Während Millionen Menschen in Libyen auf eine illegale Weiterreise in die EU warten, gestaltet sich der politische Dialog mit diesem Mittelmeerland kompliziert. Libyen wird von zwei konkurrierenden Regierungen verwaltet. Nun wurde den Mitgliedern einer EU-Delegation im Osten des Landes ein geplantes Treffen mit der dortigen Führung verwehrt: ein diplomatischer Affront.
Die Mitglieder einer EU-Delegation, darunter auch der griechische Minister für Migration und Asyl, Thanos Plevris, wurden am Dienstag (8.7.) in Ost-Libyen als „Persona non Grata“ bezeichnet und zurückgewiesen. Ein geplantes Treffen mit dem militärischen Befehlshaber der sogenannten Libysch-nationalen Armee Chalifa Haftar in Bengasi kam dadurch nicht zustande. Beobachtern zufolge hatten die dortigen Machthaber das Ziel, dass sich die EU-Delegation mit der gesamten – international nicht anerkannten – Regierung treffen möge.
Unterredungen mit der international anerkannten Regierung in Tripolis verliefen hingegen planmäßig. Besprochen wurde vor allem die Migrationskrise. Dabei wurde den Besuchern aus der EU eröffnet, dass bis zu vier Millionen Immigranten auf eine Weitereise nach Europa warten. Gleichzeitig signalisierte man in Tripolis die Bereitschaft, mit der EU in dieser Frage zu kooperieren.
Die politische Seite
Der stellvertretende griechische Regierungschef Kostis Chatzidakis stellte angesichts dieser Entwicklungen fest, dass der „Weg für finanzielle Unterstützung auch über Athen läuft“. Gleichzeitig sprach er von einer „chaotischen Situation“. Migrationsminister Plevris erklärte, dass man Libyen helfen werde, „die illegalen Migranten zu behalten“ und unterstützend dazu beitragen werde, dass die Betreffenden in ihre Heimatländer repatriiert werden.
Mit Bezug auf Bengasi sprach Regierungssprecher Pavlos Marinakis von einem „beispiellosen Vorfall“, der sich dort in dieser Woche abgespielt habe. In einem Interview beschrieb er einen regelrechten Menschenhandel.
„Diplomatisches Fiasko“
Die Regierungen im Osten und Westen Libyens sind verfeindete Rivalen. Griechenland bemüht sich darum, mit beiden Seiten in den Dialog zu treten. So hatte sich der militärische Befehlshaber Haftar noch am Sonntag in Bengasi mit dem griechischen Außenminister Jorgos Gerapetritis getroffen.
Die international anerkannte Regierung in Tripolis hat wiederum mit der Türkei ein Memorandum über eine gemeinsame Ausschließliche Wirtschaftszone vereinbart. Athen verurteilt dieses Abkommen als illegal, auch die Regierung in Bengasi akzeptiert dieses Memorandum nicht. Die Führung in Bengasi wiederum steht Russland nahe.
Millionen Immigranten
Unterdessen haben sich an der Küste Libyens mehrere Millionen Menschen versammelt, die auf eine illegale Überfahrt nach Europa warten. Besonders bedroht von einem starken Zustrom an Immigranten ist die griechische Insel Kreta. Allein am Mittwochmorgen waren dort 520 Asylsuchende angekommen. An einer entsprechenden Rettungsaktion 17 Seemeilen südlich der Kleininsel Gavdos hatte sich u. a. auch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) beteiligt.
Die Großinsel im Süden Griechenlands ist mit der sich abzeichnenden Situation überfordert: Es gibt weder ausreichend Unterkünfte für die ankommenden Menschen; auch ihre Weiterreise auf das griechische Festland gestaltet sich kompliziert – vor allem sind angesichts der Sommerferien derzeit auch viele Touristen unterwegs.
Um dieser Situation entgegenzusteuern, will die EU eine Lösung mit Libyen aushandeln, damit sich die Immigranten gar nicht erst auf die gefährliche Reise über das Meer nach Europa begeben. Damit dieses Ziel erreicht wird, will die EU beachtliche Finanzmittel zur Verfügung stellen. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)