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Der Pappenstiel des Löwenzahns

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Die frischgrünen Blätter des Löwenzahns, die zusammen mit ihrer herausgeschnittenen Wurzel im Frühjahr in Griechenland gesammelt, gesäubert, in Salzwasser gekocht und als „Gemüse“, sprich Salat, angerichtet mit Olivenöl und Zitrone, verspeist werden, sind ein besonderer Leckerbissen.

Da wir aus klimatischen Gründen in Deutschland mit diesem immer wieder nachwachsenden „Unkraut“ überreichlich gesegnet sind, könnte man auch hierzulande leicht in diesen Genuss kommen. Tut man aber nicht. Es lässt sich nämlich beobachten, dass, wenn wir zufällig in Deutschland auf andere Sammler stoßen, diese oft Landsleute aus Griechenland oder der Türkei sind, und nicht etwa Italiener, die diesen etwas größeren Löwenzahn (taraxacum – tarassaco) gesittet anbauen und in deutschen Supermärkten anbieten. Bei den Griechen handelt es sich dagegen um die bekannten Radíkia, woraus unschwer die italienische Wurzel – radicchio – zu erkennen ist. Damit ist zwar die Wurzel, der wir ja auch sowohl im deutschen Rettich, als auch im Radieschen begegnen, nicht aber das Blattwerk abgedeckt. Und weil jeder weiß, wie echte Löwenzähne aussehen und dass diese just den Blatträndern des Löwenzahns gleichen, könnte der wissenschaftliche Name dieser Pflanze nur dens leonis sein. Ist er aber nicht, sondern man kreierte eine jener schönen humanistischen Kunstneubildungen auf Altgriechisch, obwohl es diese Wörter im Altgriechischen nie gab, und kam auf das nach einer Zahnpasta klingende Leontodon. Doch damit nicht genug. Jeder Löwenzahn hat ja schließlich jene gelbe Blüte, bevor diese sich in eine Federkrone verwandelt. Was für Kinder ein großer Spaß ist, diese Fruchtstände wegzupusten. Daher also der Name Pusteblume. Was entblößt bleibt, gleicht nun nicht nur einer „Papenplatte“, d. h. 17 der Tonsur eines Geistlichen, sondern insgesamt einer kahlen wertlosen Kleinigkeit. Wir kennen das aus der Redensart „das ist kein Pappenstiel.“ Das Finale dieser Pappenstiel-Löwenzahn-Komödie ist aber das, dass der Pappe vom Stiel nicht etwa auf einen Popen oder einen Pfaffen zurückgeht, sondern tatsächlich auf das altgriechische páppos – den Opa; im Neugriechischen pappús. Und dieser griechische páppos entwickelte sich im Lateinischen über die Bedeutung Opa hinaus zur „wolligen, haarigen Samenkrone des Löwenzahns“. Wenn das nicht eine Höchstleistung griechisch-lateinisch-deutscher Sprachzusammenarbeit darstellt!

Aus dem Buch „Salz in der Soupa. Griechisch-Deutsche Sprachfindigkeiten II“ von Hans Eideneier.

Cover Salz in der Soupa 300

 

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