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Kapitän Giannis: Wen wundert’s? Tagesthema

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Mezedes: Alle essen von mehreren Tellern (© Eurokinissi). Mezedes: Alle essen von mehreren Tellern (© Eurokinissi).

Es wundert den 78-jährigen Giannis. Täglich findet der Kapitän im Ruhestand sich zur gleichen Zeit im Kafenion ein. Er trinkt zwei Gläschen Rotwein, manchmal mehr, und isst von dem kleinen Teller mit Mezedes. Mal frische Sardinen, Garnelen und Oliven, mal von Elviras κοκκινιστό (kokkinistó), Gulasch.

Bleibt Giannis zwei Stunden lang, so isst er zwei Stunden lang von seinem Meze. Als viel herumgereister Kapitän beherrscht er die englische Sprache. „I disappear“, sagt er zum Abschied, und mich nennt er Lady. Sein meist verwendeter Ausdruck aber ist amazing. Es wundert ihn, dass ich meine Mezedes so schnell aufesse. „Einen Meze“, belehrt er mich, „isst man häppchenweise. Und lässt zwischen den Häppchen die Zeit verstreichen. Man trinkt ein Schlückchen Wein“, sagt er, das Trinken aus dem klassischen kleinen Weinglas demonstrierend, „und dann lässt man wieder Zeit verstreichen, bevor man erneut vom Meze isst!“ Den Akt des Zeit-Verstreichen-Lassens demonstriert Giannis mir durch regungsloses Sitzen. Sein Stammplatz ist in der Mitte des Kafenions an der Wand, von wo er die gesamte Lage, und vor allem das Verhalten der Besucher zu beobachten pflegt. Ihm entgeht kein Detail. An Giannis’ Nebentisch hat sich eine fünfköpfige Gesellschaft zum Abendessen hingesetzt. Eine der Engländerinnen erklärt Elvira bei der Bestellung, dass sie vegan ist. Die andere sagt, sie ist nicht vegan, aber sie ist Vegetarierin, und ob sie das Pastitsio ohne Fleisch haben kann? Wohl, um sich zu erkundigen, ob die Eier von hiesigen, frei lebenden Hühnern oder aus Tierhaltung stammen, fragt einer der Männer, woher die Eier sind. „Where are the eggs from?“ – „From the chickens!“ ruft Giannis, seine Zahnlücken beim Lachen entblößend. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass man in der griechischen Esskultur gemeinsam von allen auf dem Tisch dargebotenen Speisen isst. An Giannis’ Nebentisch aber isst nun ein jeder seine eigene Portion von seinem eigenen Teller. Sie wissen, was Kapitän Giannis hierzu sagt!
Den ungekürzten Text finden Sie in der aktuellen Ausgabe der Griechenland Zeitung.
(Griechenland Zeitung / lg)

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