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Sonnenblumenkerne und der Mythos der Clythia

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Ob gesalzen oder ungesalzen, Sonnenblumenkerne (ηλιόσποροι) sind in Griechenland eine beliebte Knabberei. Sie sind in allen Läden erhältlich, werden in den Straßen in kleinen Tüten verkauft und gleich unterwegs gegessen. Es gibt hierzulande sogar die Spόria*-Knackkunst, eine Fertigkeit, die viele Griechinnen und Griechen beherrschen und geschickt Sonnenblumen- und weiße Kürbiskernenschalen öffnen.

Die Kunstfertigsten sind freilich jene, die das Knacken der feinen Schalen von Kindesbeinen an erlernen. Theodoros, der Nachbarsohn, ist ein wahrer Champion in der schwieirggen Disziplin des Sonnenblumenkernknackens. Er hat stets eine Handvoll davon in seiner Hosentasche, die er meist dann verzehrt, wenn er nichts zu tun hat – nach dem Aushelfen auf der Schaffarm etwa, während er gleichzeitig auf seinem Mobiltelefon herumspielt.
Die Spreu der delikat würzigen Leckerbissen auf dem zementierten Boden ist mir ein vertrauter Anblick. Sie wird vom Winde verweht, und entwischt ihm ein ungeknackter Kern, wächst hie und da eine Sonnenblume ums Haus herum! Und so, demonstriert mir Theodoros, geht es: „Du nimmst den Sonnenblumenkern mit dem spitzen Ende voran, und zwar in vertikaler Lage, zwischen die Vorderzähne und beißt ihn vorsichtig auf. Wenn der Kern an deiner Zunge klebt, spuckst oder bläst du die Schalen aus.“
Doch nur Übung macht den Meister, und ich erahne, dass das Amüsement mit den winzigen Leckerbissen Mußestunden entwachsen ist, während denen man sich auf ähnliche Weise entspannt wie mit dem Komboloi, der Perlenschnur, die jeder Grieche spielerisch-geschickt zu handhaben weiß.
Nebst dem Knabber- und Knackspaß sind die Sonnenblumenkerne zudem gesund. Sie enthalten reichlich Vitamine, Magnesium, Kalzium und ungesättigte Fettsäuren. Geschält und ungeschält werden die iliόspori sowohl für den einheimischen als auch für den internationalen Markt gereinigt und verpackt. Um ihre Haltbarkeit zu verlängern, werden sie wie Erdnüsse geröstet oder zudem gesalzen.
Der Name der Sonnenblume (ηλιοτρόπιο) , Helianthus annuus, hat seinen Ursprung übrigens in der griechischen Mythologie. Der Sage nach sitzt die unsterblich in Apollon verliebte Königstochter Clythia aufgrund der vom Lichtgott nicht erwiderten Liebe neun Tage lang splitternackt auf einem Felsen, weint sich die Seele aus dem Leib und verwandelt sich schließlich in eine Blume, die sich unentwegt nach der Sonneneinstrahlung, nach Apollos Sonnenwagen dreht ...

(Griechenland Zeitung / Linda Graf)

*Von σπόρος (spóros) = Samen, Kern

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