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Profitgier im Namen des Gottes?

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Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand in Delphi. Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand in Delphi.

Das berühmte Heiligtum von Delphi genoss in der Antike einen exzellenten Ruf als Sitz des wohl wichtigsten Orakels seines Kultgottes Apollon. Aus allen Teilen der griechischen Welt und selbst darüber hinaus kam man hierher an den Parnass, um voller Ehrfurcht vor der Allwissenheit des Gottes seine Weissagungen zu vernehmen.


Dem Spruch Apollons wurde höchste Bedeutung beigemessen, sei es in privaten Angelegenheiten oder in Fragen der Politik. Erheblich weniger respektvoll dagegen fiel das Urteil über die Verwalter und das Personal des Heiligtums aus. Aufgrund der für eine Orakelbefragung aufzubringenden, durchaus vielfältigen Kosten wurde ihnen nachgesagt, übermäßig habgierig zu sein. Selbst für das beim Opfer benutzte Messer fielen für den Ratsuchenden besondere Abgaben an. Und auch die Hoffnungen auf den normalerweise üblichen Anteil am Verzehr des Opfertieres wurden vom Volksmund gedämpft: „Jemand der in Delphi ein Opfer darbringt, erhält davon kein Fleisch zu essen.“ Mit dem auch in anderem Kontext verwendeten Begriff ‚Delphisches Messer‘ konnte umgangssprachlich ein raffgieriger Knauser bezeichnet werden. Letztlich war es Apollon selbst gewesen, der dem einträglichen Treiben in Delphi den Weg bereitet hatte. Als nämlich die ersten, für das Heiligtum auserkorenen Priester nur wenig begeistert auf dessen eher karges Umland schauten, beruhigte der Gott sie mit der Aussicht auf die mehr als ausreichenden Gaben der künftigen Pilger. Natürlich sollte er damit Recht behalten, und zwar nicht zuletzt, weil man es vor Ort hervorragend verstand, größtmöglichen Nutzen aus der besonderen Stellung des Orakels zu ziehen. Auf Kritik am eigenen Gebaren reagierte man empfindlich. Den Dichter Aesop sollen einer Legende zufolge entsprechende Äußerungen sogar das Leben gekostet haben. Und auch vom mythischen Helden Neoptolemos, dem Sohn des Achill, berichtet eine Überlieferung, dass er im Streit um die Aufteilung des Opferfleisches in Delphi getötet worden sei.

Jens Rohmann

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