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Die „unerwartete“ Egialia (Teil 1): Ganz nahe an der versunkenen Stadt Hellike

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Die „unerwartete“ Egialia (Teil 1): Ganz nahe an der versunkenen Stadt Hellike

An der Region Egialia auf der Nordpeloponnes fahren fast alle Touristen einfach vorbei. Sie bietet aber den Besuchern Einiges und ist mit ihrem Zentrum, der Stadt Egio, idealer Ausgangspunkt für Ausflüge zum Meer und in die Berge. Viele Gebäude von Egio tragen übrigens die Handschrift des sächsischen Architekten Ernst Ziller (1837-1923).

Die Straße von Korinth nach Patras gilt gemeinhin nicht als sonderlich reizvoll. Touristen sehen zu, die seit Jahren von permanenten Baustellen übersäte und noch dazu gefährlichste Straße Griechenlands – an der seit Jahren gebaut wird, und die eventuell bis Ende 2015 fertig gestellt sein soll – so schnell wie möglich unfallfrei hinter sich zu bringen.

Reiseführer tun ihr Übriges. Hinweise wie dieser: „Egio lohnt nur dann einen Abstecher, wenn man von hier mit der Fähre nach Agios Nikolaos auf das Festland übersetzen will ...”, verleiten nicht gerade dazu, dort wirklich Station zu machen. Da nun auch noch seit Mai 2011 der Hafen von Egio ausgebaut wird und die Fährverbindung bis etwa Ende 2013 unterbrochen ist, kommen Touristen auch rein zufällig kaum auf die Idee, die Stadt zu erkunden. Um es kurz zu machen, es lohnt sich trotzdem.
Wir waren privilegiert, ein Freund hatte uns empfohlen, Kontakt mit Leonidas Mavroudis, einem Bauingenieur und Kommunalpolitiker, aufzunehmen. Von ihm erfahren wir viele interessante Dinge, unter anderem, dass sich Egio in den letzten 20 Jahren – seit der Aufhebung des griechischen Importverbots für Bananen – zum Bananen-Umschlaghafen Nr. 1 in Griechenland entwickelt hat.
Schon vor 150 Jahren war Egio der größte griechische Exporthafen für Rosinen. Die süßen Korinthen und Sultaninen waren so begehrt, dass schon gleich nach der Ernte mehrere Schiffe auf Reede lagen und darauf warteten, bis die insbesondere in England und Deutschland heiß begehrten Rosinen endlich in den Lagerhäusern am Hafen eintrafen und verladen werden konnten. Den Rosinenexport gibt es immer noch, er hat in den letzten Jahren sogar wieder deutlich zugenommen. Die schönen alten Lagerhäuser wurden durch Neubauten außerhalb der Stadt ersetzt, zum Glück die alten vor dem Verfall gerettet, sie bieten heute viel Raum für angesagte Discos, Nachtbars, Restaurants, Läden aller Art.P1120296 Individuell

An der berühmten Platane des Pausanias

Leonidas sprudelt vor Informationen, schleppt uns sogleich zum Bürgermeister der Stadt, Stathis Theodorakopoulos, der uns mitten in einer Besprechung empfängt und etwas von den touristischen Highlights der Egialia vorschwärmt. Und der Mann hat Recht. Die berühmte Pausanias-Platane am Hafen ist da nur eine von vielen Attraktionen. Sie soll schon dort gestanden haben, als der erste Reiseschriftsteller im 2. Jahrhundert die Gegend bereiste und die Platane erwähnte. Zeugen gibt es dafür nicht, aber der Baum ist wirklich sensationell, und da soll es uns auf ein paar Jahrhunderte auch nicht ankommen. Um die Ecke sprudelt aus zwölf Löwenköpfen frisches Wasser. In vergangenen Zeiten war dies eines der gesellschaftlichen Zentren, hier wurde frisches Wasser geholt und Wäsche gewaschen, hier traf man sich auf ein Schwätzchen oder um Geschäfte zu machen.
Egio zerfällt in zwei Teile – die Unterstadt und die Oberstadt. Fährt man vom Hafen aus die Odos Michalopoulou – eine Straße mit mehr als 100-jährigem Pflaster (die Straßenschäden wurden erst durch neuzeitliche Arbeiten verursacht!) – hinauf in die Oberstadt, kommt man direkt zum Archäologischen Museum. Es wurde in der früheren Markthalle eingerichtet, verfügt über einen schönen Mehrzwecksaal, der für Veranstaltungen genutzt werden kann. P1120303 Individuell
Das Gebäude stammt vom deutschen Architekten Ernst Ziller, der in Egio besonders aktiv war. An etwa 20 Häusern der Stadt, darunter auch am Rathaus und der Bibliothek haben er und vermutlich auch sein Bruder Paul mitgewirkt. Nach dem schweren Erdbeben 1995, bei dem in Egio 28 Personen starben, wurden diese Häuser als besonders erhaltenswert eingestuft, so dass Egio heute über eine beneidenswerte Sammlung neoklassizistischer Gebäude verfügt. Eines davon, nicht weit vom Rathaus, kaufte nach dem Erdbeben der Athener Schauspieler und Regisseur Thanassis Theologos. Er schaffte es zusammen mit einigen Freunden, null Fördermitteln und viel Enthusiasmus, daraus das Theater „Poly Technio“ mit reichlich 200 Plätzen zu machen, das heute, auch in der Krise, stets gut gefüllt ist. Ihm zur Seite steht ein spielfreudiger Theaterverein, dem Profis, aber auch Laien angehören.
Die Stadt macht trotz ihrer geringen Größe (knapp 30.000 Einwohner) einen weltoffenen und modernen Eindruck. Der Verkehr scheint besser geregelt als in mancher größeren griechischen Stadt. Sehr schön ist der Blick von der Platia Iroon – dem Platz der Helden – hinunter zum Meer. Cafés und Restaurants laden hier zum Entspannen ein.

Eine versunkene Stadt mit Namen Hellike

Egio wird vermutlich in den nächsten Jahren noch mehr in den Blickpunkt rücken, denn nicht weit vor der Stadt wurden offenbar Reste der in der Antike versunkenen Stadt Hellike (Elliki) gefunden. 2003 begann die Archäologin Dora Katsonopoulou mit systematischen Ausgrabungen, die sich schwierig gestalten, da die Fundstätten sehr tief liegen. Historiker erhoffen sich sensationelle Erkenntnisse über die seit 373 v. Chr. nach einem schweren Erdbeben von einer gigantischen Flutwelle verschluckten bedeutenden antiken Stadt. Noch fehlt allerdings der definitive Beweis, dass es sich wirklich um Hellike handelt.

Text und Fotos: Wilfried Jakisch


In Teil 2 dieser Reportage über Egio lesen Sie u. a. über den Winzer Angelos Rouvalis, von dem die Griechenland Zeitung ihre Weine bezieht, die im online-Shop unter www.griechenland.net/shop/wein angeboten werden.

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