht erfahren), langsam tuckern die Fischerboote aufs Meer hinaus, die Ägäis plätschert leise. Wir machen uns daran, einen Schlafplatz für die Nacht zu suchen, der frei von allem ist, was uns stören könnte – vor allem frei von Schnaken. Wir finden am Strand ein kleines Plateau aus feinem, weißem Sand, dahinter eine Mauer, die eine Herde Ziegen beherbergt. Mit „Mäh…“ und Vollmond werden wir heute einschlafen. Unsere Schlafsäcke sind bald ausgebreitet, das Gepäck in der Ecke verstaut. 
 
Leichter als zuvor wandern wir die Serpentinen hoch nach Chora, um uns dort eine Taverne zu suchen. In den kleinen Straßen ist nun das Leben erwacht. Die Alten sitzen auf wackligen Stühlen vor ihren Häusern oder im Kafenion mit Ouzo und politischen Gesprächen beschäftigt und rufen uns ein „Yassou“ zu. Es dauert nicht lange und wir entdecken eine einladende Taverne. Über dem Eingang dieser Taverne ist eine Stange angebracht, auf der die Oktopusse der Größe nach geordnet hängen. Der teuerste ist für fünf DM, der billigste für drei DM zu haben. Ein fast zahnloser, alter Mann steht am Grill vor der Taverne und bereitet dort Oktopus, große und kleine Fische und Souvlaki zu. Man sucht sich das Tier seiner Wahl aus und er legt es stillschweigend auf den großen Grill. Wir lassen uns unter dem Weintraubendach nieder, bestellen offenen Retsina, Salat, Tsatsiki Patates, Souvlaki und warten bei kleinen Häppchen auf den Oktopus. Das Brot kommt automatisch in großen Mengen. Gegen zehn Uhr ist die Taverne prallvoll mit Einheimischen und man droht, sein eigenes Wort nicht mehr zu verstehen. Kinder in allen Größen tummeln sich in der kleinen Straße vor der Taverne, Kai schleppt glutäugige Kinder auf dem Rücken durch die Straßen – er ist auch hier wieder mit seinen blonden Haaren der Exot im Dorf. Nach unserem recht umfangreichen Mahl gehen wir in Richtung „Hotel“ und uns fällt ein, dass es  in unserer Bucht keinen Strom gibt, kein Licht. Schnell kaufen wir eine Taschenlampe, die uns den Weg auf den Serpentinen erhellen soll. Auf halbem Weg können wir sie ausschalten, der Mond leuchtet plötzlich und er ist voll heute!  Bei unserem Quartier angekommen geht das Zähneputzen mit einem ausgespülten Joghurtbecher und einer Flasche Wasser schnell, wir pellen uns in die Schlafsäcke. Jeder Tag ist so voll von Neuem, dass wir jeden Abend todmüde sind. 
 
 
 
Es ist sieben Uhr, als die Sonne uns weckt und es ist so heiß im Schlafsack, dass wir aufstehen müssen und der erste Weg ist der ins Meer. Der frühe Morgen und der späte Nachmittag sind die schönsten Zeiten am Meer. Noch etwas verschlafen wandern wir die Serpentinen hoch nach Chora, um zu frühstücken. Ehe wir unseren üblichen Nescafé bestellen können, haben wir schon eine Schüssel frisch gepflückter Feigen auf dem Tisch – eine Gabe und ein Willkommensgruß für die Neuankömmlinge. Beim Frühstück sind wir uns dann einig: Hier wollen wir für ein paar Tage bleiben. Schinoussa bietet uns eine liebliche Landschaft mit für Kykladenverhältnisse viel Landwirtschaft, feine, fast menschenleere Strände – es ist alles nach unserem Geschmack. 
Wir gehen nach dem Frühstück los, um uns einige Eckchen der Insel anzusehen. Im Hafen schließlich finden wir einen Platz, der uns als recht optimal erscheint. Wir haben dort eine riesige Pinie entdeckt, etwa fünf Meter oberhalb des Meeres. 500 Meter weiter gibt es eine Zisterne, an der wir täglich duschen können und der Hafen bietet uns Angelmöglichkeiten. Auf dem Rückweg zu unserem Gepäck treffen wir einen Eseltreiber und wir fragen ihn, ob er uns beim „Umzug“ hilft. Für ein paar Drachmen willigt er ein und kommt mit drei seiner Esel zu unserem Lager. Eine lustige Karawane, die sich da den Berg hochschlängelt. Kai und Anke teilen sich einen Esel. Bei der wunderschönen Pinie angekommen, richten wir uns für ein paar Tage häuslich ein, bald gibt es Stufen, die es uns ermöglichen, bequem zum Wasser zu gehen, bald gibt es Kerzen in der Mauer hinter unserem Lager, die uns abends vor Mondaufgang Beleuchtung sein werden. Sogar einen großen Alutopf finden wir, in dem wir unsere T-Shirts waschen können. Für fünf Tage wollen wir hier bleiben…
 
Von Gudrun Messing
 
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