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Über die Bilderbuchstadt Kavala bis nach Thassos

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Über die Bilderbuchstadt Kavala bis nach Thassos

Mai 1941. Es ist mitten im zweiten Weltkrieg, als ein deutscher Marinesoldat in Thessaloniki stationiert wird. Er spaziert mit seinen Kameraden den Niki Kai entlang, sieht wie griechische Männer ihre Zigaretten versteckt in ihren Manteltaschen drehen, in der Straßenbahn auf dem Weg zum Vadar Platz, setzen ihn Frauen in Erstaunen, die ihre Säuglinge während der Fahrt an die Brust legen und stillen.

Die Farbe des Himmels im Mai, die Wärme des Meeres und die Klarheit der Sonne, Gerüche und Menschen versetzen den 20-jährigen jungen Mann in eine andere, ihm bisher nicht gekannte Welt. In einen Brief, den er im Dezember 1942 an seine Mutter schickt legt er eine Schwarzweiß-Fotografie von ihm und schreibt auf die Rückseite : Wisst Ihr was Sonne ist ? Mittlerweile ist er in Kavala stationiert und hat den Ort Stavros und die Insel Thassos besucht.

1964, ich liege vor dem Plattenspieler und höre Musik. Weiße Rosen aus Athen, Ich bin ein Mädchen aus Piräus und ein Schiff wird kommen sind meine Lieblingslieder. Noch bevor ich zur Schule komme, kenne ich die Texte auswendig und trällere sie bei jeder Gelegenheit vor mich hin.

In einem geschenkten Bilderbuch sehe ich mir die weißen Häuser unter der strahlenden Sonne am blauen Meer an und träume mich in eine fremde Welt. Wir fahren in diesem Sommer wieder mit meiner Mutter zu einer Tante nach Büsum. Diesen Urlaub hat der Arzt verordnet, weil ich ständig unter Mandelentzündungen leide. Später finde ich in einer alten Zigarrenkiste die Fotos meines Vaters aus Griechenland, da kann ich schon lesen.

Ostbahnhof München, April 1981. Mein Gepäck besteht aus Badesachen und einigen wenigen Kleidungsstücken, verpackt in einem alten kleinen Armeerucksack. Mein Ziel ist Thessaloniki. Die Fahrt ist spannend und lang, der Zug ist 35 Stunden unterwegs. In meinem Abteil sitzt ein griechischer Mann, der von einer Pelzmesse in Frankfurt kommt. Es stellt sich heraus, dass er immer mit dem Zug unterwegs ist, weil er sich vor dem Fliegen fürchtet. Ein junger Grieche lebt eigentlich in Deutschland, muss aber nun in Griechenland den Militärdienst antreten. Er ist nicht sehr gesprächig, weil er nicht weiß, was ihn erwartet.

Das Youth Hotel in der Tsimiskis hat nur kaltes Wasser zum Duschen. Die Betten sind Etagenbetten und ich schlafe mit vielen internationalen jungen Leuten in einem Raum. Die Milch wird in Kilo angeboten und die Pfiffe der jungen Männer auf der Strasse sind mir fremd. Zum Glück habe ich von dem Pelzhändler eine Telefonnummer bekommen. Er holt mich ab und zeigt mir auf seiner Vespa die Stadt. Am Abend finde ich keinen Einlass mehr im Hotel und er bringt mich zu seiner Schwester, wo ich in der Küche auf einem Sofabett die Nacht verbringe. Am nächsten Morgen trifft sich die ganze Familie. Es ist Sonntag und wir fahren alle gemeinsam, die Schwester hat 2 kleine Kinder im Alter von 5 und 7 Jahren nach Panorama, genießen die Aussicht und dann geht es in eine Militärkaserne am Strand zum Mittagessen. Der Mann der Schwester ist Offizier.

Da ich nicht viel Geld dabei habe, trampe ich am Montag weiter. Eine Limousine verfolgt mich auf dem Weg raus aus der Stadt. Der Fahrer will mich unbedingt nach Serres mitnehmen. Aber da will ich nicht hin. Es kostet mich viel Mühe ihn abzuschütteln und so nehme ich den nächsten LKW der hält, denn der will nach Alexandropolis und da liegt die Insel Thassos auf der Strecke. Dankbar steige ich ein und eine abenteuerliche Fahrt beginnt durch Makedonien. Wir nehmen überall Altmetall auf und der Fahrer verkauft das dann in der Stadt nahe der türkischen Grenze.

Als wir in Kavala ankommen , erkenne ich meine Bilderbuchstadt. Fast am Ziel, lasse ich mich überreden noch bis zum nächsten kleinen Hafen, Keramoti mitzukommen und von dort aus überzusetzen zur Insel Thassos. Der Fahrer hat in Limenas Verwandte und gibt mir einen Brief für diese mit. Dort könne ich auch ein günstiges Zimmer bekommen. Die Nacht ist hereingebrochen. Nach einem Abendessen in einer Fischtaverne übernachten wir im LKW und ich kann die erste Fähre am nächsten morgen nach Thassos nehmen. Der Agios Nikolaos, so der Name der Fähre bringt mich nach Limenas. Dort begebe ich mich sofort auf die Suche nach der Verwandtschaft des LKW Fahrers und miete mich dort ein. Durch den Brief werde ich herzlich aufgenommen und kann sofort duschen, diesmal mit warmem Wasser.

Der Mann meiner Zimmerwirtin führt mich durch die Stadt. Er bietet mir an, in seiner kleinen Taverne am Rande des Ortes am Wochenende auszuhelfen. Das könnte meine finanzielle Lage verbessern. Am pittoresken alten Fischerhafen rasten wir auf einen Kaffee in einem kleinen Kafenion unter riesigen, schattenspendenden Platanen. Zwei junge Männer spielen dort Karten. Einer der beiden ist mein heutiger Ehemann.

Wir haben im Juli 1982 geheiratet. Unsere drei Kinder leben mittlerweile in Griechenland und Deutschland und wir sind glücklich mit unseren 2 Enkelkindern.

Mastrandreou

Dieser Beitrag sowie die Fotos wurden uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Frau Mastrandreou aus Griechenland zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken!

janis2

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