Man hätte einen liebenswürdigeren Namen für den in einer prachtvollen Farbe erblühenden Baum wählen können, stattdessen leitet sich seine Benennung aus der Legende eines Verräters ab. Ihr zufolge soll der Apostel Judas sich, nachdem er Jesus von Nazareth verraten hat, an eben einem dieser blühenden Bäume erhängt haben. Vor Scham, heißt es, sind dessen Blüten errötet!
Glücklicherweise wartet der Gewöhnliche Judasbaum aus der Familie der Johannisbrotgewächse mit anderen Namen auf. Der Cercis siliquastrum wird auch als Salatbaum und in seiner schönsten Version als Liebesbaum bezeichnet. Der Grund für letzteren Namen ist auf die Form seiner purpurroten Blütenblätter zurückzuführen, die an Herzchen erinnern. Weltweit gibt es zehn verschiedene zur Gattung der Judasbäume gehörende Arten. Hier am Ionischen Meer fängt der Liebesbaum bereits im April zu blühen an. Hiesiges Klima und die kalkreichen, steinigen Böden mit ihrem mäßigen Nährstoffgehalt scheinen für sein Gedeihen äußerst bekömmlich zu sein, denn sei es in der Ebene – zu Füßen der Berge –, in den Wiesen, auf Feldern und Berghängen, überall erleuchten die Liebesbäume in ihrer vollen Blütenpracht. Wie riesige purpurfarbene Blumensträuße sehen sie in der um diese Jahreszeit strotzend grünen Landschaft aus, die Farbtupfer sind ein absoluter Hingucker! Zu meiner Freude habe ich gleich hinterm Haus einen kleinen, blühenden Judasbaum entdeckt. Ich hielt ihn bisher für ein Gehölz unter anderen, bis er Blüten zu treiben begann. Bis zu 30 Zentimeter wächst der Judasbaum pro Jahr, und so wird in einigen Jahren hinterm Haus ein prächtiger Liebesbaum im Feld stehen. Die Blüten sind übrigens essbar und werden im Orient zur Verzierung von Speisen und Salaten verwendet. Bei ihren prachtvollen Kronen und den Abertausenden von Blüten erkundige ich mich bei meiner Nachbarin Stassoula, welche Früchte die Blüten wohl hervorbringen werden? „Το δέντρο του Ιούδα?“ – „Der macht keine Früchte“, sagt sie zu meiner Verwunderung, „keine Aprikosen, keine Maulbeeren. Der macht Blüten und sieht schön aus, sonst macht der gar nichts!“
(Griechenland Zeitung / Linda Graf)