Als der Sonnenaufgang die Wolken rosig verfärbt, denke ich mir, dass wir heute echt schönes Wetter haben werden und nutze die Gelegenheit, um zum Auffüllen meiner Wasserbehälter zur Korpi-Quelle nach Monastiraki zu fahren. Während der Fahrt ins etwa 20 Kilometer entfernte Dorf bedeckt sich der Himmel mit dunkelblauen und violetten Wolken.
Im verlassenen Ort, in dem das Wasser aus einem bronzenen Löwenmaul strömt, ist die Stimmung geradezu mystisch. Nebel taucht die altershohen Eichen und die länglich angeordneten, längst leerstehenden Gebäude mit Zimmerzellen, die einst von Kurgästen besucht wurden, in ein weißliches Licht. Die sommers die Vorhöfe überdachenden und schattenspendenden Weinlauben sehen wie graue Knochengerüste aus. Obwohl ich zum Löwenmaul Abstand halte, werden meine Sneakers und mein Hosensaum nass, zudem fallen nun die ersten Regentropfen. Da man dem Korpi-Wasser Heilkräfte nachsagt und da der nebelverhangene Ort heute Morgen eh magisch erscheint, erfüllt sich wohl mein Wunsch, dass der Regen erst nach Abschluss meiner Tätigkeit aus dem über meinem Kopf hangelnden schwarzen Himmel platzt. So hoffe ich. Dann aber, wie auf einen Pfiff, prasseln die Regenmassen nieder und transformieren die Umgebung im Nu in eine weißgraue Fläche. Ich stürze regelrecht auf mein Auto zu. Als ich mir vorsichtig den Weg aus der Ebene des Tals zu der schmalen, mit Schlaglöchern gespickten Straße nach Monastiraki bahne, stoße ich in der dichten Regenwand auf zwei Lkw, die stehengeblieben sind und mir durch Blinkzeichen zu verstehen geben, dass ich sie umfahren soll. Auf dem Heimweg sehe ich, dass sich Seen auf den Feldern gebildet haben; durch Furchen, entstanden nach dem starken Niederschlag, strömen Regenbäche quer über die Straße und an ihr entlang von den Bergen ins Tal. Die Autofahrt ist eine Spritzfahrt im wahrsten Sinne des Wortes. Als ich zu Hause ankomme, scheint die Sonne. Doch in diesem Hexenwetter ist der Sonnenschein nur von kurzer Dauer. Mit dem Verschwinden von zwei sich überlagernden Regenbögen birst nun ein spektakulärer Hagelsturm mit ohrenbetäubendem Getöse auf unser Bergdörfchen nieder. Binnen weniger Minuten ist die Erde mit Schichten von perlgroßen Hagelkörnern bedeckt. Als der Sturm nach etwa zehn Minuten vorbei ist, eilen Kinder und auch Erwachsene nach draußen. Sie tragen Anoraks, Mützen, Stiefel, füllen ihre Handbecher mit dem kalten Kleinod, machen Fotos und lassen die eisigen Klumpen unter ihren Sohlen knirschen. Wie in einem Spiel mit Regen, Hagel und Wolken lugt nun auch wieder die Sonne aus ihrem Versteck hervor, die Hagelkörner aber bleiben bis zum nächsten Tag wie Teppiche im Garten und auf den Feldern liegen, auf den Treppenstufen bilden sie Kaskaden aus Eisperlen. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)