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Skyros – Ein Mauerblümchen blüht: Paradies zwischen Sporaden und Kykladen

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Der Hafen Linaria Der Hafen Linaria
Wild, trocken und rau der Süden, dschungelartig grün der Norden: Skyros ist eine Insel, die nicht nur geographisch zwischen den Sporaden und den Kykladen anzusiedeln ist. Sie scheint fast den Mittelpunkt Griechenlands auszumachen, aber ihre abgelegene Lage macht sie zum Mauerblümchen unter den griechischen Touristendestinationen. Umso besser: Selbst zur Hauptsaison im August ist Skyros angenehm ruhig. Dabei gibt es viel zu entdecken.
 
Schon während der Anreise wird entschleunigt. Skyros erreicht man von Athen aus am besten über Euböa/Evia, Griechenlands zweitgrößte Insel, denn von ihrer Ostseite in Kimi legt die Fähre ab. In Euböas Hauptstadt Chalkida gibt es eine interessante Brückenkonstruktion zu bestaunen. Zweimal täglich teilt sich die „Alte Brücke“ zwischen Festland und Insel an der schmalsten Meerenge der Welt und schiebt sich in die jeweilige Straßenseite hinein. Direkt an der Brücke erstreckt sich die lebendige Uferzeile mit ihren Cafés und Tavernen, wo es abends erfrischend weht. Ansonsten ist die Hauptstadt laut und lärmend und man verlässt sie gern, um nach Kimi weiterzureisen.
Kimi ist eine Ortschaft auf zwei „Etagen“: Hafen und Bergdorf auf rund 250 Metern Höhe. Immerhin noch an die 3.000 Menschen leben in dem schönen Ort mit den alten Herrenhäusern. Im Sommer sind es sehr viel mehr, denn viele nach USA, Australien und Deutschland ausgewanderte „Kimianer“ kehren dann zurück, um sich vormittags zum Plausch unter der großen, schattenspendenden Linde auf dem Kirchplatz zu treffen.
 
Jeder schnöde Laden ist kunstvoll dekoriert
 
Um 18 Uhr geht es endlich auf die Fähre nach Skyros. In etwa zwei Stunden erreicht man den kleinen Hafen Linaria. An Bord fallen die vielen Hundebesitzer mit ihren vierbeinigen Freunden auf. Vermutlich ist Skyros hundefreundlicher als die großen Touristendestinationen, es gibt ja auch einfach mehr Platz. Von Linaria ist es nicht weit bis zur Hauptstadt Chora, denn die Insel ist dazwischen ganz schmal und trennt an dieser Stelle den Norden vom Süden.
 
Chora ist völlig im Kubus-Stil der Kykladen errichtet und schmiegt sich an einen kegelförmigen Felsen. Seine schmalen, steilen Gassen sind gesäumt von liebevoll gestalteten Boutiquen. Jeder Laden, und sei es der schnöde Supermarkt, verfügt über ein kunstvoll bemaltes Holzschild. Skyros ist bekannt für die wunderschönen Keramiken, die Holzschnitzereien und Kupfergegenstände, die man hier auch erwerben kann. In die Fassaden der vielen kleinen, uralten Kirchen sind bemalte Teller einzementiert. Auch die meisten einheimischen Häuser sind immer noch sehr traditionell eingerichtet. 
Am oberen Ende der Einkaufsstraße betreibt Herr Manolis nach 45 Jahren im Beruf immer noch seinen Laden. Hier verkauft er, unterstützt von seiner Frau, die so genannten Trochadia: traditionelle Hirtenschuhe aus Leder mit einer Öffnung für Ferse und Zehen. Seit Erfindung der Gummireifen besteht die Sohle der Schuhe aus einem Stück Reifen. Das macht den Schuh zwar schwer, aber auch äußerst widerstandsfähig gegen Kälte, Regen und Schnee. Zum „Großeinsatz“ kommen die Trochadia zur Karnevalszeit, wenn sich der Tradition gemäß die Männer in Ziegenfelle kleiden, Ziegenmasken tragen und mit Schellen behängt die Gassen durchstürmen. An den Füßen tragen sie dann die Sandalen von Herrn Manolis. Ansonsten verkauft der alte Herr vornehmlich an Touristen, denn die Hirten der Insel fertigen sich die Trochadia selbst an. Mit Herrn Manolis wird dieses spezielle Schuhhandwerk wohl aussterben. Ein Sohn ist Schauspieler, der andere Archäologe, die Tochter ist Regisseurin.
 
Alle Häuser leuchten weiß
 
Die besondere Stimmung Choras fängt man am besten in den Abendstunden ein. Ein Gang durch die Gassen, wo die meist griechischen Touristen, versprengt auch Belgier, Deutsche und Italiener, sich mit den Einheimischen mischen, eröffnet viele Blicke auf das Leben hier. Auf dem Weg hinauf zur Burg begegnen einem freundliche Menschen, die mal winzige Gemüsebeete, mal nie gesehene Pflanzen mit riesigen Blüten wässern. Alle Häuser leuchten weiß, ihre Türen und Fensterläden tragen bunte Anstriche. Großmütter sitzen auf Puppenbalkonen, toupierte Frauen liebkosen ebenso toupierte Katzen, Kinder flitzen um die Ecken, von gegenüber hört man Rembetiko-Klänge.
Erreicht man die Nord-Ostseite der Chora, landet man auf dem Rupert Brooke-Platz, von dem man einen weiten Blick auf Molos und das Meer hat. Das Denkmal auf dem Platz zeigt den englischen Dichter und Philhellenen unbekleidet. So wird ihm an hohen christlichen Festtagen der Schicklichkeit wegen ein Gewand übergeworfen.
Die meisten Hotels und Gasthäuser liegen in Molos in direkter Nähe zum Meer. Wer gern eine Liege samt Sonnenschirm und einem eisgekühlten Frappé hat, der geht zum Baden an den Strand von Girismata. Von dort ist es ein kurzer Spaziergang zur alten Windmühle, den urigen Fischerkapellen und dem historischen Steinbruch. Den Tag lässt man bei Stelios ausklingen, der bekannt ist für seine Spaghetti mit frisch gefangenem Hummer.
 
Alte Windmuehle am Meer
 
 Eine alte Windmühle am Meer
 
 
Friedlich, nichts stört Auge und Ohr
 
Von Chora aus kann man innerhalb eines Tages per Auto bequem den Norden der Insel umrunden. Überall am Straßenrand sieht man Ziegen, die friedlich und zufrieden an Gräsern und Sträuchern knabbern. Neben einer besonderen Ziegenrasse gibt es auf der Insel eine eigene, halbwilde Ponyrasse: das Skyros-Pony. 2004 hat sich ein Verein zum Schutz dieser kleinen Pferde gebildet.
An der Westseite der Insel finden sich viele Buchten zum Baden. Manche, wie die Bucht von Agios Fokas, sind nur über eine unasphaltierte Straße zu erreichen. Der Strand hier ist still und friedlich, nichts stört Auge und Ohr. Nach einem langen Tag, zugebracht mit Lesen und Schwimmen, geht die Fahrt weiter nach Agios Petros an der Nordspitze. In der gleichnamigen Taverne mit Blick auf die hellgrüne Kulisse aus Aleppo-Kiefern bekommt man traditionelle Fleischgerichte und eine Auswahl an vielen Inselspezialitäten serviert. Skyros stellt Grundlebensmittel wie Käse, Joghurt und Honig selbst her, auch das Gemüse und Obst stammt aus eigenem Anbau, ebenso wie der Wein, der hier nicht schlicht weiß oder rosé genannt wird, sondern honigfarben.
 
Die versteckten Blüten der Insel
 
Neben der Ziegenhaltung, der Landwirtschaft und heute dem Tourismus gibt es nur einen einzigen Wirtschaftszweig auf der Insel, den allerdings schon seit der Antike: die Marmorproduktion.
Der Skyros-Marmor ist weit über die Grenzen bekannt. Der besonders elegante, fein gemaserte Stein zierte schon die Athener Hadriansbibliothek und ist heute noch in der Agios Dimitrios-Kirche in Thessaloniki zu sehen. Skyros-Marmor schmückt Gebäude in Buenos Aires, London und New York und wird heute besonders gern von Russen gekauft.
Skyros ist einen Besuch wert, auch wenn oder gerade weil die Insel so stiefmütterlich behandelt wird. Das „Mauerblümchen“ unter den griechischen Inseln hat viele versteckte Blüten.
 
Anreise per Fähre über Euböa/Kimi, Volos und Agios Konstantinos. Per Flugzeug von Athen und Thessaloniki.
 
Text und Fotos von Andrea Dimitriadis 
 
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