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Auf der Kleininsel hat Umweltschutz Priorität

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Foto (© GZkb: )Der Katamaran legt auf Tilos an. Foto (© GZkb: )Der Katamaran legt auf Tilos an.

Tilos ist ein Inselzwerg im südlichen Dodekanes zwischen Rhodos und Kos. Pauschaltourismus gibt es hier nicht, Antikes ebenso wenig. Man kommt zum Baden und zum Wandern auf gut markierten Wegen.

„No Clothes – No service“. Wirt Michalis bedient in seinem Kafenio keine Badenixen und keine Männer mit nacktem Oberkörper. Auch sonst hat er feste Vorstellungen, wie Gäste sich verhalten sollten. Das Rauchverbotsschild in der Eingangstür wird drinnen strikt eingehalten und mit dem Aushang „No WiFi“ macht er klar, dass er sich Gäste wünscht, die essen, trinken und sich miteinander unterhalten statt auf ihre Mobiles zu schauen. Das tun sie denn auch, denn die meisten kennen sich ohnehin. Viele von ihnen kommen schon seit vielen Jahren nach Tilos – so wie unsere deutsch-brasilianischen Nachbarn im kleinen Apartmenthaus am Meer, die seit einem Jahrzehnt jeden Sommer für vier bis sechs Wochen hier dem Nichtstun frönen. Etwa 13.000 Urlauber zählt Tilos im Jahr, Tagesausflügler von den großen massentouristischen Inseln Rhodos und Kos gibt es nicht. Uns hat ein Katamaran in 50 Minuten von Chalki nach Tilos gebracht. Er hat direkt in Livadia angelegt, wo fast alle Ferienunterkünfte der Insel stehen. Auch die drei Auto- und Mopedvermieter von Tilos haben hier ihre Büros, der erste schon seit 1998. Fast direkt überm Fähranleger tauchen üppig, cyclamfarben blühende Bougainvilleen das mit nur 62 Zimmern größte Inselhotel in ein Blütenmeer. Gleich beim Fähranleger beginnt auch die schmale, völlig autofreie Uferpromenade, die sich am ebenfalls schmalen, über einen Kilometer langen Kiesstrand von Livadi entlangzieht. An der stehen neben einigen Tavernen eher unauffällig einige kleine Hotels und Apartmenthäuser. Sonnenschirme und Liegestühle werden da nur punktuell vermietet.

Bürgermeister mit Visionen

Die Uferpromenade trägt den Namen von Dr. Anastasios Aliferis, dem einstigen Inselarzt, der fünf Wahlperioden lang auch Inselbürgermeister war. Als er 2012 starb, hatte er Tilos maßgeblich auf den Weg zur vielleicht umweltfreundlichsten und liberalsten Insel des Landes gebracht. Schon 1993 wurde für Tilos ein ganzjährig gültiges Jagdverbot erlassen. 2009 empfing die Gemeinde den Umweltpreis der Stiftung Euronatur wegen ihrer Bemühungen um den Natur- und Umweltschutz. Der größte Lohn allerdings ist die Vielzahl der Vögel, die auf Tilos rasten oder gar brüten. Darunter sind Eleonorenfalken, Habichtsadler und Eisvögel, Blauwangen-Bienenfresser, Krähenscharben, Felsentauben, Pirole und Churka-Hühner. Dr. Aliferis machte aber nicht nur durch sein Engagement für die Natur, sondern auch durch seine liberale Haltung von sich Reden: Am 3. Juni 2008 vollzog er auf dem Inselzwerg die erste Trauung eines gleichgeschlechtlichen Paars und erregte damit viel Protest vor allem aus kirchlichen Kreisen. Offiziell wurde die gleichgeschlechtliche Ehe in Griechenland erst 2015 legalisiert. Dr. Aliferis Nachfolgerin im Amt wurde nach guter griechischer Sitte eine enge Verwandte: Die jetzt 49-jährige Maria Kamma-Aliferi. Sie zeigte die gleiche liberale Haltung wie ihr Onkel vor allem in den Jahren der Flüchtlingsflut. Zusammen mit der Organisation „Solidarity now“ und dem Flüchtlingshilfswerk der UN gründete sie das „Tilos Hospitality Centre for Vulnerable Refugees“. Fünf syrische Familien wurden im März 2016 freiwillig aufgenommen. Die Kinder kamen hier zur Schule, den Erwachsenen wurde Arbeit verschafft. Die freilich war nur auf die Sommermonate beschränkt. Deswegen haben 2019 die letzten Syrer die Insel wieder verlassen. Auch auf dem Umweltsektor geht es unter der neuen Bürgermeisterin mit Tilos weiter voran: Ab 2020 soll der gesamte Inselstrom nicht mehr über unterseeische Kabel aus Kos geliefert, sondern auf der Insel selbst mit Hilfe von Sonne und Wind erzeugt werden. Die EU trägt einen Großteil der Kosten dafür in Höhe von etwa 15 Millionen Euro. Die gut 500 ganzjährig hier ansässigen Insulaner erhoffen sich davon auch eine Senkung der Strompreise.

Zuerst zum Kloster ...

Vor dem Touristen-Informationsbüro an der Uferpromenade sind ein paar E-Bikes geparkt. Sie gehören Gemeindemitarbeitern. Im Büro informieren Schautafeln über die Umweltanstrengungen und die Natur der Insel – Prospekte zum Mitnehmen sind aber leider nur noch auf Griechisch und Russisch erhältlich. Immerhin: Es gibt eins dieser in Griechenland beschämend seltenen Büros. Mit dem Mietwagen (noch nicht elektrisch) starten wir zum entferntesten Ziel auf der Insel, deren Asphaltstraßennetz insgesamt nur rund 30 Kilometer lang ist: Dem 14 Kilometer nördlich von Livadia gelegenen Kloster Agios Panteleimonas, an dem die schon seit 1998 asphaltierte Straße in den Inselnorden endet. Völlig einsam und gut vor den Blicken einstiger Piraten versteckt erhebt sich der Konvent über einer Schlucht nahe der wilden Steilküste des nordwestlichen Tilos. Ein Tor führt auf einen von Zypressen und Platanen beschatteten Vorhof, dessen Boden zu Zickzacklinien gelegte helle und dunkle Kieselsteine bilden. Aus einer steingefassten Quelle fließt kühles Agiasma, heiliges und heilendes Wasser. Ein Schild gebietet, es nicht zu nutzen, um sich zu waschen. Am Vorhof ragt ein mächtiger, rechteckiger Wehrturm aus Naturstein auf. In der Klosterkirche sind zwei junge Archäologinnen aus Athen und einige Arbeiter mit Restaurierungsarbeiten beschäftigt; deswegen darf sie wohl für die nächsten zwei Jahre nicht betreten werden. Die Klosterzellen stehen leer – Mönche leben hier schon lange nicht mehr. Direkt neben dem Zugang zum Kloster beginnt der acht Kilometer lange Wanderpfad zum Strand von Eristos, die längste der neun gut markierten und gepflegten Wanderrouten der Insel.

(Griechenland Zeitung / Klaus Bötig)

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 689 am 21. August 2019.

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