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Allein auf der Akropolis

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Allein auf der Akropolis

Während unseres fünfjährigen Aufenthalts in Thessaloniki – mein Mann war Lehrer an der deutschen Schule – fuhren wir in den Weihnachtsferien 1968 zum ersten Mal nach Athen. Unserem vierjährigen Sohn Manuel hatten wir von der Bedeutung und dem Alter der Akropolis ein wenig erzählt. Wir bezogen unser Hotelzimmer am Fuß der Plaka, und – o Wunder – vom Fenster ging der Blick direkt auf die Akropolis. Der Mittagsschlaf der kleinen Schwester musste abgewartet werden, aber dann gab Manuel keine Ruhe mehr: er wollte auf die Akropolis.

Wir stapften mit Babytrage auf dem Rücken, Manuel immer voraus, den Berg hinauf. Als wir den Eingang erreichten war es etwa 16 Uhr. Kein Tourist war zu sehen. Die Wärter saßen zu einem Schwatz beisammen, und als sie hörten, dass wir die Akropolis besichtigen wollten, bekamen wir die bedauernde Auskunft, dass gerade geschlossen würde, es sei ja Winterzeit. Manuel brach bei der Nachricht in hemmungsloses Weinen aus. Seine Enttäuschung war riesig. Natürlich erkundigten sich die Wärter sofort, was o mikros (der kleine) denn habe, und wir erklärten es ihnen. Sie konnten kaum glauben, was sie da hörten. To Germanaki (das deutsche Kind) weinte, weil er nicht auf die Akropolis durfte, und die griechischen Kinder... Sie beratschlagten kurz und machten uns dann einen tollen Vorschlag, wie es ihn vielleicht nur in Griechenland geben konnte: ein Wärter würde mit Manuel die Akropolis besichtigen, während wir draußen warten sollten, denn sie dürften uns nicht hinein lassen. Unser Sohn, des Griechischen überhaupt nicht mächtig, nahm voll Vertrauen die Hand eines Wärters und marschierte mit ihm los. Wir bekamen zwei Stühle vor den Eingang gestellt und wurden mit smalltalk unterhalten. So kam es , dass Manuel ganz allein die Akropolis besichtigen durfte – hinterher erzählte er, dass der Mann die vielen Trümmer immer mit „Krieg“ erklärt habe, ein Wort, das er wohl kannte.
Leider erinnert sich unser Sohn gar nicht mehr an diese besondere Besichtigung, aber seiner Liebe zu den „griechischen Trümmern“ ist er treu geblieben.

Braun

Dieser Beitrag und das Foto wurden uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Frau Braun zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken!

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