Eigentlich sehnt man sich ja nach heißen Sommertagen in Griechenland, nach Entspannung, Freiheit, nach Schwimmen und Sonnenbaden. Im griechischen Alltagsleben tut man sich eher schwer mit der Hitze.
Aus den Unterhaltungen ist herauszuhören, dass es vielen Griechinnen und Griechen schier unbegreiflich ist, dass die ausländischen Gäste hier am Ionischen Meer zu den heißesten Tageszeiten Rad fahren, joggen oder in der gleißenden Sonne am Strand liegen. „Γιατί?“, fragt Takis, der Betreiber hiesiger Campingtaverne, als sich ein schweißgebadeter Jogger mit hochrotem Gesicht in der glühenden Mittagssonne und im Straßenstaub vorbeiquält. Als Einheimischer geht man der Hitze aus dem Weg – eigentlich tut man alles, um sich vor den starken Sonneneinstrahlungen zu schützen. Von den Behörden erhält man Ratschläge, körperliche Belastungen besonders in den Stunden nach 12 Uhr zu vermeiden. Schwerere Arbeiten in landwirtschaftlichen Betrieben oder am Bau organisiert und verrichtet man zu frühen Morgen- oder zu Abendstunden. Bei Hitzewarnung sitzt man um die Mittagszeit – wenn die Sonne so richtig knallt und auf der Haut brennt, wenn der Boden zu heiß für die nackten Füße wird und die Sohlen billiger Flipflops ihren klebrigen Schmelzpunkt erreichen – drinnen. Und falls man draußen sitzt, dann ausschließlich im Schatten. Bestenfalls unter Bäumen, Laub bietet im Gegensatz zu Strandschirmen einen besseren Sonnenschutz und mehr Kühle. Glücklicherweise haben wir mehrere Tavernen und Kafenions im Ort, in denen man unter Bäumen sitzen kann. Begibt man sich vom Sonnenlicht in ihren Schatten, ist der Temperaturunterschied erstaunlich spürbar. Als Grieche frönt man der Hitze nicht, sondern geht ihr tunlichst aus dem Weg. „Vermeide es, wenn immer es geht, dich im Freien aufzuhalten“, rät mir mein Freund Jannis. „Bleib drinnen“, ergänzt er mit Nachdruck, „und lass den Ventilator ständig laufen.“ Ein bisschen grinsen muss ich schon. Vor Jahren, als ich mich weniger in Griechenland aufhielt, wäre mir dieser Ratschlag absurd vorgekommen. Mittlerweile gehe ich der Hitze ebenfalls aus dem Weg und vermeide es, zu Unzeiten in der Sonne zu sitzen, zu liegen, zu arbeiten oder zu essen. Die Tätigkeiten in Haus und Garten beginne ich genauso wie meine griechischen Nachbarn um sechs in der Früh. Die 76-jährige Stamata gibt mir den Tipp, alle Fenster und die im Schatten liegenden Fensterläden geöffnet zu halten und letztere zu verschließen, wenn sich die Sonne nähert. Ich höre auf die altbewährten Tricks und halte die Temperatur im Haus tatsächlich um einiges kühler. Nächtens sind alle Türen und Fenster geöffnet, die Fliegengitternetze – hier auch Skorpion-, Eidechsen-, Spinnen- und Schlangengitternetze – sind ein Muss. Meine Nachbarin Joanna arbeitet in Giorgos’ Supermarkt, wo die Klimaanlage auf Hochtouren läuft. „Von der Arktis in die Wüste“, krächzt sie. Sie hat Halsschmerzen, der Temperaturunterschied zwischen innen und außen ist gewöhnungsbedürftig. Alles Essbare muss in den Kühlschrank. Das Wasser trinkt sich ansonsten lauwarm, im Schrank schmilzt die Schokolade in der Verpackung. Die Hunde buddeln Mulden in die Erde, in denen es sich kühler liegt. So wie sie sich im Winter ausgiebig über die παρέα des Feuers im Kamin unterhalten, unterhalten sich die Griechen hier im Ort nun lange und ausgiebig über den Genuss des Schwimmens im Meer – ausschließlich zu späten Nachmittagsstunden, versteht sich. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)