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Agapi mou, agapi mou oder die Geschichte einer großen Liebe

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Agapi mou, agapi mou oder die Geschichte einer großen Liebe

Agapi mou, agapi mou tönt aus dem Autoradio die wundervolle Stimme von Haris Alexiou. Links neben mir die Ostsee, umhüllt von dicken Wolken. Alles Grau in Grau. Kein Funkeln auf dem Meer, kein Glitzern der Sonnenstrahlen auf der spiegelglatten See. Um diese Zeit, die letzten Wochen im Oktober, bin ich normalerweise in Griechenland, tanke noch mal Sonne, fülle meine Seele mit Glücksmomenten, die nur meine griechische Heimat mir bieten kann. Aber in diesem Jahr hat es nur für die kleine Schwester, die Ostsee, gereicht.

Heute Vormittag las ich den Aufruf der Griechenland Zeitung zum Schreiben einer Geschichte. Mit Geschichten über Hellas könnte ich ein ganzes Buch füllen, dachte ich sofort. Aber womit fängt man an? So wie andere Menschen Briefmarken, Münzen oder Trophäen aller Art sammeln, trage ich Inseln zusammen. Griechische Inseln, versteht sich. Ich sammle sie nicht, um auf ihre Anzahl stolz zu sein. Ich sammle die unverwechselbaren Landschaften, wundervolle Menschen und Erlebnisse, die mit ihnen verbunden sind. Ich lege sie ab in meinem Gedächtnis und in meinem Herzen.20151027 142231

Agapi mou, agapi mou, tönt es immer noch aus dem Radio. All meine Liebe zu Griechenland teilte ich mit einem Menschen, der genauso denkt und fühlt wie ich, der die Begeisterung für die griechische Kultur mit mir gemeinsam lebte, mit meinem Ehemann, besten Freund und Helfer in allen Lebenslagen.
Unsere erste Reise nach Hellas, 1993, führte uns nach Kreta. Die kurzfristig gebuchte Reise wurde wenige Stunden später wieder vom Reisebüro storniert. Überbuchung, wollen Sie vielleicht lieber nach Tunesien? Wir wollten nicht. Und siehe da, einen Tag später kam doch noch eine Zusage. Kreta legte sozusagen das Fundament einer langen, großen Liebe und Leidenschaft, nicht nur dem Land gegenüber sondern auch für unsere Partnerschaft.

Spiros, Kellner in einer kretischen Taverne, brachte uns täglich die griechischen Gepflogenheiten ein Stück näher. Seine humorvolle, unbeschwerte Art ist mir noch heute gut im Gedächtnis.
So folgte Reise für Reise, erst einmal im Jahr, später zweimal und wenn es irgendwie möglich war auch öfter. Immer, wenn wir aus dem Flugzeug stiegen oder von der Fähre fuhren, umströmte uns das wohlige Gefühl, wieder zu Hause zu sein, geblendet von einem Übermaß an Sonne und Licht. Unbeschwerte Wochen lagen dann vor uns, in denen wir die Seele baumeln ließen und das Siga-Siga-Gefühl genießen konnten. Tage, in denen die Uhren einfach langsamer tickten.20151027 142813

Im Laufe der Jahre lernten wir ein wenig die griechische Sprache und Tänze, was uns immer wieder Türen und Herzen öffnete. Ich erinnere mich noch gut an eine alte, ganz in Schwarz gekleidete Frau in einem griechischen Bergdorf, zerbrechlich und mit einer Haut wie Pergament, jedoch mit wachen, freundlichen Augen. Als wir mit wenigen griechischen Worten die Schönheit ihres Dorfes lobten, segnete sie uns und wünschte uns alles Glück auf dieser Welt. Lange haben sich ihre guten Wünsche bewahrheitet. Viele kleine Begebenheiten sind mir im Gedächtnis geblieben. Ich denke da an den schlitzohrigen Nikos aus Rhodos, Taxifahrer und Cafebesitzer, der einmal im Vierteljahr eine Kiste Whisky auf die Polizeistation brachte, damit die Geschäfte gut liefen. Der die deutschen Frauen in seinem Cafe charmant mit Komplimenten überhäufte, wie nur Südländer es können und gleichzeitig deren Männer für handwerkliche Arbeiten in seinem Cafe einspannte. Der auf seinen Taxifahrten unerfahrenen Touristen mit Hinweis auf die vielerorts zu sehenden Bienenkästen augenzwinkernd weismachte, dass in Griechenland die bösen Schwiegermütter senkrecht in der Erde begraben werden und der Kopf immer noch herausschaut…

Ich erinnere mich an Spiridula, Mutter eines guten griechischen Freundes, der hier in Deutschland lebte und ein Restaurant betrieb, das wir wöchentlich zum Essen, Plaudern und Tanzen besuchten. Sie lebte in Acheroussia, einem kleinen Dorf im Epirus. Ihre Gastfreundschaft trotz bitterer Armut und die Herzlichkeit fremden Menschen gegenüber, die lediglich ihren Sohn kennen findet hier nicht Seinesgleichen.20151027 142725

Viele Menschen und Begegnungen könnte ich noch aufzählen. Unheimlich wie auf Karpathos im Bergdorf Olympos eine traditionell gekleidete junge Frau uns Dinge aus unserem Leben erzählte, die sie nicht hätte wissen können. Belustigt, als Yannis in Papingo uns erzählte, wie sie in den 80er Jahren Fördergelder für die Schafzucht erschwindelten, indem sie eine Schafherde bei Bedarf und angekündigter Kontrolle von Ort zu Ort trieben und so mehrfach abkassierten. Bewegt und dankbar, als nach einem Sturz auf holpriger Straße eine völlig fremde Familie mich in ihr Wohnzimmer bat, den geschwollenen Fuß mit Eiswürfeln versorgte, Getränke und Süßigkeiten hinstellte und meinte, wenn ich mich genug ausgeruht hätte, sollte ich die Tür einfach hinter mir zuziehen, sie müssten jetzt zur Arbeit. Stolz, als wir auf Syros in einer kleinen unscheinbaren Taverne mit ausschließlich griechischen Gästen den Hassapikos zur Inselhymne Frangosyriani tanzten und am nächsten Tag beim abendlichen Spaziergang immer wieder zu einem Ouzaki eingeladen wurden.

Viele schöne Begebenheiten hätten noch folgen können. Vor einem guten Jahr jedoch hat mein Mann mich für immer verlassen. Was mir bleibt, sind wundervolle Erinnerungen an eine gemeinsame Zeit, immer begleitet von griechischen Landschaften, Menschen, Lebensfreude und Tanz. Was mir auch bleibt, ist meine Liebe zu Griechenland. Manche Orte werde ich nie wieder besuchen können, zu schmerzlich wären die Erinnerungen.
Agapi mou, agapi mou.

Kerstin Schneider

Dieser Beitrag und die Fotos wurden uns im Rahmen unseres Leserwettbewerbes zum zehnjährigen Jubiläum der Griechenland Zeitung von Frau Kerstin Schneider zugeschickt. Wir möchten uns dafür ganz herzlich bedanken!

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