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Griechenland: Oppositionspartei PASOK Sieger der Europawahlen Tagesthema

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Griechenland: Oppositionspartei PASOK Sieger der Europawahlen
Die oppositionelle Panhellenische Sozialistische Bewegung PASOK von Jorgos Papandreou konnte am gestrigen Sonntag bei den Europawahlen ihren ersten Wahlsieg seit den Parlamentswahlen im Jahr 2000 verbuchen. Nach dem vorläufigen Endergebnis stimmten 36,65 % der Griechen für die PASOK, die regierende Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Kostas Karamanlis erhielt  32,29 %. Die Differenz beträgt demnach 4,36 Prozentpunkte. Beide Parteien werden je acht Abgeordnete in das Europäische Parlament entsenden. Als dritte politische Kraft behauptete sich mit 8,35 % die Kommunistische Partei KKE.
KE. Viertstärkste Fraktion wurde die rechtspopulistische Orthodoxe Sammelbewegung LAOS von Jorgos Karatzaferis: Die LAOS brachte es auf 7,15 % – ihr bisher bestes Ergebnis. Das erstmals als SYRIZA angetretene Linksbündnis um die Parlamentspartei Synaspismos erreichte 4,7 % und „Die Grünen/Ökologen" 3,5 %. Letztere stellen damit erstmals einen Abgeordneten für das Parlament in Straßburg.
Sorge muss allen Parteien der historische Höchstwert bei der Stimmenthaltung bereiten: 47,37 %, fast die Hälfte der wahlberechtigten Griechen, zogen es vor, den Urnen fernzubleiben und das verlängerte Pfingstwochenende anderweitig zu nutzen. Die 52,6 % Wahlbeteiligung ist die niedrigste in der der neugriechischen Geschichte.

Karamanlis: „Das Ergebnis ist nicht befriedigend"

Premier Karamanlis kommentierte noch in der Nacht die Wahlniederlage der ND im Athener Zappeion-Palais: „Das Ergebnis ist sicher nicht befriedigend für uns; viele unserer Wähler haben sich heute der Stimme enthalten, um uns eine Botschaft zu schicken." Unter Anspielung auf Fehltritte einiger seiner Minister sagte der Regierungschef, dass sich viele Wähler am Verhalten einiger Funktionäre gestört hätten.
Im Hinblick auf die PASOK stellte er fest, dass die Bürger weiterhin vor dem Dilemma stünden, mit Verantwortung oder verantwortungslos regiert zu werden. „Wir werden seriös weiterarbeiten, damit das Land mit dem geringst möglichen Schaden aus der Krise herauskommt", sagte der Premier.

Papandreou: Erster Schritt für neues Kapitel

Oppositionsführer Papandreou sprach seinerseits von einem klaren Sieg. „Die PASOK verlangt bereits seit langem vorverlegte Neuwahlen. Dieses Drängen ist nun zu „einer Forderung des Volkes" geworden", meinte der Sozialistenführer. Er rief gleichzeitig seine Partei auf, jetzt erst recht die „Ärmel hochzukrempeln und für die Krisenbewältigung" zu arbeiten. In seinen Augen habe die PASOK die Verhältnisse im Land umgekehrt. Der erste Schritt sei getan worden, damit das Griechenland ein neues Kapitel aufschlagen kann, so Papandreou.

Linke Parteien: Zufriedenheit und Enttäuschung

Die Generalsekretärin der Kommunistischen Partei KKE, Aleka Papariga, äußerte sich zufrieden mit dem Wahlergebnis: Die KP habe „den unzähligen Provokationen standgehalten und sich heldenhaft behauptet". Im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2007 konnte die KP ihren Stimmenanteil leicht erhöhen.

Alexis Tsipras, Vorsitzender des SYRIZA, zeigte sich vom Wahlergebnis enttäuscht. „Wir haben uns mehr erwartet. Wir haben hart gekämpft, aber einige Schwächen nicht überwunden", sagte der Linkspolitiker.

LAOS-Partei gestärkt

„Ein hoher Stimmanteil bedeutet eine höhere Verantwortung". So kommentierte der Parteivorsitzende der rechtspopulistischen Orthodoxen Sammlungsbewegung LAOS, Jorgos Karatsaferis, den deutlichen Zuwachs seiner Partei. Im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2007 wurde der Stimmenanteil mehr als verdoppelt. Sein Ziel – so Karatzaferis – sei es nun, die LAOS als dritte politische Kraft zu etablieren.

Bei der Partei der „Grünen – Ökologen" herrschte ebenfalls Zufriedenheit. Der  Spitzenkandidat Michalis Tremopoulos betonte, dass alle gesetzten Ziele erreicht worden seien. Gleichzeitig äußerte er seine Zuversicht, im nächsten nationalen Parlament „mit mindestens neun Abgeordneten" vertreten zu sein. Tremopoulos ist der erste griechische grüne Abgeordnete, der den Sprung ins Straßburger Parlament schafft.

Lebenszeichen der kleinen Parteien

Als Überraschung bei den Europawahlen in Griechenland kann man auch das Abschneiden der kleinen Parteien werten. Sie erhielten insgesamt mehr als sieben Prozent: Die Panhellenische Makedonische Front des Ex-Ministers Stelios Papathemelis erreichte beispielsweise 1,27 Prozent, die Partei der griechischen Jäger 1,26 Prozent und die Partei „Aktion" des ehemaligen ND-Ministers Stefanos Manos 0,76 Prozent,

Ergebnisse in Athen und Thessaloniki

Unterschiedlich gestaltet sich das Ergebnis der Wahlen in den beiden größten Ballungsräumen des Landes. Im Ersten Athener Wahlkreis liegen PASOK und ND mit etwa 30 Prozent fast gleich auf; im Zweiten Athener Wahlkreis, der vor allem die Vorstädte umfasst, liegt die PASOK mit 33,48 Prozent fast 12 Prozentpunkte vor den Konservativen. Aber auch in Piräus haben die Sozialisten die Nase vorne. Gemischt sieht es in Thessaloniki aus: Im Ersten Wahlkreis der nordgriechischen Metropole liegt die PASOK mit 30,67 drei Prozentpunkte vor der ND; im Zweiten Wahlkreis erreichte die ND hingegen mit zirka 35 Prozent Platz eins, gefolgt von der PASOK mit rund 31 Prozent.

Grübeln bei der ND

Der Ausgang der Europawahlen hat bei der regierenden ND für unterschiedliche Reaktionen gesorgt. Finanzminister Jannis Papathanassiou gestand die Wahlniederlage zwar ein. Trotzdem stellte er fest, dass er keinen Anlass sehe, seine Wirtschaftspolitik aus wahltaktischen Gründen zu ändern. Im Gegensatz dazu äußerte Kulturminister Antonis Samaras seine Befürchtung, „dass unsere Wähler nicht zurückkehren werden, wenn wir uns nicht ändern". Und auch die ND-Spitzenkandidatin Marietta Jannakou schloss sich dieser Aussage an und bemerkte, dass die Partei nun Zeit für Korrekturen des politischen Programms habe.

Reaktionen in der Presse

Die regierungsnahe Presse ist heute darum bemüht, die Niederlage der Konservativen nicht überzubewerten. Die „Apogevamitini" titelt beispielsweise: „Eine Schlacht ist verloren gegangen, aber nicht der Krieg". Die „Kathimerini" wiederum spricht auf ihrer Titelseite von einer „deutlichen Botschaft" und einer „historischen Stimmenthaltung". Die regierungskritische „Eleftherotypia" sieht im Wahlergebnis eine „Schlappe" für die Nea Dimokratia". „Ta Nea" schließt sich dem PASOK-Vorsitzenden Papandreou an und stellt sich hinter seine Forderung, vorverlegte Neuwahlen durchzuführen. In dasselbe Horn stößt die Tageszeitung „To Vima".
In allen Medien wird auf den hohen Anteil der Stimmenthaltung hingewiesen, der das gesamte politische System, aber vor allem die beiden großen Parteien ND und PASOK, nachdenklich stimmen müsse. Bei den letzten Europawahlen im Juni 2004 waren noch mehr als 63 Prozent der Wähler an den Wahlurnen erschienen; am Sonntag waren es mit zirka 52 Prozent elf Prozentpunkte weniger.

Der Wahlsonntag in den übrigen europäischen Ländern

Griechenland schwimmt mit dem Sieg der Sozialisten gegen den Strom in Europa. In den meisten Staaten gingen aus dem Urnengang vom Sonntag konservative Parteien gestärkt hervor. In Deutschland bleiben CDU/CSU, wenn auch mit Verlusten, die Nummer eins. Die SPD kam gerade mal über die 20-Prozent-Marke. Herbe Verluste mussten die Sozialdemokratischen Parteien auch in Portugal, Frankreich und Großbritannien hinnehmen. In Österreich fiel die SPÖ auf einen Stimmenanteil von lediglich 24 Prozent und verlor gegenüber der letzten Europawahl fast 10 Prozent. Die Tageszeitung „Der Standard" sprach von „Grabesstimmung in der Parteizentrale".
Der Trend nach rechts kommt auch in der neuen Zusammensetzung des Europäischen Parlaments zum Ausdruck. Die Konservative Fraktion bleibt mit etwa 270 von 736 Sitzen stärkste Kraft. Während die rechten Parteien nur etwa 15 Mandate einbüßen, müssen die Sozialdemokraten die Reduzierung um zirka 50 Abgeordnete verschmerzen.

Europäer verweigerten sich

Europaweit sank die Wahlbeteiligung auf einen historischen Tiefststand: Nur 43 Prozent der Bürger machten von ihrem Stimmrecht Gebrauch. 30 Jahre zuvor, bei den ersten Wahlen für das Parlament in Straßburg waren es noch fast 62 Prozent. Damals bestand die EWG aus neun Staaten. (Griechenland Zeitung; Foto: Eurokinissi)

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