Es ist Zwei nach Acht als ich auf die Anzeigetafel der Athener Metro starre und schlucke. Nächste Bahn nach Piräus in 15 Minuten. Meine Fähre nach Agistri? Die legt um 8.30 Uhr ab. Eigentlich bin ich pünktlich – sechs Minuten vor der geplanten Abfahrtszeit meiner Bahn. Doch die Realität in Athen, vor allem im August, ist oft eine andere.
Busse und Bahnen kommen, wann sie wollen und meine – so hat es zumindest den Anschein – kam heute deutlich früher. Na ja, alles was schief gehen kann, geht eben schief: Murphys Gesetz.
Von meinem Ziel lasse ich mich trotzdem nicht abbringen: Ein Wochenendausflug mit meiner Kollegin Line auf die kleine Insel Agistri im Saronischen Golf. Ein bisschen Sonne, ein bisschen Meer. Wir hatten getrennt gebucht, wollten uns vor Ort treffen. Entspannt wollte ich mit der Fähre übersetzen – stattdessen renne ich nun gegen die Zeit.
Sprint durch das Hafenlabyrinth
8.26 Uhr. Die Metro rollt in Piräus auf dem S-Bahnhof ein. Ich nehme die Beine in die Hand und hetze durch das Hafenlabyrinth in Richtung Gate 8. Meine Fähre ist klein und rot – das weiß ich. Gate 8 hingegen ist riesig und voll mit Schiffen. Ich erspähe eine kleine rote Fähre und renne los. Falsches Schiff. Ein Kapitän sieht mich und deutet in die andere Richtung. Ich drehe mich um – bereit weiter zu laufen – und sehe wie meine Fähre gerade ablegt.
Stillstand. Und dann: Wut, Enttäuschung, Resignation. Doch mein Pech endet hier noch lange nicht. Am Handy versuche ich, eine neue Verbindung zu buchen. Der Browser weigert sich hartnäckig, die Seite zu übersetzen, mein Frustpegel steigt. Schließlich gelingt die Buchung irgendwie – für die nächste Fähre, die allerdings erst um 11:30 Uhr ablegen soll: drei Stunden Wartezeit.
Nochmal passiert mir das nicht!
Zum Zeitvertreib laufe ich durch das Hafenviertel. Um 10.55 Uhr stelle ich mich sicherheitshalber wieder an das Gate. Nochmal passiert mir das nicht.
11.15 Uhr. Die Fähre läuft ein, ich will an Board – doch die Kontrolleurin schaut mir mit einem tiefen Blick ins Gesicht und kommentiert: „Das Ticket ist aber erst für morgen!“ Dieser Satz fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht, ich hatte das falsche Datum ausgewählt. Irgendetwas – so scheint es – will mich nicht auf die Insel Agistri lassen.
In Windeseile renne ich zum Infoschalter, schildere der Mitarbeiterin meine Lage, mittlerweile den Tränen nah. Sie hört zu, nickt mitfühlend – aber die Antwort, die ich bekomme, ist letztlich nur ein weiteres Nein. Die Fähre sei voll, keine Umbuchung möglich. Mein letzter Ausweg: ich frage nach einer anderen Verbindung nach Agistri. Sie zeigt auf eine riesige Fähre: „Da könnten Sie es noch schaffen. Tickets dafür gibt’s aber nur an einem anderen Schalter – weiter hinten.“
Entspannung beim Anblick der Wellen
Wieder renne ich los – in Gedanken erinnere ich mich an den Film „Lola rennt“. Am Ticketschalter angekommen, verschwitzt wie ich bin, wiederhole ich meine Geschichte, meine Stimme ist brüchig. Die Mitarbeiterin dort ist freundlich, beruhigt mich und stellt ein Ticket aus. Ich schaffe es Bord, aber meine Nerven liegen blank. Ich atme tief durch. Die Fähre ist gut gefüllt, der Fahrtwind frisch. Endlich bin ich unterwegs – und entspanne mich in Anblick der Wellen, der Möwen und des weiten Horizonts.
Hinter der Reling kann ich eine Insel erkennen, dann die Durchsage: „Gleich erreichen wir den Hafen von Aegina.“ Mein Herz rast. Was? Aegina? Ich wollte doch nach Agistri! Ich laufe unter Deck und zum Restaurant, dass ich beim Einsteigen gesehen habe. Nervös trete ich an das Crewmitglied hinter dem Tresen ran und frage, ob ich auf dem falschen Schiff bin. Er winkt ab, lächelt. „Zwischenstopp in Aegina – dann Agistri.“ Ich atme aus. Erleichterung. Zum ersten Mal an diesem Tag.
Am Hafen wartet bereits meine Kollegin Line. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu einem recht abgelegenen Strand, den wir über Google Maps gefunden hatten.
Wer glaubt, dass ich übertreibe?
Der Weg dorthin ist alles andere als gewöhnlich: Wir passieren ein „Betreten auf eigene Gefahr“-Schild, folgen einem schmalen Pfad durch den Wald, bis wir schließlich an einer Klippe stehen. Der Blick hinunter, ein atemberaubender Moment: kristallklares, türkisblaues Wasser, umschlossen von Felsen und ein heller Steinstrand. Allerdings müssen wir hinunter klettern um das Wasser zu erreichen. Vorsichtig, aber entschlossen machen wir uns auf den Weg nach unten.
Aber eins kann ich allen versichern: Gelohnt hat sich der Weg alle mal. Auf einmal waren meine Strapazen vom Vormittag wie weggespült. Ihr glaubt ich übertreibe? Wie schön es wirklich war, das seht ihr in unserem Video auf Social-Media!
(Griechenland Zeitung / Janrike Winter)
