Es ist heiß, zu heiß. Zu heiß, um in der Mittagsstunde einen Hügel hochzuradeln. Zu heiß, um in der gleißenden Sonne zu joggen. Spyros, ein Krankenpfleger aus unserer Region, der Erste Hilfe leistet, kann bloß den Kopf schütteln beim Aufzählen von Unfällen, die sich in den letzten Tagen wegen der hohen Temperaturen gehäuft ereignet haben.
Es handelt sich bei den „Patienten“ fast ausschließlich um Touristen, die ihr Verhalten einfach nicht an die Hitze anpassen wollen. Seit Tagen ist es nächtens sogar so heiß, dass ich Strandtücher oder Decken auf die Betten lege, um nicht täglich die Laken wechseln zu müssen. Zu welcher Tageszeit soll man denn überhaupt etwas tun, wenn einem beim bloßen Atmen schon der Schweiß wie Regenwasser am Körper entlang und in die Augen läuft? Nun, die Arbeit beginnt ab Sonnenaufgang. Bauarbeiter, Bauern und Personen, die im Freien werkeln, stehen gegen 5 Uhr in der Frühe auf. In unserem Ort am Ionischen Meer setzt daher der Last- und Betriebsverkehr bereits vor 6 Uhr ein. Und wann geht man schwimmen? Bereits ab 7 Uhr treffe ich Badende am Strand. Nicht alle schwimmen natürlich. Viele Einheimische genießen einfach das kühlere Wasser, meist mit Hut, wobei sie sich liebend gerne mit anderen Wasserratten unterhalten. Nach dem morgendlichen Bad sieht man Griechinnen und Griechen erst wieder ab 17 Uhr am Strand. Viele Dörfler schwören darauf, dass die Meerestemperatur ab den Abendstunden die absolut wonnigste ist.´Zwischen 12 Uhr und 17 Uhr jedenfalls ist Siesta-Zeit. Die Einheimischen ziehen sich zurück, man hält sich zu Hause auf, in einem möglichst kühlen Raum. Ist man draußen, dann nur im Schatten! Immer! Keine Griechin, kein Grieche sitzt bei extremer Hitze in der Sonne, keine Griechin, kein Grieche brutzelt bei Temperaturen über 40 Grad auf einer Liege am Strand. Für meine griechischen Freunde ist es unverständlich, wie Touristinnen und Touristen bei Temperaturen über 40 Grad radeln, joggen, in der Sonne sitzen und liegen können. Zu welcher Tageszeit isst man eigentlich bei diesen Celsiusgraden? Auch diese Gewohnheiten laufen selbstverständlich nach einem Hitzeplan ab: Abgesehen von leichten Speisen – wie Obst, Salaten oder salzigen Happen zwischendurch – nimmt man seine Mahlzeit meist in den Abendstunden zu sich, wenn die Hitze nachgelassen hat. Mir haben die heißen Temperaturen so lange zu schaffen gemacht, bis ich mir die Gewohnheiten der Einheimischen zu eigen gemacht habe. Bei extremer Hitze stehe ich um 5.30 Uhr auf, füttere Katzen und Pudeldame Marcella, sodass ich zwischen 6 und 7 Uhr meinen Arbeiten oder Freizeitaktivitäten wie Schwimmen, Spazierengehen und Wandern nachgehen kann. Nein, das mit dem Wandern nehme ich zurück! Dazu ist es ab 9 Uhr bereits viel zu heiß! Ich trinke Wasser, viel Wasser, ich esse Wassermelone; zu einem Glas Ouzo, Bier oder Wein esse ich Salziges, genauso wie meine griechischen Freunde. Wenn ich im Garten stehe, wenn mein Herz allein aufgrund der Hitze schneller schlägt, dann flüchte ich mich in die kühle Stube und ruhe. Bis die Hitze abflaut, bis sich meine Lebensgeister wieder regen. Dann erwacht auch das Dorfleben um mich herum erneut: Nachbarn schwatzen, Hunde bellen und Vögel zwitschern, Hammerschläge und das Kreischen des Brenners tönen aus der Schreinerei nebenan bis zu mir herüber, und das Geschrei der Kinder bei ihren Spielen erklingt wieder zur endlich kühleren Abendzeit. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)