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Zwei unscheinbare Kirchen

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Zwei unscheinbare Kirchen

Als Tourist wird man von den Reiseführern über bekannte Kirchen wie z.B. die Mitropolis-Kathedrale, die Kapnikarea oder die Theodoren-Kirche erfahren. Nur am Rande hingegen (wenn überhaupt) werden so manche kleinere Kapellen erwähnt, die dennoch viel mit der Geschichte Athens zu tun haben und auch durchaus sehenswert sind.

Wenn Sie vom zentralen Syntagma-Platz (Parlament, Evzonen-Wache) die Mitropoleos Str. hinunter gehen, werden Sie, schon vor der großen Kathedrale, eine kleine Kapelle auf der linken Seite ausmachen. Sie ist in den (gräßlichen) Bau des Ministeriums für Kultus und Religion einverleibt und irgendein Farbenblinder ordnete vor paar Jahren ihre Bemalung mit einer grauenvollen dunkel-lila Farbe an und zerstörte damit das klassische hellbraune Äußere der kleinen Basilika aus dem 17. Jh. Es handelt sich um Agia Dynamis (Heilige Kraft) und im inneren kann man noch Reste eines Freskos der Agia Filothei, der Stadt-Patronin, entdecken. Das besondere an dieser Kirche ist die Rolle, die sie während der Revolution gespielt hatte.

Der türkische Voivode (Stadtverwalter von 1772-1796) Hadji Ali Haseki, der die Stadt übelst tyrannisiert hatte, vergab den Möchen des Klosters Penteli eine Lizenz zur Herszellung von Munition für den Bedarf der türkischen Garnison auf der Akropolis. Agia Dynamis gehörte zum Kloster Penteli und sie wurde damals umfunktioniert in eine Munitionsfabrik, wo der Munitionsmeister Mastropavlis tagsüber für die Türken arbeitete. Nachts aber ging die Arbeit geheim weiter und die dann hergestellte Munition wurde über einen Geheimgang in das damals direkt angrenzende Gebäude auf der hinteren Seite der Kirche verschafft. Eine alte Frau, Manolaina Biniari, versteckte die Munition in Spezialtaschen in ihrem Rock und brachte sie zu den Ufern von Fluß Ilisos hinter dem Zeus-Tempel, wo Widerstandskämpfer auf sie warteten und die Ladung übernahmen. Von dort aus wurde sie nach Menidi, einem Dorf am Fuß des Parnes Berges gebracht und gelagert. Mit Hilfe dieser Munition gelang es dann auch Athen während der Revolution zu befreien. Schwangere Frauen kommen traditionell in diese Kirche, um für eine gute Geburt an die "Heilige Kraft" Marias zu beten.

Die zweite Kapelle, Agios Ioannis stin Kolona (Heiliger Johannes an der Säule), finden Sie, wenn Sie die Mitropoleos Str. weiter bis zum Monastiraki-Platz gehen (dort wo die hervorragenden Souvlakia-Tavernen sind) und dann nach rechts in die große Athinas Str. einbiegen. Genau an der Ecke wo die Markthallen beginnen, kreuzt die Evripidou Str. (Euripides) und sie gehen dieselbe links hinab. Es gibt sowieso genug volkstümliches dort zu sehen, Käsereien, Gewürze-Handlungen, kleinere Verkaufsläden, richtig ein Paradies für Motiv-Jäger! Aber etwas weiter unten kommen Sie an einem vergitterten Hof vorbei, darin die Kapelle zu sehen ist.

Der Name ist leicht zu verstehen, die Kapelle wurde um eine römische Säule mit korinthischem Kapitel gebaut, die aus ihrem Dach hinausragt. Sie soll übrigens auf den Fundamenten einer älteren Heilstätte gebaut sein, eine Praxis, die nach der Christianisierung allgemein üblich war. Die Kapelle ist Johannes dem Täufer gewidmet, aber nach den lokalen Geschichten handelte es sich vielmehr um einen Asketen mit diesem Namen, der die Fähigkeit der geistigen Heilung von Fiebern diverser Art besaß. Als er im Sterben lag, versprach er, wenn ein Kranker zu seiner Kirche kommt und einen Faden mit der Farbe seiner Krankheit an die Säule anheftet, ihn davon zu heilen. Dabei muß er die Worte sagen: "Heiliger Johannes, ich binde meine Krankheit an die Säule"!

Diese Praxis ist durchaus noch heute üblich und man findet die Säule mit Fäden, Stofflappen und Votiv-Täfelchen belegt, die daran mit Wachs angeklebt sind. Nach dem allgemeinen Glauben steht weiß für Malaria, rot für Masern, gelb für Fieber unbestimmter Ursache. Und auch als eine Art Orakel wurde diese Säule benutzt: Der Kranke drückte eine Silberdrachme fest an die Säule. Blieb die Drachme etwas heften, dann würde er genesen, fiel sie aber gleich runter, dann war sein Fall unheilbar!

Und damit haben Sie auch einen kleinen Einblick in das Kapitel "Glaube und Aberglaube", das nach wie vor eine bedeutende Rolle in Griechenland spielt.

Atheneus

Foto: © Griechenland Zeitung / Rebecca Hürter

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