Eingezwängt zwischen Samos und Ikaria in der östlichen Ägäis liegt das Inselchen Fourni, das zusammen mit Thymena sowie rund 20 anderen Inselchen ein kleines Ägäis-Archipel bildet. Hier findet man geschützte Buchten und eine erstaunlich vielfältige Fauna und Flora vor. Auf Fourni kommen Einheimische und Gäste ganz bewusst ohne pulsierendes Nachtleben aus.
Dieses Mal sollte es eine ruhige Insel in Griechenland werden. Am besten kaum Touristen, wenig Autos, ohne Gedränge. Es sollte ein entspannter Urlaub für zwei Wochen werden – mit Olivenbäumen, Meeresrauschen und sonst nichts. Nach dem Schock auf Santorin ein Jahr zuvor, als unsere vollbesetze Fähre am Hafen von Santorin andockte und gefühlt alle tausend Passagiere ausstiegen, sollte es nun ganz anders werden. Die Wahl fiel also auf Fourni.
Unser Lieblingsstrand
Früherer Blick nach Ikaria
Fourni liegt in der östlichen Ägäis zwischen Samos und Ikaria und besteht aus mehr als 20 Inselchen, von denen einige unbewohnt sind. Die größten davon sind Fourni, Thymena und Agios Minas. Fourni ist mit rund 30,5 Quadratkilometern die größte und gleichzeitig die Heimat von rund 1.300 Seelen, die überwiegend in der gleichnamigen Hauptstadt leben. Fourni gehört zu den Kykladen, und entlang seiner Küsten finden sich unzählige Buchten, die oft vor starken Wettereinflüssen und Wind geschützt sind. Die Einfahrt in den Hafen von Fourni ist spannend, denn man dockt in einem vor wenigen Jahren neu gestalteten Hafen an. Von dort aus geht es dann wenige Minuten mit dem Koffer einmal rundherum bis zum „Zentrum“. So richtig glücklich über die neue Mole für Boote und Fähren scheinen in Fourni aber nur wenige zu sein. Zumindest erhält man diesen Eindruck, wenn man mit Einheimischen spricht. Unser Gastgeber erzählte uns bei einem Plausch und einem griechischen Kaffee vor seiner Pension: „Vor ein paar Jahren, als ich auf das Meer blickte, konnte ich bis Ikaria schauen. Man konnte alle Fähren sehen, die kamen und gingen. Jetzt schaue ich auf das Ding da.“ Oft erzählte man uns in der Hauptstadt das Gleiche: „Das neue Ding da“ versperre einem die Sicht, heißt es. Aber sie haben auch begriffen, dass „dieses neue Ding da“ Urlauber und somit auch mehr Geld bringt. Und so wird es geduldet. Was bleibt den Inselbewohnerinnen und -bewohnern auch anderes übrig. Im Hafen ankern natürlich viele Fischerboote, aber auch einige Yachten. Eine Hauptstraße führt hoch zur Tankstelle aus dem Ort hinaus; im Zentrum gibt es verkehrsberuhigte Sträßchen, an denen sich viele Cafés, Tavernen, Geschäfte, Minimärkte, ein Geldautomat und die Post befinden. Fourni Stadt ist sehr gemütlich, nicht überlaufen, aber dennoch aktiv und vor allem von vielen Katzen bevölkert. Egal, in welche Gasse man einbiegt, eine Katze gibt es dort gewiss: Sie wartet entweder vor der Tür ihres Zuhauses oder döst einfach nur, müde hingefläzt, auf dem Gehweg.
Hafen und Strand von Fourni
Verkehrsberuhigte Straße im Hauptort
Gratisliegen im Café
Schnell haben wir begriffen, dass Fourni anders tickt. Wir kamen am frühen Nachmittag an und suchten einen Supermarkt. Supermärkte gibt es in der Hauptstadt mehrere. Das verblüffte uns, denn so viele Minimärkte auf einem Haufen hatten wir selten auf einer Kykladeninsel gesehen. Sie waren jedoch geschlossen. Man sagte uns, dass sie erst abends öffnen. Also gingen wir zum Autoverleih direkt am Hafen. Wir waren die einzigen Kunden. Der Verleiher erklärte uns noch, dass wir unseren kleinen Fiat Panda nur bis 13 Uhr tanken könnten. Unmittelbar nach der Ausfahrt aus der Hauptstadt würde sich die einzige Tankstelle der Insel befinden. Und die habe – nicht vergessen! – am Sonntag geschlossen. Wir schauten auf die Uhr. 14 Uhr. „Jetzt ist die Tankstelle also zu?“, fragten wir rhetorisch. In Griechenland ist ja erfahrungsgemäß alles möglich, und vielleicht hat sie ausnahmsweise doch offen. Wir wurden diesmal enttäuscht: „Erst morgen hat sie wieder auf“, erhielten wir von unserem Vermieter zur Antwort. Ein Blick auf die Tankuhr ließ keine Zweifel offen: Heute werden wir keine Erkundungstouren mehr unternehmen. Wir spazierten also zum kleinen, schmalen Strand von Fourni, der auf einer Seite über Eisengriffe als „Einstiegshilfe“ verfügt. Auf der anderen Seite warten einige Sonnenliegen, die zu einem Café gehören. Wenn man dort etwas bestellt, darf man die Liegen gratis nutzen. Also tranken wir etwas und freuten uns auf das kühle Nass. Es gab nur ein Problem: die vielen großen, voluminösen Steine im Wasser. Ein Hineinkommen war mit nackten Füssen beschwerlich; und noch schwieriger wurde es, wollte man das Wasser wieder verlassen. Die Besitzerin des Cafés erzählte uns, dass es hier vor dem Bau der Mole einen Sandstrand ohne Steine gegeben habe. Erst als man die neue Hafenanlage baute, sei alles umgewälzt worden und die Steine seien aufgetaucht. Auch der Blick auf die Nachbarinsel und auf Ikaria sei nicht mehr so schön wie früher. Da waren wir wieder beim Thema. Wir versuchten dennoch unser Glück. Das Meer war zu verlockend.
Inseltypische Gerichte
Am Abend gingen wir einkaufen und danach in eine der vielen Tavernen am Hafen etwas essen. Es gab einfache, inseltypische Gerichte neben aufwendigeren griechischen Traditionsgerichten, die alle sehr gut schmeckten. Miltos, der Eigentümer der Taverne, erzählte uns, dass er selbst die Fische fange, die er zum Verzehr anbiete. Seine Frau bereitete sie dann sehr schmackhaft zu, wie wir fanden. Oft schaute auch sein Sohn mit seiner Enkeltochter vorbei, die dann ihrem Opa einen zarten Kuss gab und mit ihm malte. Wir probierten in den darauffolgenden Tagen auch andere Tavernen aus, doch letzten Endes kehrten wir wieder zu Miltos zurück, denn dort war es für uns einfach am leckersten. Außerdem hatte Miltos für unseren Geschmack die reichhaltigste Auswahl an Speisen.
Katzen als ständige Begleiter
Während unseres Urlaubes auf Fourni besuchten wir viele Buchten, umrundeten die Insel, entdeckten weit abgelegene Bergdörfer und sprachen mit vielen Einheimischen. Die Insel war für uns ein Traum. Obwohl es erst Anfang September war, war weit und breit kein Tourist zu sehen. Nur in der Inselhauptstadt sah man einige Urlauber, sonst nichts. In den anderen Orten der Insel herrscht Stille. Wie ausgestorben wirkten die kleinen Dörfer. Nur Katzen waren auch hier unsere ständigen Begleiter. Fourni ist von relativ seichtem Meer umgeben. Es geht selten sofort tief ins Wasser. Dadurch, dass die überwiegende Anzahl der Buchten durch die hohen Felswände geschützt ist, spürt man den Wellengang weniger, ebenso den Wind – an einigen Stellen sogar so gut wie gar nicht. Jeden Morgen suchten wir uns eine andere Bucht zum Schwimmen aus. Oft muss man auf Fourni einige Meter hinab zum Strand zu Fuß laufen. Dann warten glasklares Wasser, mehr oder weniger große weiße bis bunte Steine, bizarre Felslandschaften, kleine Fischschwärme, Seeigel und Seesterne auf den Badegast. Unsere Lieblingsbucht war Petrokopio in der Inselmitte – ein Strandabschnitt, den man auf einem einfachen Weg, vorbei an Überresten eines antiken Steinbruchs, erreicht. Am kleinen Strand warten dann etliche Tamarisken, die Schatten spenden, und ein kleiner Steg für Fischerboote. Diesen Abschnitt kann man auch über eine schmalere Piste mit dem Auto erreichen. Die antiken Überreste des Steinbruchs sind sehr sehenswert, auch wenn nicht viel davon übriggeblieben ist. Aber man sieht noch heute halbbearbeitete, strahlendweiße Marmorsäulen, von denen die größte einen Durchmesser von 1,90 Meter besitzt, sowie unfertige römische und archaische Sarkophage.
Typische bergige Landschaft der Insel
Es duftet nach Thymian und Salbei
Überraschenderweise sind wir auf der Insel auf keine einzige Eidechse gestoßen, von denen es sonst an den Trockenmauern in Griechenland nur so wimmelt. So sehr wie wir uns auch anstrengten, aber eine Mauereidechse, einen Gecko oder sonstige Reptilien wollten sich uns nicht zeigen. Auch Zikaden hörten wir nur wenige. Dennoch ist die Flora und Fauna der Insel interessant und faszinierend zugleich. Rund um Fourni kann man mit etwas Glück die Mittelmeer-Mönchsrobbe, Delfine und Meeresschildkröten entdecken. Zudem leben hier viele Vogelarten, weshalb Fourni zu den 196 wichtigen Vogelschutzgebieten Griechenlands gehört. Und an Düften der Flora besteht kein Mangel: Thymian und Salbei gehören dazu, ebensowie Heidekraut und Quecken. Olivenbäume und Alraunen sieht man überall. Dazu kommen Johannisbrotbäume und Pfefferbäume (Schinus). Aus den Kräutern wird der inseltypische Thymianhonig gewonnen, der in Griechenland für seine Qualität bekannt ist. Die Honigherstellung, die Fischerei und der immer wichtiger werdende Tourismus sind die Haupteinnahmequellen der Insel.
Pfefferbaum mit Früchten
Versunkene, antike Siedlung
Man findet hier zwar einige wenige griechische Bücher über Fourni, aber was uns fehlte, war ein richtiger Inselführer, eventuell sogar auf Englisch oder Deutsch. So mussten wir mit den wenigen Infos, die wir hatten, zurechtkommen. Eine äußerst lebenmdige Alternative waren natürlich die vielen Gespräche mit Einheimischen, die sehr offen, gastfreundlich und auskunftsfreudig waren. Sie erzählten uns von den vielen kleinen Kapellen beispielsweise, oder dass es in spätantiker Zeit in Kamari eine Akropolis gab, von der heute kaum mehr etwas zu sehen ist – lediglich einige Ruinen dieser halb versunkenen, antiken Siedlung haben sich erhalten. In Chrysomilia ganz im Norden sollte man die Ruinen eines Tempels aus der klassischen Zeit neben dem heutigen Friedhof besichtigen. Ansonsten gibt es auf Fourni auch noch Überreste von historischen Türmen. Von einigen wenigen kleinen Museen ist das Volkskundemuseum mit seinem traditionell eingerichteten Wohnhaus in Fourni-Stadt eines der bedeutendsten. Das Inselchen Fourni ist sicherlich nichts für Urlauber, die Nächte durchtanzen oder -feiern möchten, aber ein Paradies für alle diejenigen, die nichts weiter als Entspannung und gutes Essen unter griechischer Sonne suchen.
Text und Fotos von Sandra Mwamba
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 928 am 26. Juni 2024.