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Kein Konsens zwischen Athen und Ankara: Meinungsstreit in Istanbul Tagesthema

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Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand 2019 während eines Treffens einer griechischen und einer türkischen Delegation unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand 2019 während eines Treffens einer griechischen und einer türkischen Delegation unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei balancieren nach wie vor auf dünnem Eis. In Istanbul ist es zu einem verbalen Wortgefecht zwischen dem türkischen Verteidigungsminister und griechischen Parlamentariern gekommen. Während die NATO beide Seiten besänftigen will, befürchten Beobachter einen möglichen „Unfall in der Ägäis“.

Zu einem heftigen Wortwechsel zwischen Politikern aus Griechenland und der Türkei ist es am Dienstag (14.6.) während der parlamentarischen Versammlung der NATO in Istanbul gekommen.
In einer Rede sprach der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar eine „Entmilitarisierung griechischer Inseln“ an. Seiner Ansicht nach handle es sich um ein „lang anhaltendes Problem, das sich durch den Dialog und gegenseitigen Respekt“ lösen lasse. Ein solcher müsse bilateral und außerhalb der NATO und der EU geführt werden. Dabei warf Akar Griechenland vor, Spannungen zu verursachen und Terroristen zu unterstützen.
Die griechische Delegation reagierte scharf auf diese Äußerungen. Man wies den türkischen Minister darauf hin, dass Hellas die Regeln des internationalen Rechts achte und sich nicht zuletzt im Kampf gegen den Terrorismus engagiere. Außerdem wurde kritisiert, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan jeglichen Dialog mit Griechenland abgebrochen hat und dass türkische Kampfjets immer wieder Überflüge über bewohnten griechischen Inseln praktizieren.

Differenzen unter Alliierten
Zusätzlich herrscht Unmut in politischen Kreisen in Athen über Äußerungen des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg. Dieser hatte in einem Interview gegenüber der griechischen Nachrichtenagentur ANA-MPA die Türkei und Griechenland dazu aufgerufen, ihre „Differenzen in der Ägäis mit Vertrauen und Solidarität unter Alliierten zu lösen“. Er hob hervor, dass die beiden Länder seit Jahrzenten gestandene Mitglieder der NATO seien und somit die Herausforderungen, die die Sicherheit betreffen, überwinden könnten. Außerdem sprach Stoltenberg von Unfällen in der Vergangenheit der beiden Länder. Es gehe vor allem darum, eine Wiederholung zu vermeiden.
Athen erwartet nun, dass das Thema der türkischen Provokationen während des bevorstehenden EU-Gipfeltreffens am 23. und 24. Juni sowie beim NATO-Gipfel vom 28. bis 30. Juni in Madrid erörtert wird.

„Kein Dialog über absurde Themen“
In einem Interview gegenüber dem staatlichen Fernsehsender ERT betonte Premierminister Kyriakos Mitsotakis, dass sich die griechische Bevölkerung in Sicherheit wiegen könne. Das Land verfüge über eine starke Verteidigungskraft. Der Premier zeigte sich zuversichtlich, dass Erdogan früher oder später wieder den Dialog mit Athen suchen werde. Dabei stellte er jedoch auch fest, dass man „über absurde Themen keinen Dialog führen“ könne.
Auch Oppositionschef Alexis Tsipras forderte eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Ankara. Natürlich werde Griechenland seine Souveränität gegen jede Bedrohung verteidigen, so der Linkspolitiker und SYRIZA-Chef. Hinter provokativen Statements türkischer Politiker sieht er einen „Nationalismus“, der durch die Wirtschaftskrise ausgelöst worden sei.

Wahlkämpfe am Horizont
Zusätzlich kompliziert wird die angespannte Lage auch durch die Tatsache, dass in beiden Ländern in den kommenden zwölf Monaten Wahlkämpfe bevorstehen. Beobachter meinen, dass Erdogan, um bei seinen Wählern zu punkten, bestehende innenpolitische Probleme vernebeln möchte. Ein Konflikt mit Griechenland könnte dafür eine gute Möglichkeit bieten. Vor allem bei streng nationalistischen Wählerschichten könnte er mit Kriegspropaganda auf Stimmenfang gehen.
Auf der anderen Seite könnte sich auch in Griechenland schon bald das Phänomen des Wahlkampfes bemerkbar machen: Parlamentswahlen finden spätestens in einem Jahr statt. Angesichts zahlreicher Probleme, mit denen das Land konfrontiert ist – allem voran die galoppierende Teuerung – wäre aber auch ein vorverlegter Urnengang denkbar, was von der Regierung allerdings dementiert wird. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel) 

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