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Morgenwanderung nach Agia Katherini/Anopoli

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Morgenwanderung nach Agia Katherini/Anopoli

Um 4.30 Uhr klingelt der Wecker.

Ein heißer Tee mit Honig auf der Terrasse weckt unsere Lebensgeister. Noch schläft das Dorf, im Meer glitzern die Sterne. Tief atmen wir die warme Luft ein. Der frische Duft von Rosmarin, Salbei und Thymian vermischt sich mit altem Geruch von gebratenem Fisch, und Knoblauch aus den Tavernen am Meer. Noch vor wenigen Stunden saßen wir dort unten bei köstlichem weißen Hauswein und würzigem Essen, kräftesammelnd für unsere “Early Morning Wanderung“ hinauf zur etwa 700m hoch gelegenen Bergkapelle Agia Katherini.

Der erste heisere Schrei eines Hahnes ist das Signal zum Start. Auf geht`s! Die übliche Badekleidung haben mein Mann und ich heute ausgetauscht mit Wanderschuhen, Hirtenstab, einem gut gefüllten Rucksack und einer Taschenlampe. Bald finden wir den roten Markierungspunkt, der uns den Weg nach oben zeigen soll. Es ist noch dunkel, doch im Osten verfärbt sich der Himmel schon in ein dunkles Grau, das schnell heller wird und in ein zartes Blau übergeht. Dann eine grelle orangerote Schärpe, ein purpurner roter Horizont und die Sterne verschwinden wie ausgepustet von jedem neuen Kikeriki, das die Dorfhähne nacheinander anstimmen. Mit einem Schlag ist der Zauber der Nacht vorbei.  IMG 1517.jpgNEU

Es ist angenehm kühl und wir kommen zügig voran auf dem holprigen, steilen Eselspfad, der sich in engen Kehren und Schleifen zwischen stachligen Kräutern und duftendem Salbei den Berg hinaufwindet. Der rote Punkt ist hier überflüssig, denn eine andere Möglichkeit als bergauf oder bergab gibt es nicht. Seit hunderten von Jahren sind unzählige Eselshufe diesen Weg gelaufen, Lastenträger für die Menschen aus den Bergen, die ihre Früchte und Gemüse hinunter zu den kleinen Fischerbooten am Meer gebracht haben. Dafür bekamen sie Fische und andere Waren. Uralt die Steinstufen an besonders steilen Stellen, die kleinen Mauern, die dem Weg Halt geben im Geröll. Überall in den Bergen Kretas findet man diese Eselspfade.

Nur eine kurze Trink- und Verschnaufpause gönnen wir uns, denn wir wollen die kühle, sonnenlose Zeit für den Aufstieg nutzen. Inzwischen sind die Häuser unten im Dorf, schon von der Sonne angestrahlt, nur noch als weiße Schachteln zu erkennen. Auf dem Meer winzig klein die Fähre, die die ersten Wanderer zur nahen Samariaschlucht bringt, im Wasser eine Spur wie von einer Schnecke hinter sich herziehend.
Und dann hat die Sonne uns eingeholt! Wie angeknipst überflutet das helle, warme Licht unseren Weg, gibt den Steinen ein Grau, der Erde ein rotes Braun, auf der die dunkelgrünen Kräuter wachsen. Angeknipst auch das grelle Zirpen tausender von Zikaden, die ihren unermüdlichen flirrenden Gesang anstimmen. Mit dem Sonnenlicht ist schlagartig die Morgenfrische vorbei und schon nach wenigen Schritten fließt uns der Schweiß in Strömen am Körper hinunter. Nach einer allerletzten Kurve, markiert von einem kleinen Andachtshäuschen in dem ein Öllicht brennt, stehen wir auf dem Gipfelplateau mit der Kapelle, die der Heiligen Katharina geweiht ist.IMG 1517

Der 360° Rundumblick ist die Belohnung für unseren Frühsport: Das Meer, das sich sommerblau und unendlich weit ausdehnt, in der Ferne schemenhaft die langgestreckte Insel Gavdos. Hinter uns das helle Massiv der Levka Ori, der “Weißen Berge“ Kretas mit ihrem markanten höchsten Kegel, dem 2453 m hohen “Pachnes“, im Morgenlicht strahlend. Aus der grünen Hochebene davor begrüßen Hunde, Hähne und die munteren Glöckchen der Schafe den neuen Tag. Irgendwo schreit ein Esel….und über allem der wolkenlose Himmel, sich mit Meer und Bergen verbindend und uns das Gefühl gebend: Wir stehen auf der Weltkugel.

Lange sitzen wir auf zwei Holzstühlen vor der Kapelle, schauen, staunen. Auf einem blauen Tisch breiten wir unser Frühstück aus: Brot, Joghurt, Honig. Die Früchte hatten wir in unserem Zimmer liegengelassen. Mit einer Kerze bedanken wir uns vor der Ikone des heiligen Josef für diesen herrlichen Morgen.
Schließlich verlassen wir Agia Katharini und den Berg in nördlicher Richtung und folgen dem bequemen Weg ins Dorf. Der Duft reifer Feigen kitzelt uns in der Nase. Da steht auch schon eine Frau mit weißem Kopftuch unter ihrem Feigenbaum. „Kalimera, oriste“ strahlt sie uns an und streckt uns ihre mit lilablauen Feigen gefüllten Hände entgegen. Manche Früchte sind aufgeplatzt und glänzend tröpfelt der Sirup zwischen ihren Fingern. Unter ihrer Schürze zieht sie eine Plastiktüte hervor, in der sie die Feigen hineingibt. Sie stopft eine weitere Handvoll dazu und reicht sie uns lachend über den Zaun.
„Efcharisto poli!“ Dankbar und zutiefst berührt nehmen wir unsere Frühstücksfrüchte entgegen. Wir fühlen uns überreich beschenkt durch das Licht, die Berge, das Meer und vor allem von der Gastfreundschaft der Menschen, die Geschenke, mit denen uns Griechenland seit mehr als dreißig Jahren immer wieder neu verzaubert.IMG 1521.JPGNEU 

Hildegard Freisenhausen

Dieser Beitrag und die Fotos wurden uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Frau Hildegard Freisenhausen zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken!

 

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