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Weltgeschichte im Fenchelfeld

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Unser Foto (© Waltraud Alberti): Der Wilde Fenchel – Foeniculum vulgare – (το) μάραθο (máratho); altgr. (τό) μάραθον (márathon), (ὁ) μάραθος (márathos) Unser Foto (© Waltraud Alberti): Der Wilde Fenchel – Foeniculum vulgare – (το) μάραθο (máratho); altgr. (τό) μάραθον (márathon), (ὁ) μάραθος (márathos)

Wenn die Sonne nach windigen, kalten Regentagen endlich wieder lockt und man im zeitigen Frühjahr einen Spaziergang wagt, so wird man fast überrascht sein, wie üppig grün es schon entlang des Weges oder am Straßenrand ist. Am auffallendsten zeigt sich der wild wachsende Fenchel.

Der Fenchel ist von weitem an seinen vertrockneten, grauen hohen Stängeln zu erkennen, die selbst die Winterstürme nicht knicken konnten. Auch Reste der Blütendolden sind zu sehen. Die Samen allerdings sind längst schon abgefallen. Kommt man näher, dann kann man sein sattes üppiges Grün, das in Büscheln aus der Erde schießt, bestaunen. Und bückt man sich gar und zerreibt die filigranen Blätter zwischen den Fingern, so duften sie aromatisch frisch und kraftvoll nach neu erwachtem Leben. Der Winter ist vorbei!

Ein Symbol für den Sieg

Mάραθο (máratho) heißt der Fenchel seit je im Lande der Hellenen, und mit „Fenchelfeld“ kann man auch den Namen des Ortes übersetzen, an dem Miltiades 490 v. Chr. den Sieg über die Perser errungen hat. Weite Fenchelfelder soll es dort gegeben haben. Somit wurde Fenchel ein Symbol für den Sieg. Der Überbringer dieser guten Nachricht brach allerdings laut Überlieferung tot zusammen, als er in Athen ankam. Er lief die Strecke angeblich ohne Unterbrechung. Die Sportler der Antike versuchten es besser zu machen: Sie stärkten sich mit riesigen Mengen des Fenchels, der natürlich auch damals allenthalben wuchs. Seit 1896 ist der Marathonlauf eine sportliche Disziplin bei den Olympischen Spielen, festgelegt auf genau 42,195 Kilometer, was im Wesentlichen der damaligen Strecke zwischen Marathon und Athen, dem Austragungsort der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit entspricht. Wenn auch der Fenchel in unserer heutigen Zeit der Turbochemie als „Dopingmittel“ kaum eine Rolle spielen könnte, ist seine Bedeutung für Speis und Trank umso größer: Die Samen und das frische Grün sind beliebte Küchengewürze in kalten und warmen Gerichten.

Ouzo hat man immer daheim

Möchte man ein alkoholisches Stimulans, um in den Genuss des Fenchelgeschmacks zu kommen, dann kann man nach einem Glas ούζο (Ouzo) greifen. Meist sind es zwar Anissamen, die die geschmackliche Grundsubstanz dieses Getränkes bilden, aber auch Fenchelsamen, Sternanis, Kardamom, Koriander, Mastix und andere Gewürze werden – je nach Gegend und Sorte – zugesetzt. Man könnte ihn etwas locker fast als das „Allround“-Getränk Griechenlands bezeichnen. Bei jeder Gelegenheit wird er angeboten: ob bei Einladungen als Aperitif getrunken, um den Appetit anzuregen oder nach dem Essen, um die Verdauung zu fördern, wenn es etwas zu feiern gibt oder wenn unerwarteter Besuch kommt. Ouzo hat man immer daheim. Und wer seinen Ouzo mit kleinen Leckereien in ganz klassischer Atmosphäre im Schatten einer großen alten Platane genießen möchte, der setzt sich in eine der alten traditionellen „Ouzerien“.
Auch in so manchen Haushalten Deutschlands hat bei Griechenlandliebhabern der Ouzo inzwischen Einzug gehalten. Gerne wird er nach einem üppigen Essen gereicht. Und ob man nun ein Gläschen Alkohol zu sich nimmt oder einen Spaziergang macht – es müssen ja nicht gleich 42 Kilometer sein … – oder einen Fencheltee zur besseren Verdauung und zur Beruhigung des Magens dem Alkohol vorzieht, das sei natürlich jeder und jedem selbst überlassen.

Der Fenchel als Heilpflanze

Fenchel hat als Heilmittel eine lange Tradition, vor allem in den früheren Hochkulturen wie Ägypten und China, lange bevor der Urvater unserer heutigen Medizin, Hippokrates, seine Muttermilch fördernde Wirkung erkannte. Damals wurden nicht nur die Samen, sondern auch Wurzeln und der frisch gepresste Saft aus den grünen, saftigen Blättern genutzt. Auch um die Sehkraft zu stärken, wurde Fenchel angewandt. Die berühmte Heilige Hildegard von Bingen wusste diesen zusammen mit Schafgarbe einzusetzen. Sie empfahl, die gekochten Kräuter bei Schlaflosigkeit als Umschlag auf die Stirn zu legen. Heute ist der Fenchelsamen ein nicht wegzudenkendes pflanzliches Heilmittel, speziell in der Kinderheilkunde. Der daraus zubereitete Tee ist ein ideales Getränk für Babys und Kleinkinder, weil er mit seinem etwas süßlichen Geschmack angenehm zu trinken ist. Aber auch Erwachsenen tut er Gutes. Aus den Samen, die im Herbst reifen, wird der beruhigende Fencheltee für Magen, Schlaf und Nerven gebraut. Stillenden Müttern hilft er, wenn sie nicht genug Milch für ihren Säugling haben, da Fenchel die Milchdrüsen anregt. Medizinische Anerkennung haben allerdings nur die Samen des Gartenfenchels, Foeniculum vulgare, ssp. vulgare, und davon wiederum die bittere Variante, gefunden. Die sogenannte süße, mildere Varietät wird jenseits der Alpen nur zum Würzen verwendet. Ich persönliche nehme auch den Samen des Wilden Fenchels.

Hauch von Orient

Die feinen, gefiederten Blätter, die an Dill erinnern, finden in der griechischen Küche Verwendung, um die unterschiedlichsten Gerichte zu aromatisieren und ganz nebenbei verträglicher zu machen. Man gibt sie u. a. ins Artischocken-Puffbohnen-Gemüse, in die gefüllten Weinblätter, zu Tintenfisch und in Tzatziki, den beliebten Knoblauch-Gurken-Joghurt. Auch darf das Fenchelgrün bei der echten chortópita nicht fehlen, einer Teigpastete, gefüllt mit feingeschnittenen Wildgemüsepflanzen. Natürlich kann Fenchelgrün in jeden Kräuterquark, in Salate oder an Fischgerichte. Reife Samen verleihen dem Brotteig, wie Kümmel, Anis und Koriander, eine pikante Note. Am interessantesten fand ich bislang grüne Oliven, die mit Dolden unreifer Fenchelfrüchte, teilweise noch blühend, eingelegt waren. Eine befreundete Griechin schenkte sie mir, und sie überreichte sie mir in einer Plastikflasche, jede Olive einzeln, der Reihe nach hineingesteckt. Sie schmeckten süßlich und herb zugleich und brachten einen Hauch von Orient mit sich. Der Gemüse-Fenchel mit seiner weißen Knolle ist eine Züchtung. An seinen Blättern erkennt man am deutlichsten die verwandtschaftlichen Beziehungen.

Auszug aus dem Buch: „Garten der Götter“, das bereits in 2. überarbeiteter Auflage im Verlag der Griechenland Zeitung erschienen ist.

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