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Wo die Peloponnes am einsamsten ist

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Wo die Peloponnes am einsamsten ist

Die große Volkszählung von 2011 brachte ans Licht, welche der 325 „dimoi“ genannten, deutschen Landkreisen ähnlichen Verwaltungsbezirke Griechenlands am dünnsten besiedelt sind. Zwei der 25 Spitzenreiter in punkto Einsamkeit liegen auf der Peloponnes: die Demen Kalavryta und Gortynia, beide abseits der Küsten in den Bergen. Im Kreis Kalavryta, der zur Achaia mit der Hauptstadt Patras gehört, leben immerhin noch 10,44 Einwohner auf dem Quadratkilometer. Der arkadische Kreis Gortynia bringt es gerade einmal auf 9,62 Einw./km2. Zum Vergleich: In Deutschland drängen sich 229 Menschen auf 1x1 km, im gesamten Griechenland immerhin noch 86.

Fast überall in Griechenland leiden abgelegene Regionen seit Jahrzehnten unter der Landflucht. Daran ändern auch ein paar Rückkehrer nichts, die angesichts der Krise den Städten den Rücken kehren. Im Dimos Kalavryta schrumpfte die Bevölkerungszahl im ersten Jahrzehnt unseres Jahrtausends um 37 Prozent, im Dimos Gortynia gar um 45 Prozent. Auch Förderprogramme der EU, der Bau zahlreicher guter, traditioneller Hotels und Pensionen in etlichen Bergdörfern sowie die Attraktivität Kalavrytas als Wintersportort und des Lousios-Tals zwischen Dimitsana und dem antiken Gortys als Wandergebiet haben die Auszehrung bestenfalls ein wenig verlangsamt.

Die Lockvögel: Kalavryta und das Lousios-Tal
Die Kreisstadt Kalavryta ist kritischen Deutschen und Österreichern zumindest als Schauplatz eines der größten Wehrmachtverbrechen auf griechischem Boden bekannt. Auch die Griechen wissen natürlich darüber Bescheid. Sie kommen aber ganzjährig hauptsächlich ins 730 Meter hoch gelegene Städtchen, weil die Anreise mit der Zahnradbahn von der Küstensiedlung Diakopto her so atemberaubend schön ist, und im Winter, weil ganz in der Nähe am Chelmos auf bis über 2000 Meter Höhe eins der schneesichersten und am besten organisierten Wintersportgebiete Griechenlands liegt. An Winterwochenenden ist hier ohne Reservierung kaum ein freies Bett zu bekommen, Tavernen und Cafés sind gefüllt mit sportlichen jungen Leuten.
Dimitsana ist weniger bekannt. In die Hauptstadt des Dimos Gortynia kommen vor allem im Sommer Touristen, die das immergrüne Lousios-Tal mit seinem ganzjährig rauschenden Bach und spektakulär gelegenen Klöstern auf bestens markierten Wegen durchwandern wollen. Das Hotelangebot ist hier bescheidener, die Auswahl an Tavernen geringer.

Viel Geschichte …
Kreuzritter, Byzantiner, Venezianer und Osmanen haben in diesen einst schwer zugänglichen Bergregionen keine Spuren hinterlassen. Dafür war die Bergeinsamkeit ideal für christliche Mönche. Ihr asketisches Bestreben kommt auch durch die Bauweise mancher ihrer Klöster gut zum Ausdruck. Oft sind Eremitenhöhlen ihr Ursprung, wirken ihre vorgesetzten Fassaden wie an die Felswand geklebt. Das neungeschossige Mönchskloster Mega Spileo schmiegt sich so eng an eine 100 Meter senkrecht aufsteigende Wand, als wäre es mit ihm verwachsen. Historischer Kern des Konvents ist eine Felsgrotte auf Höhe der sechsten Etage, auf der auch die Klosterkirche steht. Hier fand im 8. Jahrhundert eine fromme Hirtin kaiserlichen Geblüts eine Marienikone, aus der die Gottesgebärerin zu ihr sprach. Daneben entspringt ein Quell – ganz irdische Notwendigkeit für eine Klostergründung. Noch abenteuerlicher wirkt das Kloster Agios Ioannis Prodromos hoch über dem linken Ufer des Lousios. Der langgestreckte sechsgeschossige Bau zwängt sich in einen waagerechten Felsspalt. Terrassen mit hölzernen Geländern künden vom Gottvertrauen der jetzt noch acht dort lebenden Mönche. Die Klosterkirche ist in eine Grotte hinein gebaut und stammt bereits aus dem Jahr 1167. Dem Johannes-Kloster gegenüber, etwa 30 Gehminuten entfernt, steht die Ruine des im 10. Jahrhundert gegründeten Klosters Philosophou wie eingezwängt zwischen einer kleinen Felsterrasse und der nackten Felswand. Hier leben heute nur noch Eidechsen und Fledermäuse.
Viel bekannter als diese drei Klöster ist freilich das Kloster Agia Lavra, das nur sieben Kilometer von Kalavryta entfernt ganz bequem erreichbar ist. Im 10. Jahrhundert gegründet, wurde es nach seiner Zerstörung durch die Wehrmacht nach dem Krieg völlig neu wieder aufgebaut. Es ist eine Art Nationalheiligtum: Hier rief Bischof Germanos von Patras am 25. März 1821 die anwesenden griechischen Kämpfer zum Aufstand gegen die osmanische Fremdherrschaft auf. Der Tag ist bis heute einer der beiden griechischen Nationalfeiertage.
Doch die beiden Demen haben nicht nur Klöster als historische Sehenswürdigkeiten zu bieten. Auch die Antike hinterließ ihre Spuren. Österreichische Archäologen legten am Weg von Kalavryta nach Dimitsana die Reste eines Artemis-Heiligtums und der Stadt Lousi in einem ringsum von Hochgebirge umschlossenen, fruchtbaren Tal frei. Und in Gortyna im Lousios-Tal brachten französische Archäologen nahe einer mittelalterlichen Brücke ein antikes Asklepios-Heiligtum ans Tageslicht. Dass die „Kurgäste“ dort kalte Bäder im Fluss nahmen, legt schon dessen Name nahe: Lousios bedeutet „Badefluss“.

… und grandiose Natur
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Die Großartigkeit der Landschaft in dieser Region wird schon bei der Fahrt von Kalavryta nach Dimitsana deutlich. Über 2300 Meter hoch ragt der Chelmos auf, viele andere Gipfel der Region erklimmen immerhin noch Höhen von über 1500 Metern. Unbedingt die Besichtigung lohnt am Wegesrand die Tropfsteinhöhle Spileo ton Limon, in der bis in den Frühsommer hinein klares Wasser über weiße Sinterterrassen fließt und dabei winzige Seen bildet. Etwas später laden Forellenzuchtstationen im Platanenwald von Planitero zur Mittagspause ein. Kurz darauf steht man am kräftig sprudelnden Quellteich des Ladonas zwischen kleinen Käsereien. Schon nach wenigen Kilometern tritt der Fluss in den Dimos Gortynias ein. Bei Dafni kann man ihn im Sommer mit dem Kajak erkunden. Etwas später bildet er einen langgestreckten Stausee, der sich wie ein breiter Fluss durch ein einsames Hochtal windet. Bei Vytina erwarten den Reisenden dann ausgedehnte Tannenwälder. Und am Dorfrand von Dimitsana wird ein einzigartiges Freilichtmuseum zum Teil der grandiosen Landschaft des Lousios-Tals. Hier wird im „Museum der Wasserkraft“ deutlich, warum in den heute entleerten Gebirgsregionen so viele stattliche Häuser aus früheren Jahrhunderten stehen. Die Wirtschaftsstrukturen waren ganz anders. Hier im Lousios-Tal zum Beispiel trieben die zahlreich zu Tal stürzenden Bäche Dutzende von Mühlen an, lieferten Energie für Teppichwäschereien und Gerbereien, fürs Korn mahlen und sogar für die Produktion von Schwarzpulver, das den Griechen half, ihren Kampf gegen die Osmanen zu gewinnen. Das heute so stille Lousios-Tal war damals noch so etwas wie das „Ruhrgebiet der Peloponnes“.

Klaus Bötig

Infos: 
Webseiten der Demen: www.gortynia.gov.gr, www.kalavrita.gov.gr
Museum der Wasserkraft: www.piop.gr
Spileo ton Limnon: www.kastriacave.gr
Skigebiet am Chelmos: www.kalavrita-ski.gr
Zahnradbahn: www.ose.gr 

Reiseführer: DuMont Reisetaschenbuch Peloponnes von GZ-Autor Klaus Bötig
Gute Karten: Anavisi 8.5 „Mt Menalo“ und 8.2 „Mt Chelmos“, beide im Maßstab 1:50 000

Unsere Fotos (© Griechenland Zeitung /Klaus Bötig, Elisa Hübel) zeigen Kalavryta im Februar 2013 und einen atemberaubenden Sonnenuntergang auf der Peloponnes.

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