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Zu Besuch im Hotspot Mória auf Lesbos

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Zu Besuch im Hotspot Mória auf Lesbos
Im Lighthouse Camp hatte man mir erzählt, dass es einen Friedhof der Schwimmwesten am Strand zwischen Mólivos und Eftaloú geben soll. Zwei Versuche, über Stichstraßen zum Strand hinunter zu fahren, waren erfolglos.
Der Betreiber der Mythos Art Gallery erzählt uns, dass es diesen „Lifejackets Graveyard“ am Strand gar nicht geben würde. Aber das wäre auch nur so eine Ikone, eher eine negative. Von der Physiotherapeutin bekommen wir dann den Tipp mit der alten Müllkippe von Mólivos. Dazu an der Landstraße von Mólivos nach Eftaloú einen Schotterweg rechts abbiegen, dann ein paar Kilometer hoch in die Berge fahren. Einige Schiffe liegen hier zur Seite gekippt einfach in der Landschaft, sie sehen komplett und intakt aus, andere sind kaputt und halb zerlegt. Aber imposant sind die vielen großen Haufen mit Zigtausenden von Schwimmwesten, überwiegend in signal-orange, durchmischt mit den zerschnittenen Überresten von  Schlauchbooten und anderem Abfall. Alles offen und unbewacht, gammelt es vor sich hin.
 
 
Mit dem Bus kommt man von Mytilíni bequem ins sieben Kilometer entfernte Städtchen Mória. Etwa einen Kilometer außerhalb gelegen, stößt man auf das staatliche Flüchtlingslager, dem Hotspot auf Lesbos. Unterwegs sieht man schon viele Flüchtlinge, die mich, der ich zu Fuß und mit Rucksack unterwegs bin, alle freundlich grüßen, da ich ihnen ja auf Augenhöhe begegne. Um das große, stark eingezäunte Lager befinden sich zahlreiche Imbiss-Stände, an denen viele Flüchtlinge „rumhängen“. Was sollen sie auch anderes machen? Die ersten 25 Tage ist ein neuer Flüchtling wirklich inhaftiert. Danach darf er sich frei bewegen, nur Lesbos darf er nicht verlassen. Immer mit der drohenden Abschiebung zurück in die Türkei belastet. Wenn er nicht das nötige Kleingeld für den Bus hat, dann ist es ja bereits schwierig für einen Flüchtling, überhaupt nach Mytilíni zu kommen.
Trotz des Schildes „No Photos“ am Haupteingang mache ich draußen vorsichtig ein paar Fotos. Plötzlich steht ein Polizist vor mir, der mich durch eine gerade geöffnete Tür ins Lager hinein befördert, die sogleich wieder verschlossen wird. Das Fotografieren sei nicht erlaubt. Meine Kamera wird mir abgenommen und ich werde gefragt, ob ich Journalist sei. Mein Ausweis wird kontrolliert. Ein anderer Polizist bringt mich quer durchs ganze Lager, meint zu mir, dass ich so in den Genuss komme, das Lager von innen zu sehen, aber es sei wirklich nichts besonderes zu sehen. Ein paar kleinere Gebäude, größere Zelte, separate Plätze für Kinder und für Studenten. Überall verstreut stehen auch kleine bunte Zelte. Daran merkt man, dass dieses Lager doch um einiges voller ist als geplant. Nämlich 3.000 statt 1.500 Flüchtlinge. Unter Polizeiaufsicht  muss ich ein paar der Fotos löschen. 
Wenige Tage nach meiner Rückkehr nach Deutschland ist dann mehr als die Hälfte des Hotspots Mória abgebrannt. Die unhaltbaren Zustände und die Perspektivlosigkeit, in denen die Flüchtlinge gehalten werden und die ich während meiner Reise sehr gut wahrnehmen konnte, haben letztendlich dazu geführt. Die deutschen Medien haben kurz darüber berichtet. Über das Spannungsfeld, das zwischen den Griechen, den Flüchtlingen, den Volunteers der NGOs und den Touristen auf Lesbos herrscht, wird dagegen kaum etwas geschrieben.
 
Dr. Peter Oehler
 
Hier geht es zu Teil 1und Teil 2 des Artikels. 
 
Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt den Hotspot Moria kurz nach dem Brand Ende November 2016.
 
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