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Proteste in Griechenland für Haftinsassen im Hungerstreik Tagesthema

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Proteste in Griechenland für Haftinsassen im Hungerstreik

Ein etwa 20-jähriger Haftinsasse führt in Griechenland seit über drei Wochen einen Hungerstreik durch. Einfordern will er damit das Recht auf ein Studium während der Haft. Heute wurde der Antrag des 20-jährigen abgelehnt, es kommt erneut zu Protesten.


Am Dienstag wurden in Athen und anderen Städten Griechenlands friedliche Solidaritätsproteste für Nikos Romanos durchgeführt, der vor 24 Tagen in den Hungerstreik getreten ist.

Daran haben sich etwa 10.000 Menschen beteiligt. Ab 22.00 Uhr ist es in Athen im Anschluss zu Auseinandersetzungen zwischen vermummten Chaoten und der Polizei gekommen. Mindestens zehn Pkw’s wurden beschädigt. Mehrere Fahrzeuge und Müllcontainer brannten aus. Unbekannte hatten zudem in einen Stadtbus Brandbomben („Molotowcocktails“) geworfen, wodurch der Bus in Flammen aufging und vollständig ausbrannte. Beschädigt wurde auch die Fassade einer Bankfiliale. Die Polizei hat mindestens 20 Personen festgenommen.  

Recht aufs Studieren
Der inhaftierte Romanos weigert sich seit dem 10. November jegliche Nahrung zu sich zu nehmen. Damit will er das Recht auf ein Studium durchsetzen. Im vergangenen Frühling hatte er die Aufnahmeprüfungen (Panellinies Exetasis – „Panhellenische Prüfungen“, die in etwa den Abiturprüfungen entsprechen) aus der Haftanstalt heraus bestanden und wurde an einer Athener Hochschule aufgenommen. Das eigentliche Studium im Fachbereich Unternehmensführung wird ihm nun verweigert. Am heutigen Mittwochmittag lehnte das zuständige Gericht in Piräus den Studienantrag ab. Als Protest gegen dieses Urteil findet heute Abend vor dem Krankenhaus, wo der 20-jährige infolge des Hungerstreiks liegt, eine weitere Protestkundgebung statt. Als Zeichen der Solidarität besetzten Studenten der Aristoteles Universität Thessaloniki das Rektorat, symbolisch besetzten Bürger auch das Rathaus von Iraklion auf Kreta.
Verurteilt worden war Romanos im Oktober wegen eines doppelten bewaffneten Raubüberfalls zu einer Haftstrafe von 15 Jahren und 11 Monaten. Vom Verdacht der Beteiligung an einer terroristischen Organisation wurden er und weitere fünf Mittäter bei der damaligen Verhandlung freigesprochen. Allerdings müssen noch zwei andere Gerichte über den Terrorvorwurf befinden. Gerichtsbeobachter gehen allerdings davon aus, dass auf Grundlage des ersten Urteils vom Oktober mit weiteren Freisprüchen zu rechnen sein dürfte.

Ringen um Lösung
Was Polizei und Strafvollzug betriff, so wird dort für den Fall eines Bildungsurlaubs vor allem das Argument vorgebracht, dass der berüchtigte Terrorist Christodoulos Xiros Anfang des Jahres aus seinem Hafturlaub nicht zurückgekehrt war. Er tauchte ab und befindet sich seither im Untergrund; die Ordnungshüter rechnen damit, dass er weitere Anschläge plant.
Am Dienstag hatte sich Vizeregierungschef Evangelos Venizelos mit Bildungsminister Andreas Loverdos und Justizminister Charalambos Athanasiou getroffen, um generell die Frage eines Studiums von Haftinsassen und einer eventuell damit verbundenen Gefahr für die öffentliche Ordnung zu erörtern. Zur Sprache kam eine Gesetzesänderung, durch die ein Studium für Strafvollzugsinsassen geregelt bzw. vereinfacht werden soll. Geprüft werden soll etwa, ob dies per Tele- oder Videokonferenz möglich ist. Weiterhin wird die Möglichkeit ins Auge gefasst, dass sich Gefangene unter Polizeiaufsicht an den Prüfungen der Universitäten beteiligen können, oder dass die Prüfer direkt in die Haftanstalten kommen.

Erinnerungen an 2008
In einer Pressekonferenz hat der Vater von Romanos am Dienstag vom „Recht auf Bildung“ gesprochen. Dies müsse gewährleistet werden, „egal was auch immer passiert“. Weiterhin erklärte er, dass das Leben seines Sohnes „an einem (seidenen) Faden“ hänge. Außer Romanos sind drei weitere Strafvollzugsinsassen im Hungerstreik, die das gleiche Anliegen verfolgen.
Der Fall Nikos Romanos ist zweifellos ein Fall, von dem eine große Symbolwirkung ausgeht. Der junge Mann war Augenzeuge, als sein bester Freund Alexis Grigoropoulos am 6. Dezember 2008 im Alter von 15 Jahren durch einen Schuss aus einer Polizeiwaffe ums Leben kam. Tatzeugen erklärten, Grigoropoulos sei regelrecht in den Armen von Romanos verstorben, außerdem hätte die tödliche Kugel auch ihn treffen können. Daraufhin kam es im Zentrum der griechischen Hauptstadt zu zahlreichen Protestkundgebungen, die zum Teil mit Ausschreitungen eskalierten.
Diese Proteste und die Ermordung von Grigoropoulos sorgten damals weltweit für Schlagzeilen. Auch dieses Jahr wird landesweit am 6. Dezember des Todes des 15-Jährigen gedacht.

Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi

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