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Festung des Ruhms und heiße Quellen

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Ein sogenanntes Maschinengewehrnest mit Blick auf die Roupel-Schlucht und den Fluss Strymonas. Ein sogenanntes Maschinengewehrnest mit Blick auf die Roupel-Schlucht und den Fluss Strymonas.

Es ist allgemein bekannt, dass das kleine griechische Volk eine nicht unerhebliche Rolle im Zweiten Weltkrieg gespielt hat. So wurde in Roupel an der griechisch-bulgarischen Grenze drei Tage lang der Einmarsch der deutschen Wehrmacht ins Land aufgehalten. Die Festung Roupel bietet heute täglich Führungen in die unterirdischen Stollengänge an. Ein lohnenswerter Ausflug für alle, die sich für die jüngere Geschichte des Landes interessieren. Von Roupel ist es nicht mehr weit bis zum Thermalbad Angistro, wo man Entspannung in den heißen Quellen finden kann.

Von Thessaloniki sind es knapp 140 Kilometer bis Promachonas, der letzten Ausfahrt vor der griechisch-bulgarischen Grenze, die man nimmt, um zur Festung Roupel und nach Agkistro zu gelangen. Man fährt durch eine menschenleere Landschaft. Ein Gefühl des Abgeschnittenseins stellt sich ein. So ist die Überraschung am Festungseingang groß: Trotz der winterlich kühlen Temperaturen warten hier bereits viele Besucher auf die nächste Führung. Sie genießen den weiten Blick auf die umliegenden Berge und Täler. In greifbarer Nähe liegen die schneebedeckten Gipfel Bulgariens und die ersten bulgarischen Dörfer. Hier stößt Griechenland auf Bulgarien – es ist ein in der Geschichte hart umkämpfter Landstrich.

Jede Menge Touristen

Der Offizier beginnt seine Führung. In militärisch strammer Manier erzählt er eindrücklich von den ruhmvollen ersten Apriltagen des Jahres 1941, als deutsche Soldaten von Bulgarien aus versuchten, über die Roupel-Schlucht nach Griechenland einzufallen und dabei von griechischen Soldaten aufgehalten wurden. Drei Tage konnte der Vormarsch der Wehrmacht abgewehrt werden. Erst nach Kapitulation der griechischen Armee in Thessaloniki verließen die Verteidiger die Festung.
In den schmalen unterirdischen Gängen, die man heute täglich zwischen 9 und 13 Uhr durchlaufen kann, empfindet der Besucher die beklemmende Atmosphäre des Eingeschlossenseins nach. Ohne Tageslicht und in großer Enge gaben die Soldaten hier alles, um ihr Land zu verteidigen. Die Führungen sind gut besucht. Kaum ist eine Gruppe hinaus aus dem Stollen, drängt sich die nächste hinein. „Wir haben hier Tag für Tag jede Menge Touristen“, sagt der Offizier. „Viele kommen aus dem Ausland, so dass wir die Rundgänge auch auf Englisch und Russisch anbieten.“ Roupel war die größte Festung von insgesamt 21 Anlagen dieser Art und Teil der sogenannten Metaxas-Linie. Sie wurde erst am Vorabend des Zweiten Weltkriegs ausgebaut. Benannt nach dem ehemaligen griechischen Premierminister und Diktator Ioannis Metaxas, diente die Verteidigungslinie der Abwehr einer möglichen bulgarischen Invasion. Sie erstreckte sich von den Kerkini-Bergen bis zu den Rhodopen. Wenn man genau hinschaut, kann man noch heute in Roupel die verschiedenen Stellungen und die Maschinengewehrnester an den Berghängen erkennen, die alle unterirdisch miteinander verbunden sind. Etliche Tonnen Beton und Stahl wurden hier verbaut. Heute sind das Gelände, ein Teil der Stollen und ein Museum für den Besucher zugänglich.

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Das Interesse an den Führungen ist groß

Von der Geschichte ins Bad

Von Roupel sind es nur wenige Kilometer bis Angistro. Die etwa 300 Bewohner des Dorfes können gut vom Tourismus leben. Es gibt ein großes Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten und Tavernen, die viele Spezialitäten der Region anbieten. Magnet für die jährlich 100.000 Besucher ist neben der Festung Roupel das Thermalbad. Die Hauptsaison ist der Winter. Das Dorf blickt auf eine nicht immer ganz friedliche Geschichte zurück. Im Osmanischen Reich wurde es von einem Bey regiert. Er machte aus dem Thermalbad einen Harem und aus dem byzantinischen Glockenturm ein Gefängnis und einen Hinrichtungsort. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Angistro hauptsächlich von Bulgaren bewohnt. Als die Balkankriege 1913 endeten, zog man die griechisch-bulgarische Grenze einige Meter nördlich des Dorfes. Angistro lag nun in einer Militärzone. Nach dem Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland von 1923 stockten Flüchtlinge aus der Pontus-Region die Bevölkerungszahl von Angistro auf über 1.200 auf.

das Thermalbad
Das mit Schnee angezuckerte Thermalbad in Angistro

Weltbeste Hühnersuppe

Angistro, zwischen Berggipfeln gelegen, ist schon seit Jahrhunderten für seine heißen Quellen bekannt. Das erste Kuppelbad entstand etwa 950 n. Chr. und ist noch heute in Betrieb. Im Laufe der Zeit sind acht Becken dazu gekommen, die man für sechs Euro pro Person 30 Minuten buchen kann. Wenn es keine wartenden Gäste gibt, wird schon mal ein Auge zugedrückt und man kann länger im etwa 39 Grad warmen Wasser liegen bleiben. Die Anlage ist an 365 Tagen im Jahr Tag und Nacht geöffnet. Besonders schön ist ein Bad am Abend. Dann liegt man im warmen Wasser und durch die kleinen runden Öffnungen der Kuppel scheint Sternenlicht hinein – Entspannung pur. Nach dem Bad ist die letzte Station des Tages die Taverne „Ta Filarakia“ (Die Freunde). Sie wird von Eleftherios und Styliani Papadopoulos betrieben. Hier gibt es die weltbeste Hühnersuppe. Lefteris und Stella halten ihre eigenen Hühner. Zur Suppe kommt Trachanas, eine getrocknete Mischung aus Mehl und Joghurt. Das Besondere an diesem Trachanas ist, dass er ganz aus Zypern kommt, woher Stella stammt. Sie hat ihren Lefteris 1978 über eine Kontaktanzeige kennengelernt, lange bevor es Online-Partnerschaftsbörsen gab. „Ich habe ihr ein paar schöne Briefe geschrieben, die wohl erfolgreich waren“, sagt Lefteris schmunzelnd. Neben der himmlischen Hühnersuppe bietet das Paar auch Seftalia an, eine zyprische Spezialität: Hackröllchen mit viel Zwiebeln, Tomaten und Paprika in einer zyprischen Pita. Das Fleisch dazu kommt aus der Region.

Erfahrungen in Tegernsee

Lefteris hat drei Jahre als Koch in einem Hotel am Tegernsee gearbeitet. Aus jeder Familie des Dorfes sei jemand in Deutschland gewesen, erzählt er. Heute hat die Familie Papadopoulos ihr Auskommen in Angistro. Besonders im Winter kommen viele Touristen ins Thermalbad. Im Sommer können sich Stella und Lefteris einen Monat freinehmen und besuchen entweder die Familie auf Zypern, die in Israel verheiratete Tochter oder den Sohn, der auf Rhodos als Koch arbeitet. „Das Leben im Dorf ist schön“, sagt Lefteris vollends zufrieden, „es ist wie unsere Küche: Einfach und rein”.

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 665 am 20. Februar 2019.

Text und Fotos von Andrea Dimitriadis

 

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