Dieses Haus scheint seit einer kleinen Ewigkeit so dazustehen: verlassen, offen, noch keine Ruine, aber auf dem Weg dorthin. Die Einrichtung in diesem Haus ist vorhanden, so als ob man an die letzten Besitzer erinnert werden sollte …
Fotos an den Wänden. Das schmale Bett mit einer grünen Decke überzogen. Kissen und Decken liegen am anderen Ende bereit. Selbst ein Fernseher wartet in einer Ecke darauf, wieder angestellt zu werden. Das Dach beginnt einzustürzen. Ein Balken hängt schräg in den Wohnraum. Eine Hauswand ist eingefallen, aus den Trümmern wächst ein Feigenbaum. Aber das Glas in den Türen vom Einbauschränkchen ist noch intakt. Geschirr und Gläser stehen darin bereit. Es kommt nur niemand mehr, kein Gast, und auch nicht die Bewohner dieses Hauses. So sieht es nach einem Krieg aus oder nach einer Verseuchung, nach einem Atomunfall, wenn Menschen ihre Heimat fluchtartig verlassen haben. Oder eben, wie in diesem Fall, wenn es offenbar keine Erben gibt und der letzte Bewohner, die letzte Bewohnerin gestorben sind, niemand das verlassene Haus in Besitz nehmen kann. Kein Besatzer, kein Spekulant, kein Schnäppchenjäger. Ein Brotkasten steht auf dem Kanapee. Der hatte zu Lebzeiten der Bewohner dort nichts zu suchen. Eine Schublade ist auf dem Tisch abgestellt, auch das war sicher einst anders. Aber unter der Schublade liegt noch die Tischdecke, so wie sie einst genutzt worden ist, wenn zu Mittag gegessen wurde oder gefrühstückt. Seit Jahren muss dieses Haus leer stehen, Wind und Wetter ausgesetzt. Noch ist zu erkennen, wer hier einst gelebt hat. Fegte man Mörtel und Schutt beiseite, wischte man den Staub weg, besserte man aus, baute man wieder auf, könnte hier wieder jemand einziehen. Die Einrichtung ist immer noch so, als ob jederzeit jemand zur Tür hereinkommen könnte und wieder Leben in dieses Haus bringen. Es ist das Haus der alten Bäckersleute. Vor vierzig Jahren war unten die Backstube, es gab einen runden, gemauerten Ofen mit einer kleinen Luke, gefeuert wurde mit Reisig und Holz. Der Teig wurde mit einem langen Holzschieber hineingeschoben, das fertige, das heiße Brot damit dann herausgeholt. In den Dorfgassen roch es den ganzen Vormittag nach frischem Brot. Abenteuerlich die steile Steintreppe, die hinunterzugehen war, um vor der Backstube bedient zu werden. Der Bäcker stand direkt vor der Luke und hantierte mit dem Holzschieber, die Bäckersfrau gab die Ware heraus und kassierte. Viel zu klein war die Backstube, um hineingehen zu können, man wartete vor der Tür. Die Bäckersfrau guckte oft finster drein, sie schien selten gut gelaunt zu sein. Heiß war es in der Backstube, früh, mitten in der Nacht, hatten die Bäckersleute aufzustehen. Und was kostete schon solch ein köstlich schmeckendes, heißes Brot? Grundnahrungsmittel eben, zu einem Spottpreis verkauft. Da blieb nicht viel übrig für die Bäckersleute. Am Vormittag konnte man Bleche mit eigenem Mittagessen vorbeibringen, Kartoffeln, Huhn, Gemüse vielleicht. Und nach einer Stunde etwa bekam man das köstlich dampfende und schnuppernde Mittagsmahl zurück. Knusprige Backkartoffeln nun, Kotopoulo lemonato, frisch aus dem Ofen, für ein paar Drachmen nur, symbolisch, denn der Backofen war dafür nicht neu angefeuert worden, die Hitze vom Brotbacken wurde genutzt. Die Backstube ist verrammelt, dort kann man nicht hineinschauen. Aber das offene, verlassene, halb ruinöse Haus darüber wirkt wie ein Sinnbild für die Vergänglichkeit. Nichts bleibt am Ende, alles Anhäufen von diesem und jenem ist sinnlos, auch die Mühsal am Ende ist in diesen letzten Bildern nicht mehr zu erkennen. Der Betrachter schaut in dieses verlassene Haus, nachdenklich, auch sentimental und demütig zugleich. An dieser offenen Hauswand kann er innehalten und das eigene Leben bedenken. Was ist wirklich wichtig, wie ist die verbleibende Zeit zu nutzen? Was am Ende bleibt? Ein Feigenbaum vielleicht, der aus dem Schutt wächst. (Griechenland Zeitung / Stefan Berkholz)