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Die Liberalisierung des Sonntagshandels in Griechenland

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Unser Archivfoto © Jan Hübel wurde in Athen aufgenommen. Unser Archivfoto © Jan Hübel wurde in Athen aufgenommen.
Wenn in der Politik Pakete geschnürt werden, kann es beim Auspacken Überraschungen geben. Solch unerwartete „Geschenke“ beinhaltet auch das jüngste Spar- und Reformpaket, das begleitet von heftigen Demonstrationen am 18. Mai 2017 vom griechischen Parlament verabschiedet wurde.
 
Bislang in den deutschen Medien kaum erwähnt, in Griechenland jedoch viel diskutiert wurde die mit dem Sparpaket beschlossene Liberalisierung der Sonntagsöffnungszeiten. Der Leitartikel der Griechenland Zeitung vom 10. Mai thematisiert die jüngste Forderung der Gläubiger, an 32 Sonntagen statt bisher an acht Sonntagen Läden und Supermärkte zu öffnen. Dass weitere Kredite mit dieser Auflage verbunden wurden, wird in Griechenland als fragwürdige Fremdbestimmung politischer Belange empfunden. Zu der Sitzung des Parlaments am 18. Mai wurde die Entscheidung modifiziert, begünstigt durch das Urteil des höchsten Verwaltungsgerichts Griechenlands. Dieses hatte im Januar 2017 die Forderung, den Einzelhandel generell sonntags zu öffnen, für verfassungswidrig erklärt. Besonders multinationale Konzerne und IWF sollen sich für eine universale Sonntagsöffnung stark gemacht haben.
Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertreter dagegen verwiesen bei der Diskussion darauf, dass die Angestellten der Unternehmen die Leidtragenden seien. Bei 80 Prozent von Ihnen würde die Sonntagsarbeit offiziell nur mit drei oder vier Stunden veranschlagt; in Wahrheit aber müssten sie dann acht oder zehn Stunden arbeiten und zwar ohne zusätzliche Vergütung. Letztlich wurde auch argumentiert, dass der Nutzen einer solchen Anordnung für die wirtschaftliche Entwicklung nicht erkennbar sei und der Marktanteil der Großunternehmen gegenüber den griechischen Kleinunternehmern weiter begünstigt würde.
Dass eine stufenweise Erweiterung des Sonntagshandels bereits 2015 eine Forderung der Gläubiger war, belegt die Grundsatzvereinbarung vom 8.7.2015, das „Memorandum of understanding“ zwischen der griechischen Regierung und den Geldgebern, an dem die Bundesregierung beteiligt war.
Es wäre durchaus bemerkenswert, wenn die Geldgeberstaaten hier die Sonntagsöffnung in Griechenland zur Auflage von weiteren Krediten gemacht hätten, zumal die deutsche Politik sich zuletzt 2009 weitgehend hinter den Sonntagsschutz gestellt hat. Dieses würde auch die Frage aufwerfen, ob auch in Deutschland bei der nächsten Rezession die Kämpfe um den freien Sonntag erneut geführt werden müssten. Nachdenklich macht, dass bei der Debatte in Griechenland das Recht der Christinnen und Christen zum Kirchgang als Argument kaum angeführt wurde. Auch die orthodoxe Kirchenleitung Griechenlands, die sich im Kampf um den Religionsunterricht mit der griechischen Regierung verausgabt zu haben scheint, schwieg – mit Ausnahme einiger Metropoliten – zuletzt zu diesem Thema.
Im Lukasevangelium spricht Jesus im Kontext des Vaterunsers an, dass jeder Bitte der Hoffnung auf Erfüllung die Furcht einer vernichtenden Demütigung gegenübersteht. Wir erbitten einen Fisch und befürchten, eine Schlange zu bekommen. Wir erbitten ein Ei und befürchten, einen Skorpion zu erhalten (Lk 11,11ff.). Im Falle der Kreditvergabe an Griechenland durch die Institutionen IWF, EZB und Europäische Kommission schafft die Vielzahl an Auflagen und Sparmaßnahmen ohne die versprochenen wirtschaftlichen Investitionen und ohne Schuldenerleichterungen zusätzliches Misstrauen. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Für Hoffnung auf eine Besserung der wirtschaftlichen Situation der Menschen in Griechenland sorgen jedenfalls weder die 15. Rentenkürzung seit 2010 noch die Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt, noch der Sonntagshandel.
 
Constantin Gröhn, Pastor in St. Johannis-Harvestehude in Hamburg
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