In diesem Jahr flattern überraschend viele Schmetterlinge in griechischen Gefilden herum, was unter anderem auf den Blütenreichtum aufgrund der diesjährig häufigeren Regenfälle im Frühling zurückzuführen ist. Abertausende sind im nunmehr trockenen, sonnigen Wetter unterwegs, sie fliegen uns beim Fahren sogar beim geöffneten Wagenfenster herein.
Nebst ihrer bemerkenswerten Anzahl ist auch die Artenvielfalt am Ionischen Meer spektakulär. Um nur einige aufzuzählen, die meinen Garten besuchen, beim Gießen auffliegen, sich am Nektar gütlich tun oder sich mit zusammengeschlagenen Flügeln auf Blüten und in den Büschen ausruhen: Es gibt orangenfarbene Monarchen, Schwalbenschwänze, es gibt besonders viele Segelfalter, die stets den Eindruck in mir erwecken, dass sie rückwärts fliegen. Es gibt viele Wander-Gelblinge, auch als Postillion bezeichnet, unzählige Mittelmeer-Zitronenfalter, ebenfalls Kleopatra-Falter genannt, die im Gegensatz zum gängigen Zitronenfalter einen orangefarbenen Tupfer auf beiden Oberflügeln aufweisen. Es fliegen auch Hunderte von lavendelfarbenen, fingernagelgroßen Winzlingen herum, deren Bezeichnung mir unbekannt ist. Heutzutage als πεταλούδα (petaloúda) bezeichnet lautet das Wort für Schmetterling im alten Griechenland ψυχή, was Seele bedeutet. Psyche, die griechische Göttin der Seele, wird in diesem Zusammenhang häufig als schöne Frau mit Schmetterlingsflügeln dargestellt. In der griechischen Antike hält man die herumtaumelnden Schmetterlinge für die Seelen von Verstorbenen. Das Schlüpfen der πεταλούδα aus dem Kokon symbolisiert eine Seele, die ihren menschlichen Körper verlässt, um sich auf ihre Reise ins Jenseits aufzumachen. Somit steht der sich in die Lüfte erhebende Schmetterling gleichsam für die Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Um den Übergang vom Reich der Lebenden ins Reich der Toten zu veranschaulichen, wird der Totengott Thanatos demzufolge oftmals als Jüngling dargestellt, der einen Schmetterling in seinen Händen hält. Zudem steht das Symbol des Schmetterlings und seiner Metamorphose von der erdgebundenen Raupe zum geflügelten Wesen für den Übergang eines Bewusstseinszustands in einen anderen: für den Übergang vom Wach- in den Schlafzustand oder ins Tagträumen; für den Entwicklungs- und Reifeprozess im Lauf eines menschlichen Lebens.´Von der Toten- und Fruchtbarkeitsgöttin Persephone heißt es gar, dass sie Schmetterlinge aus dem Nichts hervorzaubern kann und dass sie sich, wenn etwas sie in Aufruhr versetzt, in eine Wolke von Schmetterlingen transformiert. Das passiert ihr nämlich, als sie Hades zum ersten Mal in der Unterwelt küsst! Da löst Persephone sich in einen Schmetterlingsschwarm auf und entfliegt ihrem Freier hinauf ins Sonnenlicht, zu Blüten und Nektar! (Griechenland Zeitung / Linda Graf)