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Gericht auf Lesbos weist Anklage gegen Flüchtlingshelfer zurück Tagesthema

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Archivfoto (© Eurokinissi) Archivfoto (© Eurokinissi)

Im Strafverfahren gegen 24 Flüchtlingshelfer auf der griechischen Insel Lesbos hat die Staatsanwaltschaft eine Niederlage eingesteckt. Das Appellationsgericht in der Inselhauptstadt Mytilini wies am Freitag die Anklage wegen formaler Fehler und rechtlicher Mängel ab. Damit müssen die Beschuldigten zumindest vorerst keine Verurteilung fürchten. Der Prozess hatte international großes Aufsehen erregt.

Zu den Angeklagten gehört die in Berlin lebende Syrerin Sarah Mardini, die mit ihrer Schwester 2015 schwimmend Flüchtlinge aus einem havarierten Schlauchboot ans rettende Ufer brachte. Die Schwestern wurden 2016 als „Stille Heldinnen“ mit einem Bambi ausgezeichnet, Netflix machte aus ihrer Geschichte den Film „Die Schwimmerinnen“. Die Ankläger warfen Mardini und den 23 Mitbeschuldigten vor, sie hätten als Mitarbeiter einer Hilfsorganisation auf Lesbos in den Jahren 2016 bis 2018 Migranten eingeschleust. Zudem wurde ihnen Spionage vorgeworfen. Mardini und ein Mitangeklagter saßen deswegen 2018 für mehr als drei Monate in Griechenland in Untersuchungshaft, bevor sie gegen Kaution freikamen.

Das UNO-Menschenrechtsbüro in Genf kritisierte den Prozess. Amnesty International bezeichnete das Verfahren als „Farce“. Die griechischen Behörden versuchten damit, „humanitäre Hilfe zu unterbinden und Migranten abzuschrecken“. Auch Human Rights Watch sprach von einem „politisch motivierten Prozess“. Ein Untersuchungsbericht des Europaparlaments nannte die Anklage „den größten Fall einer Kriminalisierung von Flüchtlingssolidarität in Europa“. Bei der Verhandlung am Freitag gab das Gericht mehreren Einsprüchen der Verteidigung statt und verwies die Anklage zurück an die Staatsanwaltschaft. So bemängelten die Richter, dass die Anklageschrift für die 17 ausländischen Beschuldigten nicht übersetzt worden sei. Die Spionagevorwürfe seien außerdem zu vage, stellten die Richter fest. Überhaupt scheinen Ermittler und Staatsanwaltschaft nicht besonders sorgfältig gearbeitet zu haben. In einem Punkt stützt sich die Anklage auf ein Gesetz, das es gar nicht mehr gibt. Die Staatsanwälte können nun die Anklage überarbeiten und neu vorlegen. Dazu dürfte es aber kaum kommen, da Anfang Februar die Verjährung eintritt. Gegen die Beschuldigten stehen zwar weitere Anklagen im Raum. So laufen Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Eine Anwältin, die Sarah Mardini vertritt, äußerte jedoch die Erwartung, dass die Richter auch diese Anklagepunkte abweisen werden. Nils Muiznieks, Regionaldirektor Europa bei Amnesty International, appellierte an die griechischen Justizbehörden, jetzt alle Anklagen gegen die Flüchtlingshelfer fallenzulassen.

(Griechenland Zeitung / Gerd Höhler)

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