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Griechenland hat neue Milliarden-Kredite in Aussicht Tagesthema

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Griechenland hat neue Milliarden-Kredite in Aussicht

Athen hat sich mit den internationalen Geldgebern grundsätzlich auf ein drittes Spar- und Reformprogramm (Memorandum III) geeinigt. Noch am Donnerstag sollen entsprechende Gesetze verabschiedet werden. Im Gegenzug erwartet die Links-rechts Regierung neue Milliardenkredite.


Griechenlands Regierung ist offenbar der Durchbruch bei den Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und Europäischer Stabilitätsmechanismus) über ein drittes Spar- und Reformpaket (Memorandum III) gelungen. Am Dienstagmorgen konstatierten die griechischen Verhandlungsführer, Finanzminister Evklidis Tsakalotos und Wirtschaftsminister Jorgos Stathakis, nach fast 24-stündigen Gesprächen im Athener Hilton Hotel: „Ende gut, alles gut“. Die Regierung aus dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) und der rechtspopulistischen „Unabhängige Griechen“ (ANEL) hat sich dabei bereit gezeigt, viele ihrer bisherigen „Roten Linien“ zu durchbrechen. In ersten Telefongesprächen am Dienstag zwischen Premier Alexis Tsipras und hohen europäischen Politikern soll v. a. aus Berlin noch Zurückhaltung an den Tag gelegt worden sein. Man wolle ein tragbares Abkommen und kein schnelles, soll die Botschaft gelautet haben.

Umfassende Privatisierungen

Vor allem bei den Veränderungen im System der Sozialversicherung bei Privatisierungen von Staatsbesitz begibt sich SYRIZA auf schwieriges Terrain. Angetreten war die Regierung unter dem Linkspolitiker Tsipras sogar mit dem Vorsatz, bereits eingeleitete Verkäufe wieder rückgängig zu machen. Im Rahmen des „Memorandums III“ sollen nun u. a. 14 Provinzflughäfen, die staatliche Griechische Bahn sowie die Häfen von Piräus (OLP) und der zweitgrößten Stadt Thessaloniki (OLTH) unter den Hammer kommen. Als Feigenblatt dient Athen die Argumentation, dass es sich nicht um Verkäufe handle, sondern um langfristige Verpachtungen. Die auf diese Weise angestrebten Einnahmen sollen insgesamt 50 Milliarden Euro ergeben – allerdings vor einem zeitlichen Horizont von 30 Jahren. Wenn man bedenkt, dass die Vorgängerregierungen innerhalb von vier Jahren lediglich 3,1 Milliarden Euro durch Privatisierungen für die Staatskassen erwirtschaften konnten, erscheint das jetzige Ziel mehr als ehrgeizig. Durch das neue Maßnahmenpaket werden außerdem weitere Einschnitte etwa in den Bereichen Gesundheitsfürsorge, Energie (Strom und Gas) sowie beim Renteneintrittsalter erwartet. Eingelenkt haben sollen die Geldgeber bei der Frage der Versteigerung des Erstwohnsitzes überschuldeter Kreditnehmer.

Die Zeit drängt

Die entsprechende Gesetzesnovelle, mit der all diese Maßnahmen in Sack und Tüten gebracht werden, wird am Mittwoch dieser Woche im Parlament eingebracht und soll bereits am Donnerstag in zwei Artikeln verabschiedet werden. In ersterem werden der Kreditvertrag und das Memorandum III beinhaltet sein. Der zweite Artikel umfasst das Sparpaket und die entsprechenden Maßnahmen. Sollte der Zeitplan Athens aufgehen, so könnte die Eurogruppe den Vereinbarungen bereits am Freitag zustimmen, voraussichtlich per Telekonferenz. Anschließend müssten die Parlamente einiger Euro-Staaten noch Grünes Licht geben. Dann könnte die Auszahlung einer ersten Kreditrate in Höhe von bis zu 35 Milliarden Euro erfolgen. Mit diesem Geld könnte Athen noch vor dem 20. August eine fällige Anleihe für die EZB in Höhe von 3,2 Mrd. Euro bedienen. Rückgezahlt werden müssen außerdem ein Brückenkredit vom Juli sowie Zinszahlungen (insgesamt 12,5 Mrd. Euro). Weiteres Geld soll in die Rekapitalisierung der Banken fließen, die in den letzten Jahren und Monaten einen Großteil ihrer Einlagen verloren haben.
Die Geldgeber gestehen Athen ihrerseits in diesem Jahr ein Primärdefizit von 0,25 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu. 2016 soll ein moderater Überschuss von 0,5 % erwirtschaftet werden, der im Jahr 2017 auf 1,75 ansteigt und 2018 schließlich auf 3,5 %. Im Memorandum II, das mit der konservativen Vorgängerregierung (Nea Dimokratia) vereinbart worden war, waren hier noch deutlich strengere Werte angesetzt worden.
Sowohl Athen als auch die Gläubiger prognostizieren für die ersten sechs Monate 2016 einen weiteren Rückgang des BIP von 0,5 %. Anschließend, so die Berechnungen, sei mit einem leichten Wirtschaftswachstum zu rechnen, das im Jahr 2017 bei 2,3 % liegen soll.

Kampf in den eigenen Reihen


Nun muss Ministerpräsident Tsipras vor allem eine Schlacht in den eigenen Reihen schlagen. Die „Linke Plattform“ seines Bündnisses der Radikalen Linken (SYRIZA) wehrt sich entschlossen gegen die Vereinbarungen des „Memorandum III“ und bezeichnete dieses am Dienstag mit den Worten, dass man dem Land damit „die Kehle durchschneiden“ würde. Wenn es nicht schon früher zu einem parteiinternen „Krach“ kommt, soll spätestens Ende September / Anfang Oktober ein Parteikongress zur Klärung der Fronten stattfinden. Daran werden sich etwa 4.000 SYRIZA-Mitglieder als Delegierte beteiligen. Dann dürfte entschieden werden, ob es zu einer Abspaltung im Linksbündnis kommt und ob anschließend eventuell sogar vorverlegte Parlamentswahlen durchgeführt werden. Der Grabenkampf zwischen den „Realos“ und dem linken Flügel hat zur paradoxen Situation geführt, dass höchstens 120 der 162 Abgeordneten aus der Regierungskoalition für die neuen Maßnahmen stimmen wollen. Um sie dennoch mit einer notwendigen Mehrheit von mindestens 151 Stimmen durchs Parlament zu bugsieren, muss sich Tsipras allerdings auf die Abgeordneten der europaorientierten Oppositionsparteien ND, PASOK und To Potami stützen.
Doch ewig wird sich die Regierung auf deren „Ja“-Stimmen nicht verlassen können. Zwar hat sie sich jüngst – ebenso wie die Oppositionsparteien gegen einen vorverlegten Urnengang ausgesprochen –, doch einige Anzeichen deuten darauf hin, dass man diese Option nicht ausschließen kann. Hintergrund für das Szenarium vorverlegter Wahlen noch im September ist die Tatsache, dass die zu verabschiedenden Maßnahmen für die Bürger äußerst einschneidend sein werden. Vor allem ein zweites Paket, das im Oktober das Parlament passieren soll, dürfte noch einmal reichlich politischen Zündstoff bergen. Hätte Tsipras bis dahin ein frisches Mandat – allen Umfragen zufolge liegt er deutlich vorn – wäre es für ihn leichter, diese Hürde zu meistern.

Elisa Hübel


Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt den griechischen Finanzminister Evklidis Tsakalotos am Montagabend nach einer Kabinettssitzung unter Vorsitz von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Die Verhandlungen mit den Geldgebern liefen zu diesem Zeitpunkt im Athener Hilton-Hotel auf Hochtouren.

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